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EUROPA/489: Empörung unter Atomtest-Opfern über Sarkozy


Presseerklärung vom 2. November 2009

Nach der radioaktiven Verstrahlung zehntausender Arbeiter und Soldaten durch französische Atomversuche: Präsident Sarkozy will Atomtest-Inseln zu "Stätten des Nationalstolzes" erklären

Radioaktiv verstrahlte Opfer und Menschenrechtler empört


Als zynisch und menschenverachtend hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) den Plan des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy bezeichnet, die Atomtest-Inseln Moruroa und Hao in der Südsee zu "Stätten des Gedenkens und des französischen Nationalstolzes" zu erklären. Ende vergangener Woche hatte Sarkozy angekündigt, die beiden Atolle in dieser Weise am 6. November 2009 öffentlich zu ehren. "Die Maohi-Ureinwohner haben keinen Grund, auf Frankreichs Atomkolonialismus stolz zu sein", sagte der GfbV-Referent Ulrich Delius. "Die Atomtests haben viele ihrer Inseln und zehntausende Menschen verstrahlt. Außerdem wurden mehrere große Atommülldeponien geschaffen, deren Sicherheit nicht gewährleistet ist." Moruroa sei eine radioaktive Zeitbombe für den gesamten Pazifik, da das Atoll löcherig wie ein Schweizer Käse sei.

Auch der Verband der Maohi-Opfer der Atomversuche, "Moruroa et tatou" (Moruroa und Wir), kritisierte Sarkozys Plan scharf und warf dem französischen Präsidenten vor, die Opfer der Atomtests zu provozieren und zu verhöhnen. In der 2001 gegründeten Organisation haben sich 6.000 Maohi zusammengeschlossen, die als Gelegenheitsarbeiter in dem Atomversuchszentrum beschäftigt waren. Insgesamt wurden rund 150.000 Maohi und französische Soldaten auf den Inseln Moruroa und Fangataufa bei den 193 Atomversuchen zwischen 1966 und 1995 im Übersee-Territorium Französisch Polynesien verstrahlt. Aufgrund massiver Proteste der pazifischen Anliegerstaaten mussten die Atomtests 1995 schließlich eingestellt werden.

"Bis heute kämpfen die meisten Maohi, die bei den Versuchen verstrahlt wurden, vergeblich um Schadensersatz und eine angemessene medizinische Betreuung", berichtete Delius. Jedes Jahr würden Dutzende von ihnen an Krebserkrankungen sterben. "Frankreich hat Jahrzehnte lang seine Verantwortung für die radioaktive Verseuchung von Mensch und Natur geleugnet." Ein im Oktober 2009 vom französischen Senat verabschiedetes Gesetz sehe zwar vor, Opfer der Tests in begrenztem Umfang zu entschädigen. "Doch die meisten Maohi werden nichts bekommen, weil die französischen Behörden die Archive mit ihren Daten und medizinischen Gutachten nicht öffnen." Opferverbände bezeichneten das Gesetz als bürokratische Farce. Ohne routinierten Rechtsbeistand sei es den Betroffenen nicht möglich, angemessenen Schadensersatz zu bekommen.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 2. November 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2009