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BERICHT/979: Ausstellung über den Tod des in Dessauer Polizeigewahrsam verbrannten Flüchtlings (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 8. Juli 2009

»Polizisten haben gelogen, das Gericht hörte zu«

Ausstellung über den Tod des in Dessauer Polizeigewahrsam
verbrannten Flüchtlings Oury Jalloh eröffnet in Berlin.

Ein Gespräch mit Yufanyi Mbolo
(Yufanyi Mbolo ist Mitglied der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh)
Interview von Gitta Düperthal


Unter dem Titel »Break the silence« (Brecht die Stille) lädt die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh am Donnerstag zur Ausstellungseröffnung ein. Oury Jalloh verbrannte in der Nacht zum 7. Januar 2005 in einer Dessauer Gefängniszelle. Der Flüchtling aus Sierra Leone war an Händen und Füßen gefesselt.


Frage: Was zeigen Sie in der Ausstellung?

Antwort: Wir dokumentieren die Arbeit unserer Kampagne, die versucht hat, Licht ins Dunkel zu bringen. Beispielsweise zeigen wir Fotos der ersten Demonstration von schwarzen Menschen in Dessau im Februar 2005, drei Wochen nach Oury Jallohs Tod. Flüchtlinge und Migranten haben gefordert, daß so etwas nie wieder vorkommen darf. Sie trugen ein Transparent: »Oury Jalloh - das war Mord«. Zu sehen ist, wie brutal die Polizei vorging, um uns das Transparent mit dieser Aufschrift abzunehmen. Bei folgenden Demonstrationen bis 2007 gab es die Auflage, es nicht mehr tragen zu dürfen. Selbst nachdem das Landgericht Dessau bestätigt hatte, daß das Transparent Teil unserer Meinungsfreiheit ist, wurden wir weiter daran gehindert. Wir wußten uns zu helfen: Kaum hatte die Polizei ein Tuch beschlagnahmt, holten wir das nächste hervor.

Eine andere Szene: Nach einer Aktion in Oschersleben in Sachsen-Anhalt sind wir mit dem Bus nach Berlin gefahren. Dort hielt uns die Polizei am Zoologischen Garten an, alle weißen Deutschen mußten aussteigen und wurden fotografiert. Weitere Fotos zeigen, wie Flüchtlinge und Migranten Oury Jalloh den letzten Respekt erweisen. Bilder zeugen von der Konfrontation mit der Polizei und wie sich die Leute auf der Straße verhalten.

Frage: Wieso wollen Sie vier Jahre nach dem Tod von Oury Jalloh immer noch keine Ruhe geben?

Anwort: Als Oury Jalloh starb, wurde keine Anklage erhoben. Wir haben deutlich gemacht: Solange der Fall nicht aufgeklärt ist, werden wir sagen »Oury Jalloh - das war Mord«. Viele andere waren damals noch der Auffassung: Wir leben in einem Rechtsstaat, alles werde sich klären. Zwei Jahre nach Eröffnung des Gerichtsverfahrens wurde klar, daß der Prozeß nur eine Farce war. Das Gericht folgte von Anfang an der Hypothese der Staatsanwaltschaft, daß Oury Jalloh Selbstmord begangen habe. Fragen, die Licht ins Dunkel hätten bringen können, wurden nicht gestellt: Wie hätte ein Feuerzeug in die Zelle gelangen sollen, obgleich Oury Jalloh gründlich durchsucht worden ist? Warum hatte niemand sein gebrochenes Nasenbein festgestellt? Wie soll ein gefesselter Mensch sich selber anzünden können? Wieso hat der zuständige Beamte Rauch- und Feueralarm weggedrückt und nicht reagiert? Polizisten haben gelogen, das Gericht hörte zu. Die Hauptbelastungszeugin wurde als nicht glaubwürdig hingestellt. Der Prozeß wurde nur durch unseren Widerstand und konstantes Nachhaken eröffnet, nicht weil Deutschland ein Rechtsstaat ist. Pro Asyl, Die Linke, Die Grünen und andere Organisationen sehen das nach dem Freispruch für alle beteiligten Polizisten ähnlich.

Frage: Sie wollen eine unabhängige Kommission einberufen, um die Todesursache Oury Jallohs zu klären ...

Antwort: Die Gruppe soll den Fall unabhängig untersuchen - auch unabhängig von unserer Wut und unseren Schmerzen. Oury Jalloh ist nur ein Beispiel. In Deutschland gibt es weitere Fälle, die von Rassismus gegen Migranten zeugen. Fachleute, Menschenrechtsaktivisten, Betroffene von rassistischer Polizeigewalt und ihre Familien sollen mitwirken. Für den 18. und 19. Juli ist ein Treffen verschiedener Gruppierungen in Hannover geplant. Das Komitee für Grundrechte wird eine Broschüre herausgeben. Es muß einen gründlichen Bericht geben, um eine Legitimation für die Kommission zu erwirken.


• Die Ausstellung »Break the silence« ist ab dem 9. Juli, 19 Uhr,
in der Wrangelstraße 54, in Berlin-Kreuzberg täglich zu sehen.


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Quelle:
junge Welt vom 08.07.2009
mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2009