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NAHOST/302: Nordsyrien - Untersuchungskommission für Kriegsverbrechen der Türkei gefordert


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 20. Februar 2018

Nordsyrien: Giftgas und Hinrichtungen durch türkische Armee? Wegen Kriegsverbrechen des Nato-Partners Türkei Untersuchungskommission gefordert


Göttingen, 20. Februar 2018 - Aufgrund der schweren Vorwürfe gegen die Türkei, in Nordsyrien Kriegsverbrechen zu begehen, hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Dienstag die umgehende Einsetzung einer Untersuchungskommission gefordert. "Die internationale Staatengemeinschaft darf die alarmierenden Berichte von Ärzten und Augenzeugen über einen möglichen Giftgaseinsatz der türkischen Armee im nordsyrischen Afrin nicht ignorieren", erklärte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido in Göttingen. "Zudem hören wir immer wieder von Hinrichtungen gefangener Kurden durch das türkische Militär oder verbündete islamistische Milizen. Auch das sind schwere Kriegsverbrechen. Wenn gegen einen Nato-Partner solche Anschuldigungen erhoben werden, muss ihnen unbedingt nachgegangen werden. Da reicht es keinesfalls aus, sich mit Dementis der Türkei zu begnügen."

Es gebe beunruhigende Indizien dafür, dass auch der Vorwurf der Hinrichtung von Kriegsgefangenen zu Recht erhoben werde, sagte Sido. So veröffentliche die Türkei keine Zahlen über gefangene Kurden mehr. Es werde nur noch von "neutralisierten", "vernichteten" oder "eliminierten" Mitgliedern der kurdischen Bürgerwehr YPG gesprochen. YPG schützt Nordsyrien vor dem IS und anderen Radikalislamisten.

Viele Behauptungen der türkischen Regierung seien "Augenwischerei" wie die ständig wiederholte Beteuerung, in Afrin würden keine zivilen Ziele angegriffen, warnte Sido. Allein am Montag habe die türkische Luftwaffe zehn Ortschaften in dieser nordsyrischen Region angegriffen, berichteten Augenzeugen vor Ort dem Menschenrechtler telefonisch. Ein Ziel sei auch das 18 Kilometer von der türkisch-syrischen Staatsgrenze entfernte Flüchtlingslager "Robar" gewesen, in dem Tausende von Flüchtlingsfamilien aus ganz Syrien untergebracht sind. Im Süden von Afrin seien türkische Raketen in der Ortschaft Basuta eingeschlagen. Dabei soll nach ersten Angaben das 13-jährige Mädchen Haifa Kallahu ums Leben gekommen sein. Acht andere Angehörige der Familie Kallahu wurden zum Teil schwer verletzt. In Basuta leben viele Angehörige der Religionsgemeinschaft der Yeziden. Seit dem Beginn des türkischen Angriffskrieges gegen das friedliche Afrin wurden mindestens 183 Zivilisten getötet und 431 verletzt, etwa 70.000 mussten fliehen.

Kamal Sido, der in Afrin geboren ist, telefoniert jeden Tag mit Augenzeugen in Nordsyrien. Die Menschen bestätigen, dass die türkische Luftwaffe immer wieder und wahllos Ziele auch in der Stadt Afrin angreift.

"Russland und der Iran haben immer wieder Gräueltaten des Assad- Regimes zu vertuschen versucht", kritisierte der Menschenrechtler. "Es wäre eine billige "Retourkutsche", wenn jetzt die USA und andere Staaten ihrem Nato-Partner Türkei Rückendeckung geben und Kriegsverbrechen des türkischen Militärs decken."

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Quelle:
Pressemitteilung vom 20. Februar 2018
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2018

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