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AUFRUF/048: Dogan Akhanli in türkischer Haft - Wir fordern seine Freilassung (Verlag Assoziation A)


Verlag Assoziation A - 31. Oktober 2010

Schriftsteller Dogan Akhanli in türkischer Haft - Wir fordern seine Freilassung


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 10. August 2010 wurde der in Köln lebende Schriftsteller und Menschenrechtler Dogan Akhanli bei der Einreise in die Türkei verhaftet. Dogan Akhanli ist für sein Engagement für die verfolgten Minderheiten in der Türkei und für seine hartnäckige Forderung nach Aufklärung des Völkermords an den Armeniern bekannt. In diesem Engagement sehen wir den wahren Grund für seine Verhaftung durch die türkische Polizei.

Wir fordern seine sofortige Freilassung und schließen uns dem unten dokumentierten Solidaritätsaufruf an.

Mit besten Grüßen
Theo Bruns & Rainer Wendling


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Freiheit und Gerechtigkeit für Dogan Akhanli!

»Ich wurde im Alter von 18 Jahren festgenommen, weil ich an einem Kiosk eine linke Zeitung kaufte. Elf Tage wurde ich 'befragt'; fünf Monate war ich dann im Gefängnis Toptasi. Als ich auf freien Fuß gesetzt wurde, hatte ich nicht nur die Aufnahmeprüfung für die Universität verpasst, sondern mir waren auch viele Wege versperrt, die mir das Leben hätte bieten können« (Dogan Akhanli: Die Fremde und eine Reise im Herbst).

Der Schriftsteller und Menschenrechtler Dogan Akhanli ist am 10. August 2010 in die Türkei eingereist. Nicht heimlich, nicht auf Umwegen, sondern unter eigenem Namen, mit deutschem Pass über den Istanbuler Flughafen. Er wollte seinen Vater und sein Heimatdorf besuchen.

Seit dieser Stunde sitzt er in türkischer Haft. Die Staatsanwaltschaft will ihn lebenslang hinter Gitter bringen, unter verschärften Haftbedingungen. Der Vorwurf: Akhanli sei Kopf einer bewaffneten linken Organisation gewesen, die die türkische Ordnung habe stürzen wollen. Deswegen habe er an einem Raubüberfall auf eine Wechselstube teilgenommen, der am 20. Oktober 1989 in Istanbul verübt und bei dem der Besitzer dieser Wechselstube getötet wurde.

Dogan Akhanli hat nichts davon getan. Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft auch keine Beweise gegen ihn in der Hand. Ihre beiden ehemaligen Zeugen haben im August 2010 bei Gericht und damit aktenkundig zu Protokoll gegeben, dass ihnen die Dogan Akhanli belastenden Aussagen 1992 durch Folter abgepresst oder schlicht untergeschoben wurden. Zudem wurde die besagte militante Organisation, deren Mitglied Akhanli nicht einmal war, vom türkischen Innenministerium Mitte der 90er Jahre als nicht umsturzrelevant eingestuft.

Eine Justiz, die diese Fakten übergeht, erfolterte und überdies korrigierte Aussagen verwendet, muss sich fragen lassen: Warum hält sie einen offensichtlich Unschuldigen, der während seiner Haftzeit 1975 und 1985 schwer gefoltert wurde, dennoch in Haft, lehnt sämtliche Haftbeschwerden ab und macht ihm den Prozess?

Dogan Akhanli war linker Aktivist, tauchte nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 unter, wurde verhaftet, saß mehr als zwei Jahr im Gefängnis und floh 1991 nach Deutschland. Im Exil wurde er Schriftsteller, kritisiert kompromisslos die staatlichen Gewaltverbrechen des 20. Jahrhunderts in der Türkei und anderen Ländern, darunter den Genozid an den Armeniern. Als Menschenrechtler organisiert er den Dialog von Menschen unterschiedlichster Herkunft über die Folgen von staatlicher Willkür und Völkermorden. Mit anderen fordert er die Aufklärung des Mordes an Hrant Dink. Soll er dafür büßen?!

Am 8. Dezember 2010 wird die 11. Strafkammer des Strafgerichts Istanbul den Prozess gegen Dogan Akhanli eröffnen und zeigen müssen, ob sie den unseligen Traditionen der Gesinnungsjustiz anhängt oder die Fakten nach rechtsstaatlichen Kriterien wertet.

Wir fordern die sofortige Freilassung von Dogan Akhanli. Wir fordern Gerechtigkeit.


Erstunterzeichner:
Martin Glasenapp (medico international)
Ursula Mende, Bundesgeschäftsführerin der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen
Osman Okkan, Vorstandssprecher KulturForum TürkeiDeutschland
Christa Schuenke, Vizepräsidentin und Writers-in-Exile-Beauftragte des P.E.N.-Zentrums Deutschland<
Dr. Christian Staffa, Geschäftsführer Aktion Sühnezeichen Friedensdienste
Günter Wallraff, Schriftsteller

Weitere Unterschriften bitte an: Albrecht.Kieser@rjb-koeln.de.

V.i.S.d.P.: Recherche International e.V., Merowingerstr. 5-7, 50677 Köln;
www.gerechtigkeit-fuer-dogan-akhanli.de


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Quelle:
Assoziation A, Büro Hamburg
c/o Brücke 4, Amandastraße 60, 20357 Hamburg
Telefon: 040-80609208, Fax: 040-80609215
E-Mail: hamburg@assoziation-a.de
Internet: www.assoziation-a.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2010