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NAHOST/152: Syrien - Deutschland soll Rückübernahmeabkommen aufkündigen


Presseerklärung vom 22. März 2011

Sicherheitskräfte erschießen friedliche Demonstranten

Deutschland soll Rückübernahmeabkommen mit Syrien aufkündigen


Vor dem Hintergrund des gewaltsamen Vorgehens von syrischen Sicherheitskräften gegen friedliche Demonstranten fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die deutsche Bundesregierung dringend dazu auf, Abschiebungen nach Syrien sofort offiziell auszusetzen. "Das syrische Regime zeigt jetzt sein wahres Gesicht: Es lässt auf unbewaffnete Zivilisten schießen. Deshalb muss Deutschland jetzt endlich das 2009 abgeschlossene Rückübernahmeabkommen mit Syrien aufkündigen", sagte der GfbV-Gründer Tilman Zülch am Dienstag in Göttingen.

Seit Tagen demonstrieren zehntausende Menschen in der Stadt Daraa rund 100 Kilometer südlich von Damaskus, aber auch in anderen Städten für ein Ende des seit 48 Jahre andauernden Ausnahmezustands. Sicherheitskräfte gehen mit Schusswaffen gegen die Demonstranten vor. Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten wurden am Freitag in Daraa mindestens fünf Menschen getötet und 44 verletzt. Landesweit wurden in den vergangenen zehn Tagen mindesten 100 Menschen verhaftet.

Obwohl das Auswärtige Amt und zahlreiche deutsche Gerichte bestätigen, dass es in Syrien immer wieder massive Menschenrechtsverletzungen gibt, sind rund 7000 in Deutschland geduldete Syrer, allen voran Kurden (Muslime und Yeziden), syrische Oppositionelle sowie christliche Assyro-Aramäer von Abschiebung bedroht. So wurden zwischen dem 24.11.2009 und 29.06.2010 nach GfbV-Angaben 73 syrische Staatsbürger in ihr Herkunftsland abgeschoben. "Nordrhein-Westfalen hält dabei den traurigen Rekord mit 36 Abschiebungen, gefolgt von Niedersachsen mit 13, Berlin mit sechs, Baden-Württemberg mit fünf und Bayern mit vier Abschiebungen. Aus Sachsen wurden drei, aus Hessen zwei und jeweils eine Person aus Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt nach Syrien abgeschoben.

Die GfbV hat sich von Anfang an gegen das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen gewandt, da nicht nur die Opposition, sondern auch die mehr als zwei Millionen Kurden Syriens - unter ihnen rund 4.000 Angehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft - diskriminiert und unterdrückt werden. Den Kurden werden nicht nur sprachliche und kulturelle Rechte vorenthalten. 200.000 der rund zwei Millionen Kurden, die in drei Regionen an der Grenze zur Türkei die Mehrheit der Bevölkerung stellen, wurde zudem im Zuge einer massiven Arabisierungspolitik 1962 die syrische Staatsbürgerschaft genommen. Nach verschiedenen Schätzungen sollen zurzeit mehrere hundert kurdische politische Gefangene in syrischer Haft gehalten werden. Dort sind Misshandlungen und Folter an der Tagesordnung. Eine Liste mit den Namen von 590 politischen Gefangenen in der "Arabischen Republik Syrien" liegt der GfbV vor.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 22. März 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2011