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EUROPA/615: Frankreich will Entschädigung von Atomtestopfern erleichtern


Presseerklärung vom 9. Februar 2017

Frankreichs erster Atomversuch vor 57 Jahren (13. Februar 1960):

Gesetzesänderung soll Entschädigung von Atomtestopfern erleichtern


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) begrüßt die in Frankreich geplante Gesetzesänderung, die eine Entschädigung von Atomtestopfern erleichtern soll. Ein Entwurf für diese Gesetzesänderung wurde in dieser Woche von einer Parlamentskommission ausgearbeitet und soll noch vor den französischen Präsidentschaftswahlen im April von Nationalversammlung und Senat verabschiedet werden. "Die Reform des Entschädigungsgesetzes war lange überfällig", erklärte der GfbV-Referent Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. "Aufgrund der bisherigen gesetzlichen Regelung wurde kaum einem Überlebender der Atomversuche eine Entschädigung gezahlt. Jetzt gibt es berechtigte Hoffnung, dass den Opfern endlich Gerechtigkeit widerfährt."

Im bisherigen Gesetz heißt es, die radioaktive Strahlenbelastung durch Atomtests sei "zu vernachlässigen". Unter Verweis auf diese umstrittene Formulierung waren die meisten Wiedergutmachungsanträge seit Inkrafttreten des Entschädigungsgesetzes im Jahr 2010 abgelehnt worden. Frankreich hat 210 Atomversuche zwischen Februar 1960 und Januar 1996 in der algerischen Sahara und in seinem Überseeterritorium Französisch-Polynesien im Südpazifik durchgeführt.

Anträge auf Entschädigung kommen vor allem von indigenen Maohi, die in dem Atomtestzentrum auf den Inseln Moruroa und Fangataufa arbeiteten, sowie ehemaligen französischen Soldaten. Beide Gruppen haben sich in Selbsthilfegruppen organisiert, die ihre Anliegen offensiv vertreten. Tuareg-Nomaden in der algerischen Sahara könnten im Prinzip auch Schadensersatz beantragen, sind aber bislang nicht organisiert und als Einzelpersonen nicht durchsetzungsfähig.

"Die Zahl der abgelehnten Wiedergutmachungsanträge ist erschreckend", kritisierte Delius. Nur 54 von 1060 eingereichten Anträgen wurde bislang stattgegeben. Davon erhielten nur 19 direkt Anerkennung durch eine gemäß dem Gesetz eingesetzte Kommission. 35 andere Atomtestopfer schafften es, auf gerichtlichem Weg ihre Anerkennung zu erstreiten. Die meisten offiziell anerkannten Strahlenopfer waren französische Soldaten. Die indigenen Maohi und Tuareg sehen bislang kaum Möglichkeiten, verbindlich als Atomversuchsopfer anerkannt zu werden, obwohl viele von ihnen unter Krebserkrankungen leiden, die sie auf die Strahlenbelastung zurückführen.

Angesichts der schlechten Erfahrungen der Maohi mit Frankreichs Aufarbeitung seines Atomkolonialismus reagierte der Sprecher ihrer Selbsthilfeorganisation "Moruroa e Tatou" auf Tahiti, Roland Oldham, zurückhaltend auf die geplante Gesetzesänderung.

"Da ich den französischen Staat kenne, habe ich meine Befürchtungen.... Bislang haben sie 90 bis 95 Prozent unserer Anträge abgelehnt", erklärte Oldham.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 9. Februar 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2017

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