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INTERNATIONAL/154: Nahost - Zelte des Protests in Palästinensergebieten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. April 2013

Nahost: Zelte des Protests in Palästinensergebieten

von Jillian Kestler-D'Amours


Bild: Andreas Hackl/IPS

Bab Al-Shams, die erste von Palästinensern eingerichtete Zeltsiedlung
Bild: Andreas Hackl/IPS

Jerusalem, 16. April (IPS) - In den Palästinensergebieten entstehen Zeltstädte des Protests gegen den Ausbau israelischer Siedlungen. Sie sind Ausdruck einer neuen Strategie des gewaltlosen Widerstandes, die nicht nur für internationale Aufmerksamkeit sorgen, sondern die Palästinenser einen soll.

Eine Zeltstadt auf einem Hügel vor Jerusalem nutzten Palästinenser dazu, US-Präsident Barack Obama bei seinem ersten offiziellen Israel-Besuch im letzten Monat mit ihrer Enttäuschung über die Nahost-Politik seiner Regierung zu konfrontieren. 'Obama, du stehst auf der falschen Seite der Geschichte' und 'Obama, du hast uns Hoffnung und Wandel versprochen' war von weitem auf Transparenten zu lesen.

Die Zeltstadt befindet sich im sogenannten E-1-Gebiet im Westjordanland, wo die Ausweitung der israelischen Ma'ale Adunim-Siedlung ansteht. Aktivisten erklärten in einer Mitteilung, dass die dort errichtete Zeltstadt eine Maßnahme sei, "um unser Recht auf unsere Gebiete und Dörfer und unsere Souveränität über unser Land einzufordern".

Hunderte palästinensische Aktivisten hatten im Januar die erste Zeltsiedlung 'Bab Al-Shams' ('Tor zur Sonne') auf einem privatem palästinensischen Gelände im E-1-Korridor errichtet. Obwohl der Platz kurz danach von den israelischen Sicherheitskräften geräumt wurde, inspirierte Bab Al-Shams den Bau von immer neuen Zeltstädten im Westjordanland.

Im Februar wurde in der Ortschaft Burin, wo es häufig zu gewaltsamen Übergriffen israelischer Siedler auf palästinensische Einwohner kommt, eine Zeltstadt aufgebaut. Eine weitere folgte in der Nähe von Yatta, einer Stadt im Süden des Westjordanlandes.


Hoffnung auf geeinte Bewegung

"Wir wollen, dass es immer mehr solcher Zeltstädte gibt, die zur Gründung einer nationalen Bewegung führen, die Palästinenser aus allen Teilen Palästinas - Westjordanland, Galiläa und anderen Orten - zusammenbringt, damit sie sich gegenseitig helfen, ihr Land zu verteidigen", sagt Mazin Qumsiyeh, ein Palästinenser, der an dem Aufbau mehrer Zeltstädte in Dörfern beteiligt war.

Wie Qumsiyeh, Autor des Buches 'Popular Resistance in Palestine' (Volkswiderstand in Palästina), erläutert, sind die Zeltstädte Ausdruck der fortgesetzten palästinensischen Entschlossenheit, sich ihrer Vertreibung durch Israel zu widersetzen.

"Wir haben es also nicht mit einem neuen Phänomen zu tun", betont Qumsiyeh. "Nach 90 Jahren ethnischer Säuberungen leben immer noch sechs Millionen Palästinenser hier. Dass die Menschen geblieben sind, ist als Form des Widerstands anzusehen."

Wie aus jüngsten Gesprächen mit 1.270 Palästinensern im Westjordanland und im Gazastreifen hervorgeht, die das Palästinensische Zentrum für Politik- und Umfragenforschung durchgeführt hatte, waren 71 Prozent der Ansicht, dass sich mit den Zeltsiedlungen etwa in Gebiet C Tatsachen schaffen ließen, die der Ausweitung der Siedlungen entgegenwirken könnten.

Das Westjordanland ist in drei Zonen eingeteilt: Gebiet A befindet sich unter der Kontrolle Palästinas, Gebiet B unter palästinensischer und israelischer Kontrolle und Gebiet C - das 60 Prozent des besetzten Westjordanlands umfasst - vollständig unter israelischer Kontrolle.

Wie Abdallah Abu Rahmah aus der Ortschaft Bil'in im Westjordanland erklärte, deren Einwohner seit acht Jahren wöchentlich gegen die israelische Mauer und die Siedlungen protestieren, sind die Zeltstädte eine neue Strategie des gewaltlosen palästinensischen Widerstands.

"Wir versuchen kreativ und innovativ zu sein. Die Zeltstädte sind für uns eine Art gewaltloser Widerstand, mit denen wir die israelischen Siedlungspläne aufhalten wollen", so Abu Rahmah, der ebenfalls am Aufbau mehrerer Zeltdörfer beteiligt war. "Wir wissen, dass gerade der Siedlungsbau in E-1 unseren Traum von der Unabhängigkeit gefährdet."


Zeltstädte als Strategie

Dena Qaddumi ist Architektin und Mitbegründerin von arenaofspeculation.org, einer Webseite, die verschiedene Formen des gewaltlosen Widerstands in Israel-Palästina erforscht. Wie sie gegenüber IPS erklärte, sind die Zeltsiedlungen eine weniger reaktionäre Form des palästinensischen Widerstands, vor allem seit sie auf lokaler und internationaler Ebene kontroverse Diskussionen hervorgerufen haben.

"Jeden Tag widersetzen sich Palästinenser an bestimmten Orten. Doch ist es nicht leicht, diese Proteste zu bündeln, damit sie nicht nur international Schlagzeilen machen, sondern die Vorstellung von den Palästinensern in Palästina und außerhalb verändern. Was diesen letzten Punkt angeht, können wir sagen, dass sich die Zeltdörfer als Erfolg herausgestellt haben."

Die räumliche Zerrissenheit - beispielsweise hindert Israel Palästinenser aus dem Westjordanland daran, den Gazastreifen zu besuchen und umgekehrt - sei ein Problem, dass die Palästinenser angehen müssten, sagt sie. "Es ist von größter Bedeutung, dass wir einen Weg finden, um diese Abgründe zu überbrücken und die Ungerechtigkeit dieser Situation sichtbar machen." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

https://popularstruggle.org/content/obama-lands-palestinians-erect-new-bab-al-shams-neighborhood
http://www.ipsnews.net/2013/04/tents-take-on-settlements/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2013