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NAHOST/092: Appell an Iraks Ministerpräsident - Minderheiten brauchen Schutz!


Presseerklärung vom 22. Juli 2008

Nuri al-Maliki in Deutschland

Persönlicher Appell an Iraks Ministerpräsident: Minderheiten brauchen besonderen Schutz!


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) wird dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki während seines Besuches in Berlin bei einer persönlichen Begegnung einen Appell überreichen, die kleineren Gemeinschaften im Zweistromland besonders zu schützen. "Der Irak befindet sich zwar in einer sehr schwierigen Lage und wird immer wieder durch Anschläge internationaler Terroristen erschüttert, die von Nachbarländern unterstützt werden. Doch weil sie besonders unter Verfolgung zu leiden haben, brauchen gerade die ethnischen und religiösen Minderheiten - wie die assyro-chaldäischen Christen, Mandäer, Shabak, Armenier, Jesiden und Feilis - Unterstützung. Wir appellieren deshalb an Sie, sich an der Minderheitenpolitik des autonomen Bundesstaates Kurdistan im Nordirak zu orientieren und diesen Gruppen Nationalitätenrechte zu gewähren", heißt es in dem Schreiben der GfbV, das die beiden im deutschen Exil lebenden assyro-chaldäischen Christen, Pater Emanuel Youkhana und Kamel Zomaya, dem Regierungschef überbringen. Al-Maliki trifft am heutigen Dienstag in der deutschen Hauptstadt ein.

Nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein im April 2003 habe sich die Situation der kleineren Volksgruppen im Irak nicht verbessert, sondern eher verschlechtert, schreibt die GfbV, die seit einigen Jahren im autonomen nordirakischen Bundesstaat Kurdistan mit einer eigenständigen Sektion vertreten ist. Angehörige dieser Gruppen seien im mittleren und südlichen Irak ständig Gefahren ausgesetzt. Hunderttausende hätten vor gezielten Attentaten, Verschleppungen, Vergewaltigungen und ständiger Unterdrückung bereits die Flucht ergreifen müssen. Deshalb sei beispielsweise die nur noch wenige tausend Mitglieder zählende Gemeinschaft der Mandäer in ihrer Existenz bedroht. Die christliche Volksgruppe stünde im zentralen und südlichen Irak vor dem Exodus.

Es läge in der Verantwortung der irakischen Regierung und aller Iraker, die Vielfalt der Kulturen in ihrem Land zu bewahren und Bedrohungen entgegenzuwirken. Die drei großen Gruppen des Irak, - die Schiiten, Sunniten und Kurden - müssten eine Lösung für alle Iraker finden, damit sie neues Vertrauen in die Zukunft fassen und sich in ihrem eigenen Land sicher fühlen könnten. Für ein faires Zusammenleben müssten grundlegende Änderungen an der irakischen Verfassung vorgenommen werden. So müsse Religionsfreiheit garantiert und deshalb die Trennung von Staat und Religion sichergestellt werden. Außerdem müsse die Zentralregierung politische, kulturelle und administrative Rechte für die Minderheiten in die Praxis umsetzen.

Zudem erinnerte die GfbV in ihrem Schreiben daran, dass der Artikel 140 der irakischen Verfassung noch immer nicht umgesetzt sei, dem zufolge die Bevölkerung der administrativ umstrittenen Gebiete in einem Referendum frei entscheiden darf, ob ihre Gebiete dem Bundesland Irakisch-Kurdistan oder der Zentralregierung in Bagdad angehören sollen. Nur so könnten die Folgen der Zwangsarabisierungspolitik des Baath-Regimes beseitigt werden. Der Irak werde in seinen heutigen Grenzen nur dann weiterbestehen können, wenn das friedliche Zusammenleben aller ethnischen und religiösen Minderheiten gewährleistet sei. Im Irak leben noch etwa 400.000 assyro-chaldäische Christen, 400.000 Turkmenen, 550.000 Yeziden, 70.000 Shabak, 500.000 Feili-Kurden, 18.000 Armenier und weniger als 5.000 Mandäer.


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Quelle:
Presseerklärung Berlin / Göttingen, 22. Juli 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2008