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RUSSLAND/102: Bundesregierung soll Verfahren gegen MEMORIAL-Leiter beobachten!


Presseerklärung vom 15. November 2009

Bundesregierung soll Verfahren gegen russischen Menschenrechtler beobachten


Zum Schutz des Leiters der russischen Menschenrechtsorganisation MEMORIAL, Oleg Orlow, hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) eine Beobachtung des laufenden strafrechtlichen Prozesses gegen den Menschenrechtler durch die deutsche Botschaft gefordert. Es müsse für ein faires Verfahren gesorgt werden, sagte der GfbV-Vorsitzende Tilman Zülch. Bei der Verleihung des Victor-Gollancz-Preises an Orlow in Göttingen habe er über massive Einschränkungen seiner Menschenrechtsarbeit durch russische und tschetschenische Behörden berichtet. Orlow stehe wegen seiner Behauptung vor Gericht, der Mord an seiner Mitarbeiterin Natalja Estemirowa sei vom tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow angeordnet. Erst am Freitag sei Orlow in Moskau wieder fünf Stunden verhört worden. In diesem Jahr wurden in Russland und Tschetschenien bereits acht Menschenrechtsaktivisten ermordet.

Auch beim EU-Russland-Gipfel am Mittwoch in Stockholm soll die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass ein neues Kooperationsabkommen mit Russland mit den Bürger- und Menschenrechte gekoppelt sein müsse. Außerdem müsse sie kontinuierlich Informationen zum Stand der Ermittlungen gegen Mörder von Menschenrechtsaktivisten verlangen und Bedrohte in Zeugenschutzprogramm aufnehmen, wenn sie in Russland gefährdet seien. Sie müssten Asyl in Deutschland oder in anderen EU-Mitgliedstaaten erhalten. Von der russischen Regierung müsse gefordert werden, dass besonders der Nordkaukasus ständig für unabhängige Menschenrechtsorganisationen, für Berichterstatter internationaler Gremien wie OSZE und UN sowie für Journalisten zugänglich sei.

Auf der GfbV-Jahresversammlung hatten am Wochenende rund 160 Delegierte, Menschenrechtsexperten und Sprecher bedrohter Völker aus Europa, Asien, Afrika und Übersee kritisiert, dass die meisten Regierungen der westlichen Staatengemeinschaft durch die Weltwirtschaftskrise, aber auch durch Eigeninteressen dazu gebracht worden seien, über Machtmissbrauch und Unterdrückung oder Verfolgung kleinerer Volksgruppen hinwegzusehen und selbst mit Gewaltherrschern gute Beziehungen zu pflegen. Höhepunkt der GfbV-Jahresversammlung war die Verleihung des Victor-Gollancz-Preises an Orlow und den Leiter den brasilianischen Indianermissionsrat CIMI, José Eden Pereira Magalhães.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 15. November 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2009