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FRAGEN/011: Interview mit Addis Mulugeta - Träger des Würzburger Friedenspreises 2011 (idw)


Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt - 08.04.2013

Interview mit Addis Mulugeta, Träger des Friedenspreises 2011, Masterstudent an der FHWS

Das Interview führte Katja Klein



Addis Mulugeta, 1983 geboren in Äthiopien, studierte Sozialwissenschaften, Geschichte und Englisch an der Addis Abeba Universität und mußte aufgrund seiner Tätigkeit als ausgebildeter Journalist, die sich kritisch mit politischen Missständen in seinem Land auseinandersetzte, 2009 nach wiederholter Inhaftierung und Folter aus seiner Heimat fliehen. Mulugeta hat ein Masterstudium an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt aufgenommen, engagiert sich in der Integrationsarbeit und wurde ausgezeichnet mit dem Würzburger Friedenspreis. Ein Interview.

Foto: © FHWS / Mulugeta

Addis Mulugeta hielt in diesem Jahr die Neujahrsansprache im Würzburger Rathaus.
Foto: © FHWS / Mulugeta

Zur Person: Addis Mulugeta, 1983 geboren in Äthiopien, studierte Sozialwissenschaften, Geschichte und Englisch an der Addis Abeba Universität. Aufgrund seiner Tätigkeit als ausgebildeter Journalist, der sich kritisch mit politischen Missständen in seinem Land auseinandersetzte, musste er im Jahr 2009 nach wiederholter Inhaftierung und Folter aus seiner Heimat fliehen. Nach dem Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf kam Mulugeta im März 2010 nach Würzburg und wurde zunächst in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Asylbewerber in der Veitshöchheimer Straße untergebracht.


Zu seinen Zielen gehört es, sich mit Offenheit, Respekt und Wertschätzung zu begegnen


Frage: Wie waren die ersten Eindrücke nach der Ankunft in Würzburg?

Addis Mulugeta: Am Anfang waren die Unsicherheit und Angst vor dem, was mich erwartet, sehr groß. Alles ist fremd, wenn man neu angekommen ist. Man kennt niemanden, nicht die Sprache, nicht die Menschen, nicht die neue Umgebung. Dazu kommt, dass man nicht weiß, wie das Asylverfahren weitergeht. Das beengte Zusammenleben mit fremden Menschen, die alle von ihrer persönlichen Situation belastet sind und unter Stress stehen, ist eine Herausforderung.

Frage: Ohne Kenntnisse der deutschen Sprache, ohne gesicherten Aufenthaltsstatus - welchen Möglichkeiten hat man in der GU?

Addis Mulugeta: Nicht viele: Essen, schlafen, fernsehen und warten auf die Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag. Nach einem Jahr kann man eine Arbeitserlaubnis beantragen. Allerdings ist es schwierig, selbst schlecht bezahlte Aushilfsjobs zu bekommen, ohne Kenntnis von Sprache und Kultur. Ferner haben Deutsche und EU- Bürger stets Vorrang. Aber alles ist besser, als Tag für Tag sinnlos auf der Bettkante zu sitzen. Da wird man nur depressiv und verzweifelt.

Frage: Mit dem Magazin "Heimfocus", das Sie ins Leben gerufen haben, konnten Sie den Flüchtlingen und ihren Unterstützern eine Stimme geben. Wen möchten Sie mit Ihrer Publikation erreichen?

Addis Mulugeta: Unser Anliegen ist es, die breite Öffentlichkeit für die Not der Flüchtlinge und Asylbewerber mitten in Deutschland zu sensibilisieren und für einen Wandel in der Asylpolitik zu kämpfen. Das geht nur, indem immer mehr Bürger von der Verletzung der Menschenwürde der Asylsuchenden erfahren und sich für Verbesserungen einsetzen.

Frage: Sie haben darüber hinaus das Heimcafé geschaffen, engagieren sich in der Integrationsarbeit und haben für Ihren Einsatz 2011 anerkennend den Würzburger Friedenspreis überreicht bekommen. Zudem wurden Sie nun als Flüchtling anerkannt. Anläßlich des Neujahrsempfgangs der Stadt Würzburg hielten Sie die Festrede, die sehr positiv aufgenommen wurde. Wie haben Sie diese Anerkennung Ihrer Tätigkeiten aufgenommen?

Addis Mulugeta: Ich bin froh, so viele offene und engagierte Menschen in Würzburg kennengelernt zu haben. Das bestätigt meine Arbeit und gibt mir Zuversicht, dass wir alle gemeinsam die Gräben zwischen Einheimischen und neuen Mitbürgern überwinden können, indem wir miteinander reden und nicht übereinander und indem wir einander mit Offenheit, Respekt und Wertschätzung begegnen.

Frage: Sie haben nun ein Masterstudium an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt aufgenommen - was ist Ihr Ziel, welche Qualifikationen wünschen Sie sich mit dem Erreichen des Mastertitels?

Addis Mulugeta: Ich hoffe, dass ich in meiner neuen Heimat Würzburg einen Arbeitsplatz finde und hier mein Engagement für alle Bürger dieser Stadt, egal, woher sie kommen und wer sie sind, fortsetzen kann.

Frage: Was bedeutet es Ihnen, politisch aktiv zu sein? Haben Sie Ziele für die Zukunft nach dem Studium?

Addis Mulugeta: Jemand, der für sein politisches und gesellschaftskritisches Engagement in der Heimat einen hohen Preis bezahlt hat, weiß den Wert von Meinungs- und Pressefreiheit und anderer Grundrechte als unendlich kostbares Gut zu schätzen und zu nutzen. Ich setze mich dankbar und mit ganzer Kraft weiterhin für diese Ziele ein.

Frage: Hoffen Sie, auch aus der Ferne mehr Demokratie erreichen zu können für Äthiopien?

Addis Mulugeta: Das wird auch in Zukunft eines meiner großen Anliegen und Ziele bleiben, den Menschen in meiner Heimat zu Freiheit und echter Demokratie zu verhelfen.

Frage: Wie fühlen Sie sich aufgenommen in Deutschland? Können Besuche in Schulen, das Herausgeben einer Publikation Vorurteile abbauen, Gespräche Interesse in der Bevölkerung wecken?

Addis Mulugeta: Meine positiven Erfahrungen bestätigen immer wieder, dass jede Veränderung in der direkten Begegnung von Mensch zu Mensch ihren Anfang nimmt und dass man nie das Vertrauen in den guten Willen des Einzelnen aufgeben darf, ein menschliches Gesicht der Solidarität zu zeigen.

Frage: Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie, wo wären Sie gern am liebsten in fünf bis zehn Jahren?

Addis Mulugeta: Ich möchte mit dem fortfahren, was ich seit Jahren mit großer Überzeugung mache: Mich gemeinsam mit anderen gegen Verletzungen der Menschenrechte und für eine gerechte, solidarische Zukunft für alle Menschen einsetzen. Dabei habe ich natürlich ganz besonders meine Heimat Afrika im Blick und will mein Potenzial und meine Möglichkeiten einsetzen, damit dieser Kontinent eigene Wege in eine gute, selbstbestimmte Zukunft findet.

Weitere Informationen unter www.heimfocus.net und
www.heimfocus.net/projekte/heimcafe.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution292

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt,
Katja Klein M.A., 08.04.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2013