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NAHOST/134: Syrien - Maschinengewehrsalven gegen Demonstranten


Presseerklärung vom 22. März 2010

Maschinengewehrsalven gegen Demonstranten

Syrische Sicherheitskräfte erschießen drei Kurden bei Newroz-Feiern - 50 Verletzte


Syrische Sicherheitskräfte haben zu Beginn des kurdischen Neujahrsfestes am 21. März in der Stadt ar-Raqqa am mittleren Euphrat östlich von Aleppo drei Kurden erschossen und mindestens 50 verletzt. Dies teilte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag mit. Wie die internationale Menschenrechtsorganisation aus zuverlässiger Quelle erfuhr, sollen auch viele Minderjährige verletzt worden sein. Die Sicherheitskräfte feuerten mit Maschinengewehren auf die Feiernden. Da sich die Leichen der Getöteten noch in der Hand der Behörden befinden, konnten die Namen der Opfer - unter ihnen ein 15-jähriges Mädchen - noch nicht ermittelt werden.

Ein syrischer Arzt im staatlichen Krankenhaus in ar-Raqqa, der nicht genannt werden wollte, berichtet einem mit der GfbV befreundeten Menschenrechtler, dass das Krankenhaus bereits in der Nacht vom 20. auf den 21. März vom Staatssicherheitsdienst angewiesen wurde, möglichst viele Krankenbetten freizuhalten. "Dies ist ein Indiz dafür, dass die Übergriffe auf friedliche kurdische Demonstranten längst geplant waren", kritisierte die GfbV. Auch aus den Städten Damaskus, Aleppo, Kamischli und Afrin wurden Angriffe gegen feiernde Kurden gemeldet.

"Seit Übernahme der Macht durch den jungen Baschar al-Assad im Jahr 2000 nimmt die Unterdrückung der Kurden in Syrien kontinuierlich zu", berichtete der GfbV-Bundesvorsitzende Tilman Zülch. Immer wieder werden politisch aktive Kurden festgenommen und inhaftiert oder verschwinden spurlos.

Nach Auffassung der GfbV ist es unter diesen Umständen mehr als verantwortungslos, wenn Deutschland politische Flüchtlinge aus dem totalitär regierten Syrien abschiebt. Unter ihnen sind vor allem Angehörige der kurdischen Minderheit und der yezidischen und christlichen Gemeinschaften, die meist schon viele Jahre in Deutschland leben. "Wer immer wieder Staatsbürger bei Demonstrationen und sogar religiösen Feierlichkeiten niederschießen und Menschen zu Tode foltern lässt, kann kein Partnerland für ein Rückübernahmeabkommen sein. Dieser vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit dem syrischen Innenminister 2008 abgeschlossene Vertrag muss umgehend aufgekündigt werden", fordert Zülch.


Zum Hintergrund
Die über zwei Millionen syrischen Kurden, die in drei Regionen an der syrisch-türkischen Grenze die Mehrheit der Bevölkerung stellen, werden bis heute diskriminiert. Im Zuge einer massiven Arabisierungspolitik wurde 200.000 von ihnen 1962 die syrische Staatsbürgerschaft genommen. Seitdem verlangen internationale Menschenrechtsorganisationen, unter ihnen auch die GfbV, ihre Wiedereinbürgerung. Dieser Volksgruppe wird bis heute sprachliche und kulturelle Rechte vorenthalten. Nach verschiedenen Schätzungen soll es zur Zeit mehrere hundert kurdische politische Gefangene in syrischen Gefängnissen geben. Dort sind Misshandlungen und Folter an der Tagesordnung. Eine Liste mit den Namen von 590 politischen Gefangenen in der "Arabischen Republik Syrien" liegt der Gesellschaft für bedrohte Völker vor.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 22. März 2010
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2010