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BERICHT/895: Dem Frieden eine Chance (Europäischer Friedensrat Türkei/Kurdistan)


Europäischer Friedensrat Türkei/Kurdistan - März 2009

Dem Frieden eine Chance!

Anlässlich des traditionellen kurdischen Neujahrsfestes Newroz am 21. März appelliert der Europäische Friedensrat Türkei/Kurdistan an die Bundesregierung, im Bundestag vertretenen Parteien sowie an Menschenrechts- und Friedensgruppen, ihren Beitrag für die friedliche Lösung der Kurdenfrage zu leisten.


Der 21. März steht bevor. An diesem Tag feiern die KurdInnen seit über 2600 Jahren ihr traditionelles Neujahrsfest als Zeichen der Hoffnung auf bessere Zeiten und der langersehnten Freiheit, Gleichberechtigung und ein Leben in Frieden.

Seit Anfang der 1990er Jahren verging kaum ein Jahr, indem die Newrozfeiern nicht von der Staatsmacht der Türkei angegriffen wurden. Viele Menschen fielen der Aggression zum Opfer. Dies konnte jedoch nicht verhindern, dass die Zahl der TeilnehmerInnen an den Newrozfeiern jedes Jahr zunahm. Allein letztes Jahr waren es mehrere Millionen Menschen.

Auch dieses Jahr werden Millionen von KurdInnen auf die Straße gehen und das Newrozfest feiern. Dort, wo sich die Sicherheitskräfte nicht einmischen und angemessen reagieren, konnte verfolgt werden, dass die Feierlichkeiten friedlich verliefen. Daher appellieren wir an die Regierung der Türkei, die angemeldeten Feierlichkeiten zuzulassen und Gewaltanwendungen durch die Polizeikräfte zu unterlassen.

Die seit einigen Monaten andauernde milde Atmosphäre zwischen den Konfliktparteien, die durch einseitige und nichtdeklarierte unilaterale Schritte geschaffen wurde, sollte nicht gefährdet werden.

Die PKK führt derzeit keine militärischen Operationen durch, obwohl die türkische Luftwaffe allwöchentlich Stützpunkte der PKK und zivile Siedlungsgebiete in Irakisch-Kurdistan bombardiert.

Ende Oktober und Anfang November letzten Jahres gingen tagelang Hunderttausende KurdInnen auf die Straße, um friedlich ihre Grundrechte zu fordern. Die Auseinandersetzungen sind so in die Städte getragen worden.

Die türkische Regierung begann im staatlichen Fernsehen (TRT6) ohne Gesetzesänderungen in kurdischer Sprache zu senden.

Einige der türkischen Universitäten haben begonnen, kurdologische Institute einzurichten. Bilgi Universität bietet seit Jahreswechsel Kurdisch-Kurse an.

Mitte Februar fand eine erste kurdisch-türkische Zusammenkunft mit Billigung der türkischen Regierung in der Hauptstadt der Region Kurdistan/Irak statt, an der auch etwa 100 aus der Türkei gereisten Meinungsmacher teilnahmen. Das Tabu über die Bezeichnung »Kurdistan« wurde vielleicht nicht von allen, aber von einigen durchbrochen.

Anlässlich des Internationalen Tages der Muttersprachen sprach der Parteivorsitzende der pro-kurdischen Partei DTP, Ahmet Türk, am 24. Februar 2009 auf der Fraktionssitzung im türkischen Parlament in seiner Muttersprache Kurdish.

Des Weiteren wird geplant, in den nächsten Wochen eine gesamtkurdische Konferenz mit Vertretern der KurdInnen aus der Türkei, aus dem Iran, Irak und Syrien unter der Schirmherrschaft des Präsidenten Irakisch-Kurdistans, Masud Barzani, einzuberufen. Hierzu wird die PKK offiziell eingeladen und die Geheimdienst der Türkei (MIT) und das türkische Außenministerium sind involviert.

Am 29. März 2009 finden die Kommunalwahlen statt. In den kurdischen Gebieten treten de facto nur zwei Parteien, AKP und die DTP, gegeneinander an. Neben den üblichen Manipulationsversuchen verlaufen die Wahlkampfveranstaltungen friedlich. Wenn die DTP ihre Stimmen erhöhen und die Zahl der von ihr regierten etwa 50 Kommunen auf die Marke 70 und mehr bringen kann, wird dies den Druck auf die türkische Regierung stärken, um weitere unilaterale Schritte in Richtung eines dauerhaften Friedens einzuleiten.

In dieser sehr sensiblen und kritischen Phase erwarten wir von der demokratischen Öffentlichkeit, der Europäischen Friedensbewegung und den Freunden der Türkei und des kurdischen Volkes deeskalierend und konstruktiv zu wirken und den mühsam begonnenen Prozess der Annäherung der Konfliktparteien zu unterstützen.

Wir hoffen, dass das diesjährige Newrozfest, eine neue Chance für den Frieden bieten wird.

Sekretariat des Europäischen Friedensrates Türkei/Kurdistan


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Quelle:
Europäischer Friedensrat Türkei/Kurdistan
E-Mail: info@barismeclisi.com
Internet: www.barismeclisi.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2009