Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FAKTEN

INTERNATIONAL/089: Khader Adnans langsame Erholung vom Hungerstreik (ADDAMEER)


ADDAMEER Prisoner Support and Human Rights Association

Gemeinsame Erklärung der Gefangenenhilfs- und Menschenrechtsorganisation Addameer und der Ärzte für Menschenrechte - Israel (PHR-I) - 23. Februar 2012

Khader Adnans langsame Erholung vom Hungerstreik
Israelisches Gericht erläßt Entscheid zur Entfernung seiner Hand- und Fußfesseln


Nachdem Khader Adnan seinen Hungerstreik am 23.2. nach 66 Tagen abgebrochen hatte, wurde er von einem Arzt, der mit den Ärzten für Menschenrechte (PHR-I) zusammenarbeitet, besucht. Dieser stellte fest, dass sein Zustand weiterhin instabil ist. Er wird lange Zeit brauchen, um sich zu erholen. Khader ißt nun dreimal am Tag. Es wurde ihm jedoch geraten, sehr langsam zu essen und jedesmal die eine Portion auf zwei Male zu verteilen. Das Krankenhauspersonal merkte an, selbst wenn es jetzt so aussehe, dass er sich erhole, müsse man noch sehr vorsichtig sein. Jeder Tag berge für ihn noch große Risiken, denn wegen des komplexen Gesundheitszustandes müsse alles, was er brauche sehr genau austariert werden, um ein mögliches Herzversagen zu verhindern. Seine Muskeln sind noch sehr schwach, und er kann deshalb kaum gehen. Khader hat den Eindruck gewonnen, dass man ihn bald und zu früh aus dem Krankenhaus wieder ins Gefängnis zurückbringen wird - eine Befürchtung die auch Addameer und PHR-I teilen.

Khader berichtete, dass man ihm in den Stunden, bevor mit den Israelis eine Begrenzung seiner Haftzeit ausgehandelt worden war, gedroht hatte, ihn gegen seinen Willen künstlich zu ernähren - was sein Leben in unmittelbare Gefahr gebracht hätte. Khader blieb standhaft, bis man ihm seine Minimalbedingungen bezüglich seiner Entlassung zu erfüllen versprach. Er drückte seinen Dank gegenüber seinen Mitgefangenen und all denen aus, die sich in aller Welt für ihn eingesetzt haben und erinnerte die örtliche und internationale Gemeinschaft daran, dass es ihm weniger um seinen eigenen Fall, als um alle anderen Gefangenen und Palästinenser ginge, die unter Besatzung leben. In einer noch nie dagewesenen Entscheidung, die möglichlicherweise auch alle anderen palästinensischen Gefangenen betrifft, kam der israelische Gerichtshof heute am 23. Februar zu dem Beschluß, dass Khaders Fesseln auf gerichtliche Anordnung hin vom Krankenhausbett zu lösen seien. Der Richter Avraham Tal erklärte in dem von PHR-I und Addameer vorgebrachten Fall:

"Angesichts der gesundheitlichen Situation des Klägers kurz nach dem Hungerstreik ist das ganztägige Fesseln ans Krankenbett, selbst mit nur einer Gliedmaße, unverhältnismäßig."

Khader war während des gesamten Krankenhausaufenthaltes im Ziv-Medical-Center ans Bett gefesselt und wurde nur wenige Male kurz losgemacht, nachdem Addameer und PHR-Israel am 9. Februar eine Eingabe vor dem Bezirksgericht gemacht hatten. Der IPS (Israeli Prison Service - israelischer Gefängnisdienst) behauptete, man habe die Fesseln während seiner letzten Fastentage gelöst. Am 20. Februar wendeten sich die beiden Organisationen erneut an das Gericht mit der Bitte, den Fall hinsichtlich der Fesselung Khaders während seines Krankenhausaufenthaltes zu prüfen. Bei einer gestern am 22. Februar anberaumten Anhörung, erklärte der IPS, dass man, sobald Khader seinen Hungerstreik abgebrochen hatte, entschieden hätte, ihn wieder ans Bett zu fesseln. Der heutige Gerichtsbeschluß erlaubt, dass Khader mit einer einzigen Gliedmaße ans Bett gefesselt ist, wenn Besucher zugegen sind, "die nicht vom IPS authorisiert sind oder vom ihn behandelnden medizinischen Personal".

PHR und Addameer wiederholen noch einmal ihre Befürchtung, man werde ihn zu früh aus dem Krankenhaus verlegen, und fordern die sofortige Entlassung aus der Haft. Trotz des während Khaders Hungerstreik gewachsenen, internationalen Augenmerks auf Israel hinsichtlich der Administrativhaft sowie des bemerkenswerten Sieges, eine Begrenzung von Khaders Haftzeit zu erreichen, sind Addameer und PHR-I bestürzt, dass es für mehr als 300 weitere Palästinenser, die sich ebenfalls ohne Anklage und Gerichtsverhandlung in israelischer Haft befinden, keine wirkliche Veränderung gegeben hat. Am 1. Februar waren es 309 Administativgefangene, und in den letzten Wochen ist die Zahl weiter gestiegen:

Hana Al-Shalabi, die als weibliche Gefangene mit dem Gefangenenaustausch im Oktober 2011 entlassen worden war, wurde am 17. Februar 2012 erneut verhaftet, und es wurde eine neue, sechsmonatige Administrativhaft angeordnet. Sie befindet sich seit dem 18. Februar aus Protest gegen diese Haft im Hungerstreik. Zwei der im Augenblick am längsten in Administrativhaft sitzenden Gefangenen sind Ahmad Saqer - seit November 2008 - und der von Addameer als "Gefangener in Gefahr" betreute Ayed Dudeen, der im Juni 2011 aus einer dreieinhalb Jahre währenden Administrativhaft entlassen und im August wieder verhaftet wurde. Er hat seitdem zwei neue Haftanordnungen erhalten. Addameer und PHR-I möchten darüber hinaus die Aufmerksamkeit auch auf die 24 Mitglieder des palästinensischen Legislativrates lenken, die in Administrativhaft sitzen.

Addameer und PHR-I fordern ein Ende der israelischen Praxis der willkürlichen Haft und die bedingungslose Entlassung aller Administrativgefangenen. Administrativhaft sollte nie wieder als Kollektivstrafe oder Strafmaßnahme eingesetzt werden. Als schwerste Kontrollmaßnahme, die nach humanitärem Völkerrecht erlaubt ist, darf Administrativhaft nur unter strenger Beachtung aller notwendigen Gewährleistungsvorkehrungen verhängt werden. Addameer und PHR-I bitten deshalb die internationale Gemeinschaft, weiterhin Druck auf Israel auszuüben, unverzüglich seinen rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und die Verletzung des humanitären Völkerrechts zu beenden, die gegenwärtig und straflos gegen Palästinenser begangen wird.

Abschließend möchten Addameer und PHR-I all jenen danken, die Khader und unser Team in dieser anstrengenden Zeit unterstützt haben, und hoffen, dass der internationale Druck aufrechterhalten bleibt, bis sich unsere Sorge um Khaders Leben und Wohlbefinden erübrigt hat.


Übersetzung aus dem Englischen zur Information:
Ellen Rohlfs und Redaktion Schattenblick

Link zum englischen Original:
http://www.addmeer.org/etemplate.php?id=445


*


ADDAMEER Prisoner Support and Human Rights Association - 28. Februar 2012

Aktualisierung: Khader Adnan wurde gestern operiert

Gemeinsame Erklärung der Gefangenenhilfs- und Menschenrechtsorganisation Addameer und der Ärzte für Menschenrechte - Israel (PHR-I)


Ramallah, 28. Februar 2012 - In der vergangenen Nacht, am 27. Februar 2012, wurde Khader Adnan am Ziv Hospital aufgrund von Problemen mit seinem Verdauungsapparat operiert. Der ehrenamtliche Arzt von PHR-Israel begab sich unverzüglich ins Krankenhaus, um noch vor der Operation mit Khader und seinen Ärzten zu sprechen. Er berichtete uns heute, daß die Operation gut verlaufen ist und daß Khaders Zustand zur Zeit stabil ist. Khader befindet sich jetzt auf der chirurgischen Station des Krankenhauses.

Während des Transports in den OP wurde Khader - in völliger Zuwiderhandlung gegen die Entscheidung des Bezirksgerichts vom 23. Februar und gegen jede Vernunft - von neuem von Wärtern des Israeli Prison Service an Armen und Füßen gefesselt.


Anmerkungen der Redaktion Schattenblick:

ADDAMEER wurde 1992 gegründet und setzt sich als zivile Gefangenenhilfs- und Menschenrechtsorganisation ehrenamtlich für palästinensische politische Gefangene in israelischen und palästinensischen Gefängnissen ein.

Übersetzung aus dem Englischen:
Redaktion Schattenblick

Link zum englischen Original:
http://www.addameer.org/etemplate.php?id=446


*


Quelle:
Pressemitteilung vom 23. und vom 28.02.2012
ADDAMEER Prisoner Support and Human Rights Association
P.O.Box 17338, Jerusalem
Tel.: + 972 (0)2 296 04 46 / + 972 (0)2 297 01 36, Fax: +972 (0)2 296 04 47
Büro in Ramallah:
Edward Said Street 3, Sebat Bldg., 1. Stock, Suite 2, Ramallah (beim Rafidein Square)
E-Mail: info@addameer.ps
Internet: www.addameer.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2012