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NEWSLETTER/017: Werkstatt für Frieden & Solidarität - Rundbrief 9/2010


Werkstatt-Rundbrief Nr. 9/2010 - 22. Juni 2010


Themen:

(1) Veranstaltung "DER FALL GRIECHENLAND - Die Radikalisierung des Neoliberalismus durch die EU" (23.6.2010, Linz)
(2) "Ja, der Balkan ist unser Hinterhof!" - Bundesheer verdoppelt Truppen in Bosnien-Herzegowina
(3) Endspurt der ersten Phase des Volksbegehrens "Raus aus Euratom!"
(4) EU-Sammelabschiebungen in Wien beenden - Menschenrecht auf Asyl wiederherstellen!
(5) Laufende Kampagnen und Aktivitäten
(6) LeserInnenbriefe/Diskussionen/Gastkommentare
(7) Termine
(8) Bestellungen


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(1) Veranstaltung "DER FALL GRIECHENLAND - Die Radikalisierung des Neoliberalismus durch die EU"

Vortrag und Diskussion in Linz mit Univ. Prof. Dr. Joachim Becker (Ökonom, Wirtschaftsuniv. Wien)
Mittwoch, 23. Juni 2010; 18 Uhr, Ernst-Koref-Heim (Prunerstraße 3a, 4020 Linz, Nähe Musikschule)

Siehe dazu auch das "guernica"-Interview mit Joachim Becker "Brünings Europa" auf:
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=269&Itemid=86

Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Das Interview finden Sie im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de -> Infopool -> Bürger und Gesellschaft ->
NEWSLETTER/016: Werkstatt für Frieden & Solidarität - Rundbrief 8/2010



Weitere Beiträge zum Thema Griechenland:

Die Radikalisierung des Neoliberalismus durch die EU
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=267&Itemid=86
Österreich statt EU-Konkurrenzregime
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=268&Itemid=1
EU-Kredite für Athen an Rüstungsgeschäfte für Deutschland und Frankreich geknüpft
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=272&Itemid=1

Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Die Artikel finden Sie im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de -> Infopool -> Bürger und Gesellschaft ->
NEWSLETTER/016: Werkstatt für Frieden & Solidarität - Rundbrief 8/2010

Auch die demnächst erscheinende Ausgabe der guernica (Zeitung der Werkstatt Frieden & Solidarität) hat einen Schwerpunkt zum Thema Griechenland. Eine Probeexemplar schicken wir gerne kostenlos zu.
Mailto: office@werkstatt.or.at


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(2) "Ja, der Balkan ist unser Hinterhof!"

Anfang Juni beschloss der österreichische Nationalrat einstimmig die Verdoppelung des Bundesheerkontingents für die EUFOR-Truppe in Bosnien-Herzegowina. Damit stellt Österreich das größte EUFOR-Truppenkontingent und unterstreicht seine Führungsrolle bei dieser Kolonialmission. Die Soldaten dienen dazu, "beschleunigte Privatisierung" und "freien Kapital- und Warenverkehr" in diesem bettelarmen Land durchzusetzen. Denn - so ein früherer österreichischer Verteidigungsminister: "Das Bundesheer dient dazu, am Balkan der Wirtschaft den Boden aufzubereiten."

Anfang Juni beschloss der Hauptausschuss des Nationalrats einstimmig, das Kontingent des Bundesheers bei der EUFOR-Truppe in Bosnien zu verdoppeln. Ab Juli 2010 wird Österreich damit mit rd. 400 Mann/Frau ein Fünftel der EU-Truppe stellen. Österreich unterstützt damit indirekt auch den Krieg in Afghanistan, da die österreichischen Truppen für jene Truppen aus Italien, Polen und Spanien nachrücken, die von Bosnien nach Afghanistan verlegt werden. Vor allem aber unterstreicht die österreichische Regierung immer offener den Führungsanspruch bei der Kolonialverwaltung Bosnien und Herzegowinas durch die EU. Während EU-Verantwortliche in anderen Weltregionen als Hohepriester von Demokratie und Menschenrechten auftreten, feiern im eigenen "Hinterhof" autoritäre Kolonialregime traurige Urstände.

Selbst die in dieser Hinsicht bestimmt nicht pingelige Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) urteilte bereits im Jahr 2003 das Bosnien-Regime: "Zwischen dem Amtsverständnis der internationalen Verwaltung in Bosnien-Herzegowina und jenem der Beamten der britischen East India Company imfrühen 19. Jahrhundert bestehen verblüffende Ähnlichkeiten." (FAZ, 25.7.2003). Dieser "Hohe Repräsentant" der westlichen Staatengemeinschaft, der von der EU bestimmt wird, hatte volle Exekutivrechte: Er kann Parteien auflösen, Wahlergebnisse annullieren, gewählte Präsidenten, Regierungschefs, und Bürgermeister abberufen, Richter entlassen, Gesetze oktroyieren und neue Behörden schaffen. Auch die Zentralstellen der Wirtschaftspolitik sind fest in der Hand der Besatzer: Der Präsident der bosnischen Zentralbank wird von Internationalen Währungsfond bestimmt und darf weder ein Bürger Bosnien-Herzegowinas noch eines der Nachbarstaaten sein. Die seit 2004 von der EU geleitete Militärmission "Althea" stellt das militärische Rückgrat dieser Kolonialverwaltung dar.

Höhepunkte der Bundesheer-Leistungsschau: "Auflösung einer Demonstration"

Was ist das Ziel dieses Regimes in Bosnien? Auskunft darüber gibt zum Beispiel ein Blick in das Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen, das die EU 2008 mit Bosnien "abgeschlossen" hat. Dort verpflichtet sich Bosnien unter anderem zu:

"freiem Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr"
"Beschleunigung des Privatisierungsprozesses"
"Abbau starrer Strukturen, die den Arbeitsmarkt beeinträchtigen, insbesondere in den Bereichen Arbeitsbesteuerung, Höhe der Sozialtransfers und Lohngestaltungsmechanismen." (2)

Es geht letztlich um eine neoliberale Zurichtung für die Konzerne der EU-Zentrumsländer. Der Bankenbereich ist bereits zu 90% privatisiert und wird nicht zuletzt von österreichischen Banken kontrolliert. Die Leistungsbilanz ist extrem negativ, die Transfers und Kredite der "westlichen Staatengemeinschaft" landen damit umgehend wieder auf den Konten westlicher Konzerne. Die soziale Lage der Menschen bleibt trist: Die Wirtschaftsleistung dümpelt bei 60% des Vorkriegsniveaus; über 40% der Menschen sind arbeitslos, 18% leben in eklatanter Armut, weitere 23% gelten als armutsgefährdet (ORF, 28.01.2010). Die EU beeindruckt das freilich wenig. Im sog. "Fortschrittsbericht" heißt es: "Bosnien und Herzegowina erzielte bei der Schaffung einer funktionierenden Marktwirtschaft weitere Fortschritte. Die Reformen müssen kontinuierlich und entschlossen vorangetrieben werden, damit das Land dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union langfristig standhalten kann." (3)

Die EUFOR-Truppe soll die autoritären Vollmachten des "Hohen Beauftragten" bei der Durchsetzung von Freihandel, freiem Kapitalverkehr und beschleunigter Privatisierung mit dem entsprechenden Gewaltpotential ausstatten. Offensichtlich stößt man dabei auf Widerstand. Aus dem Bericht zur Vorbereitung von Bundesheersoldaten auf den Einsatz in Bosnien lesen wird: "Als Höhepunkt der Leistungsschau lösten Kräfte des Manöverbataillons und der Integrierten Polizeieinheit gemeinsam eine Demonstration auf." (Medieninformation des Verteidigungsministeriums, 11.03.2010)

Für Raiffeisen & Co den Boden aufbereiten...

Es ist kein Zufall, dass der "Hohe Repräsentant" der internationalen Staatengemeinschaft in Bosnien, nun bereits zum zweiten Mal von einem Österreicher gestellt wird (nach Wolfgang Petritsch von 1999 bis 2002 ist das seit dem Vorjahr Valentin Inzko) und auch die EUFOR-Truppe seit Dezember 2009 vom österreichischen Generalmajor Bernhard Bair geleitet wird. Denn österreichische Konzerne haben sich - neben deutschen - bei Privatisierung und Markteroberung einen Spitzenplatz in dieser EU-Kolonie erobert. Raiffeisen ist mit einem Marktanteil von 21% und einer Bilanzsumme von 2,4 Milliarden Euro die größte Bank in Bosnien. Die Wirtschaftskammer freut sich, dass die österreichischen Unternehmen seit 1995 "zu den größten Investoren" in Bosnien-Herzegowina zählen.

Dass Militär und Konzerne eine enge Laison pflegen, weis man spätestens seit den freimütigen Worten des - mittlerweile ehemaligen - deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler. Der frühere Verteidigungsminister Platter hatte schon viel früher ungeniert ausgeplaudert, dass der Einsatz des Bundesheeres am Balkan dazu diene "der Wirtschaft den Boden aufzubereiten." (Der Standard, 10.9.2003).

...und sich Einlass in den militärischen Führungskern der EU verschaffen

Freilich sind die wirtschaftlichen Interessen nicht die einzigen, dass sich österreichische Machteliten in der EU militärisch profilieren wollen. Mit dem Lissabon-Vertrag wurde die Grundlage für die Schaffung eines militärischen Kerneuropas, der sog. Ständig Strukturierten Zusammenarbeit, geschaffen, das in Zukunft einen inneren Führungskern der EU bilden wird. Wer da nicht drinnen ist, sitzt am Katzentisch der Macht. Und Eingangsbedingung ist die Bereitschaft, sich an den großen EU-Rüstungsprogrammen ebenso zu beteiligen, wie an den diversen Militärmissionen. Eurofighter-Ankauf und Balkan-Missionen dienen offensichtlich dazu, Faymann, Pröll & Co. Einlass in diesen inneren Führungszirkel der EU-Macht zu verschaffen.

Die Teilhabe an der EU-Militarisierung ist mittlerweile zum geheimen Konsens aller Parteiführungen im Parlament geworden. Deshalb konnte Verteidigungsminister auch der Abstimmung über die Verdoppelung des Bosnienkontingents gelassen entgegenblicken. Er erwarte "keine Diskussionen" (OTS, 26.04.2010), ließ er bereits im Vorfeld den Sekretariaten der anderen Parteien über die Medien ausrichten. Und tatsächlich standen alle Habt Acht: Nicht nur die rot-schwarze Regierungsriege, auch die "her majesty's loyal opposition" von grün, blau und orange stimmte der Truppenentsendung geschlossen zu. Ebenso einstimmig wurde im Parlament der Truppenübungsplan des Bundesheeres für 2010 abgenickt, mit dem das Bundesheeres auf die Teilnahme an den EU-Battlegroups für weltweite Militäreinsätze derzeit vorbereitet wird.

"Hinterhof"

Die EU rechtfertigt ihre Kolonialmissionen am Balkan immer wieder damit, dass sie dort dafür sorgen müssen, den ethnischen und nationalistischen Hader einzudämmen. Nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein. Gerade die Politik der EU, angetrieben von den deutschen Machteliten haben maßgeblich dazu beigetragen, den nationalistischen Hass am Balkan anzustacheln, indem die rasche Sezession von Jugoslawien mit allen Mitteln und ohne jegliche Rücksicht auf Minderheitenfragen gefördert wurde.

Gerade im Fall Bosniens mit seinen vielfältigen ethnischen Spannungen musste das zum Bürgerkrieg führen. Nicht umsonst bezeichnete Cyrus Vance, der langjährige amerikanische Balkanbeauftragte den Bosnien-Krieg nach dem damaligen deutschen Außenminister als "Genscher's war". Genscher erhielt dabei kräftige Unterstützung durch seinen österreichischen Amtskollegen Alois Mock, der sich bemerkenswerterweise auch damals schon auf die Rückendeckung sowohl der grünen als auch der freiheitlichten "Opposition" verlassen konnte. Bürgerkrieg und NATO-Militärinterventionen wurden schließlich geschickt genutzt, sich als Kolonialherren in dieser Region etablieren. Anfang dieses Jahrzehnts konnte die "Welt", ein Sprachrohr der deutschen Eliten, schließlich den machtpolitischen Vollzug melden: "Wenn demnächst auf die eine oder andere Weise Mazedonien noch dazukommt, wird die gesamte Region ein unerklärtes Protektorat der Europäischen Union sein. .... Ja, der Balkan ist unser Hinterhof. Ja, wir haben dort Interessen, für die wir einstehen wollen. Ja, militärische Macht gehört in letzter Konsequenz eben doch zu den Mitteln, diese Interessen und Werte durchzusetzen. Franzosen und Briten war dieser selbstbewusste Kanon vielleicht nicht neu, doch auch sie blieben auf dem Balkan ohne Macht - bis die Deutschen sich besannen, zögerlich noch unter der Regierung Kohl, zur Entschlossenheit gezwungen unter der Regierung Schröder. So hat sich Europa verändert, weil vor allem die Deutschen sich verändert haben. ... Und diesem Selbstbewusstsein haben die Europäer die politischen regeln des Westens in Südosteuropa durchgesetzt. ... Wer Stärke zeigt, wer Interessen hat und sie durchsetzen will - der haftet lange." (Die Welt, 30.06.2001)

Die enge Abstimmung und Anbindung an die Berliner Außenpolitik ermöglichte es den österreichischen Macht- und Wirtschaftseliten an die eigenen unseligen Kolonialtraditionen in dieser Region anzuknüpfen. Dass ab Juli das größte EUFOR-Kontingent von Bundesheer-SoldatInnen gestellt wird, ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.

Werkstatt: Bundesheer von Kolonialmissionen am Balkan abziehen!

Gerald Oberansmayr, Aktivist der Werkstatt Frieden & Solidarität: "Wir fordern den Rückzug der österreichischen Soldaten und Soldatinnen von den Kolonialmissionen am Balkan. Die Länder und Völker dieses Raumes werden erst dann wieder eine Chance auf wirtschaftliche Entwicklung und politische Selbstbestimmung haben, wenn sie sich aus der kolonialen Bevormundung durch die EU und vom ethnischen Hader befreien können. Beides ist untrennbar miteinander verbunden. Umgekehrt gilt auch für Österreich: Erst der Ausstieg aus der EU-Militärpolitik und die Abkoppelung von der Berliner Außenpolitik kann wieder Spielraum für eine weltoffene Außenpolitik eröffnen, die den Nachbarn im Südosten auf Augenhöhe und nicht als Kolonialherren begegnet."


Quellen:
(1) EU-Kommission, Wichtigste Erkenntnisse aus den Fortschrittsberichten über Albanien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Serbien und das Kosovo, 14.10.2009
(2) Assoziiizerungs- und Stabilisierungsabkommen der EU mit Bosnien-Herzegowina, 16.06.2008



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(3) Endspurt der ersten Phase des Volksbegehrens "Raus aus Euratom!"

Die erst Phase des Volksbegehrens "Raus aus Euratom!" geht in den Endspurt. Bis Ende Juni sollen in den Gemeindeämter die notwendigen 8.032 beglaubigten Unterstützungserklärungen gesammelt werden, damit das Volksbegehren auch tatsächlich eingeleitet werden kann. Daher der Aufruf an alle, die es noch nicht getan haben, rasch auf Gemeinde-/Stadtamt pilgern und unterschreiben! Gabi Schweiger von Atomstopp OÖ erklärt im Interview, warum das so wichtig ist - und was jede/r beitragen kann, um diese Aktion zum Erfolg zu machen.

Frage: Warum bist Du/seid Ihr für den Ausstieg Österreichs aus Euratom?

Gabi Schweiger: Weil es widersinnig ist, dass Österreich trotz klarem NEIN zur Atomenergie - immerhin im Verfassungsrang! - Mitglied bei ausgerechnet der Gemeinschaft ist, welche die Entwicklung einer starken Atomindustrie in Europa überhaupt möglich gemacht hat - und immer noch aufrecht hält!

Wir Österreicher_innen haben schon 1978 bei der Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf ein unmissverständliches Zeichen gesetzt und aus dieser Entscheidung resultierte Schluss endlich auch das Atomsperrgesetz - ein schönes Beispiel für gelungene Direkte Demokratie! Mit der Mitgliedschaft bei EURATOM, die es sich zum erklärten Ziel gesetzt hat "alle Voraussetzungen für eine mächtige Atomindustrie in Europa zu schaffen" wird der demokratische Wille des Volkes ausgehebelt und ad absurdum geführt! Und das gründlich, denn waren es bei Zwentendorf noch hauchdünne 50,47% der Bevölkerung, die Österreich atomfrei gemacht hat, so ist es heute eine solide Mehrheit, die sich dazu bekennen. Raus aus EURATOM wollen z.B. 78% der Österreicher_innen! Mehr als 80 Organisationen aus allen gesellschaftlichen Bereichen unterstützen die Forderung nach einem Austritt genau so wie über 140 Gemeinden! Und auch alle 9 Bundesländer haben sich negativ zu EURATOM geäußert, dies in Resolutionen an die Bundesregierung zum Ausdruck gebracht. Einzig die Bundesregierung hat den eindeutigen Handlungsauftrag noch immer nicht begriffen. Deshalb hat sich atomstopp_oberoesterreich entschlossen, ein Volksbegehren zu starten. Die Österreichische Antiatomhaltung muss endlich auch als starke Position innerhalb der Europäischen Union eingenommen werden.

Dabei ist es nicht nur eine Frage der Glaubwürdigkeit für die gern und von Politikern aller Couleurs in Anspruch genommene Antiatom-Weltmeister-Rolle Österreichs. Es stellt auch eine finanzielle Diskrepanz dar, sich einerseits zum raschen Ausbau Erneuerbarer Energiequellen zu bekennen und gleichzeitig der Atomindustrie in immer höher werdenden Summen Subventionen aus Österreichischen Steuermitteln zukommen zu lassen!

Frage: Wieviel zahlt Österreich derzeit jährlich für Euratom?

Gabi Schweiger: Das ist eine berechtigte, aber seit vielen Jahren unbeantwortete Frage: 2004 konnte auf eine parlamentarische Anfrage von Ulli Sima zwar noch eine Summe von rund 40 Mio Euro eruiert werden. Das gesamteuropäische Budget für den Nuklearbereich hat sich seither jedoch verdreifacht. Der Hausverstand schließt daraus, dass auch der österreichische Beitrag sich wohl verdreifacht haben muss. Anders die Bundesregierung: nach der aktuellen Beitragshöhe gefragt, heißt es seit damals nur noch, man könne das gar nicht herausrechnen. Interessant, nicht? Ob die wahre Zahl nun zu empfindlich hoch ist, für die Schmerzgrenze der Österreicher_innen oder ob tatsächlich bei der Nachvollziehbarkeit der Verwendung österreichischer Steuergelder in der EU so ein Chaos herrscht: beides ist ein Zustand, der so nicht hingenommen werden kann und schleunigst geändert werden muss!

Frage: Wie schätzt Du/Ihr die derzeitige Atompolitik in der EU ein?

Gabi Schweiger: Die Europäische Energiepolitik ist infiltriert von Atomlobbyisten - entsprechend ist der derzeitige Stand. Trotz der Tatsache, dass es kein einziges Endlager für Atommüll gibt und der Uranabbau großflächige Verwüstungen in den meist bitterarmen Ländern hinterlässt, wird um Laufzeitverlängerungen gefeilscht, werden großspurige Aus- und Neubaupläne geschmiedet - kurz gesagt: Stimmung gemacht, für eine Energieform die ihr Ablaufdatum schon längst überschritten hat! Und das Fundament dafür ist eben der EURATOM-Vertrag, der ist seiner geschäftlichen Ausprägung demokratische Strukturen zur zum Schein verwendet, in Wahrheit jedoch ein Musterbeispiel an gezielter institutionalisierte Umgehung jeglicher demokratischer Prinzipien darstellt!

Frage: Was kann jeder und jede dazu beitragen, dass das EURATOM-Volksbegehren ein Erfolg wird?

Gabi Schweiger: Wir befinden uns im Endspurt der ersten Phase des Volksbegehrens, das heißt konkret: noch bis 30. Juni können alle wahlberechtigten Österreicher_innen ab 16 Jahren auf ihrem Wohnsitzgemeinde- bzw. Bezirksamt eine Unterstützungserklärung abgeben. Um in dieser Phase von einem Erfolg sprechen zu können, wünschen wir uns deutlich mehr als die nötigen 8.032 Unterstützungen, die man vorlegen muss, um ein Volksbegehren einleiten zu können. Es wäre also schön, wenn viele Unterzeichner_innen noch Freunde und Bekannte aufmerksam machen, mitnehmen und so die eigene Einzelstimme entsprechend multiplizieren!

Zur Bewerbung stehen auf www.raus-aus-euratom.at allerlei Materialien, die man umgehend bestellen kann, zur Verfügung - und selbstverständlich auch jede Menge Informationen, für alle die noch weitere Fragen haben und die sich noch genauer mit dem Thema auseinandersetzen wollen.

Aber auch nach dem 30. Juni soll das Thema keinenfalls aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden, denn schon im Herbst 2010 könnte theoretisch die Eintragungswoche stattfinden.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Naturfreunde Vorarlberg in höchster Mission auf dem Großglockner für RAUS aus EURATOM!

Die Naturfreunde Vorarlberg waren die ersten, die einen Gipfel mit RAUS aus EURATOM-Transparent stürmten, und zwar gleich den höchsten österreichischen Gipfel - den Großglockner im April. Seitdem sind weitere Gipfel gestürmt worden und auf höchstem Niveau die Kampagne "RAUS aus EURATOM" und für das EURATOM-Volksbegehren beworben worden.

Sie/Ihr wollen/wollt mitmachen und auch einen Gipfel für RAUS aus EURATOM stürmen? Gerne!
Einfach Transparent bei atomstopp anfordern:
(atomstopp_oberoesterreich, Promenade 37, 4020 Linz; post@atomstopp.at),
Gipfel stürmen, Foto machen und an post@atomstopp.at schicken
(Name des Gipfels und Datum bitte angeben).

Das Foto wird veröffentlicht unter: www.raus-aus-euratom.at/gipfel.php - Wir freuen uns auf eine rege Beteiligung!


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(4) EU-Sammelabschiebungen in Wien beenden - Menschenrecht auf Asyl wiederherstellen!

Wien ist mittlerweile zur EU-Abschiebedrehscheibe geworden. Mehr als ein Drittel aller Frontex-Sammelabschiebungen laufen über den Flughafen Wien-Schwechat. Über die sog. "Sichere Drittstaaten"-Regelung wird das Menschenrecht auf Asyl zunehmend ausgehöhlt. Die Werkstatt fordert die Abschaffung dieser auch von UNHCR scharf kritisierten Abschiebepraxis und das sofortige Ende der Sammelabschiebungen.

Frontex ist eine EU-Behörde, die eingerichtet worden ist, um Flüchtlinge von der "Festung Europa" fernzuhalten. Satelliten- und Radarüberwachung, elektronische Kontrollen, Kriegsschiffe und scharfe EU-Richtlinien sollen jene Menschen auf Distanz halten, die vor Elend, Krieg und Verfolgung flüchten. Der Zaun, der rund um die Festung Europa hochgezogen wird, ist mittlerweile zum Massengrab geworden. Alleine vor Sizilien ertranken in den letzten zehn Jahren 10.000 Flüchtlinge (Standard, 31.03.2009). Auch die Gesetzgebung und Justiz wird in den EU-Staaten gegenüber Asylsuchenden immer brutaler: Im August 2007 verurteilte ein italienisches Gericht sieben tunesische Fischer wegen "Beihilfe zur illegalen Einwanderung" zu Gefängnisstrafen und konfiszierte ihre Boote. Ihr Vergehen bestand darin, die Passagiere eines sinkenden Flüchtlingsboots gerettet und gemäß den Bestimmungen des internationalen Seerechts in den nächstgelegenen Hafen Lampedusa gebracht zu haben.

"Sichere Drittstaaten"-Regelung höhlt Asylrecht aus. Zunehmend wird in der EU das Recht auf Asyl ausgehöhlt. Denn innerhalb der EU kann sofort in das Erstaufnahmeland und von hier wieder rasch in sog. "sichere Drittstaaten" abgeschoben werden. Das Recht auf Prüfung des Einzelfalls geht damit immer mehr verloren. Die bisherige Praxis zeigt, dass den Abgeschobenen in den Staaten, in die sie zurück verfrachtet werden, immer wieder Verfolgung und Repression drohen. Denn was ein "sicheres Drittland" ist, entscheidet sich weniger nach der wirklichen Lage der Menschenrechte, sondern mehr nach den Interessenskalkülen der EU-Mächtigen. Auch Länder, wie z.b. Libyen, die nicht die Genfer Konvention unterschrieben haben, sind innerhalb kurzer Zeit vom "Schurkenstaat" zum "sichere Drittstaat" mutiert, seit die EU gute Geschäftsbeziehungen mit dem Wüstenstaat pflegt. Und selbst innerhalb der EU sind die Anerkennungsquoten derart unterschiedlich (z.B. Griechenland 0,6%!), dass die Chance auf Asyl für Flüchtlinge in Europa zum Lotteriespiel wird.

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) kritisiert diese Abschiebungspraxis der EU-Staaten:
"Die pauschale Erklärung, dass ein Staat "sicher" ist, basiert oft auf Formalkriterien, wie etwa der Ratifizierung internationaler Übereinkommen. Die Praxis der Behörden in diesem Staat wird dabei hingegen oft nur ungenügend berücksichtigt. Diese kann aber von den Formalkriterien abweichen bzw. kurzfristigen Änderungen unterliegen. Daher ist es nach Ansicht des UNHCR unbedingt erforderlich, die 'Sicherheit' in einem Drittstaat in jedem Fall individuell zu prüfen. Die UN-Flüchtlingsorganisation lehnt daher auch Listen ab, die Staaten pauschal als sicher definieren. Diese Listen könnten als Zugangsbarriere für ein Asylverfahren dienen, was in Widerspruch zur Genfer Flüchtlingskonvention steht. Dazu kommt das Risiko einer Ketten-Rückschiebung bis in einen unsicheren Staat oder gar das Herkunftsland; damit könnte der Asylwerber seinen Verfolgern in die Hände fallen." (1)

Wien als EU-Abschiebedrehscheibe. Österreich hat sich auf Grund seiner restriktiven Asylpolitik innerhalb der EU den Ruf als Scharfmacher in Flüchtlingsfragen erworben. Wahrscheinlich ist auch darauf zurückzuführen, dass der Flughafen Wien-Schwechat zur zentralen Drehscheibe für sog. EU-Sammelabschiebungen geworden ist, um die Menschen wegzubringen, die laut EU und der Gesetzgebung der Mitgliedsstaaten "illegal" bei uns sind. Von den 30 schengenweit im Jahre 2009 durchgeführten Frontex-Kooperationsflügen, sprich Abschiebungen per Flugzeug, wurden 11 Abschiebungsflüge von Wien aus durchgeführt. In über einem Drittel der schengenweiten Abschiebungsflüge, werden die Abzuschiebenden mitsamt Polizeipersonal aus den Schengenländern zuerst nach Wien gebracht, um dann gesammelt mittels Frontex-Kooperationsflug nach Nigeria, Gambia, Georgien, Armenien, Kosovo usw. entsorgt zu werden. Die rechtlichen Probleme auf Grund der nach wie vor erheblichen Unterschiede in der Asylgesetzgebung der EU-Staaten, sollen mit der EU-Rückführungsrichtlinie, die am 24. Dezember 2010 in Kraft tritt, zurechtgebogen werden.

Rudi Schober, Werkstatt Frieden & Solidarität: "Die meisten Flüchtlinge kamen und kommen aus jenen Ländern und Regionen - Irak, Afghanistan, Zentralafrika, den Balkanstaaten - , in denen die westliche Politik wesentlich zu Krieg, Bürgerkrieg, Verelendung und Massenflucht beigetragen hat. Menschen, die flüchten, um Ihr Leben zu retten, bleiben immer öfter im menschenfeindlichen Paragraphendschungel Europas hängen. Wir müssen uns gegen die immer weitere Aushöhlung des Menschenrechts auf Asyl wehren. Gerade die sog. 'Sichere Drittstaaten'-Regelung stellt das Recht auf Einzelfallprüfung und damit das Asylrecht insgesamt in Frage. Immer wieder werden deshalb Menschen in Länder abgeschoben, in denen ihnen Folter und Verfolgung drohen. Wir fordern deshalb die Abschaffung dieser Drittstaatenregelung und die sofortige Einstellung der EU-Sammelabschiebungen vom Flughafen Wien-Schwechat."

Anmerkungen:
(1)Quelle: UNHCR,
http://www.unhcr.ch/index.php?id=190&type=1&no_cache=1&PHPSESSID=2ed4c989d40b39101dffce93c7e3fe26


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WEITERE HINWEISE

(5) Laufende Kampagnen und Aktivitäten

Höchste Eisenbahn - Für eine Verkehrswende!
Mit der EU-Liberalisierung drohen immer mehr Eisenbahnstrecken stillgelegt zu werden. Unterstützen Sie daher die Werkstatt-Petition "Höchste Eisenbahn - Für eine Verkehrswende!"

Nähere Informationen dazu auch auf:
Höchste Eisenbahn Teil 1: Ein Drittel des Schienennetzes von Stilllegung bedroht
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=198&Itemid=68
Höchste Eisenbahn Teil 2: Verkehrswende nach dem Vorbild der Schweiz
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=199&Itemid=68
Höchste Eisenbahn Teil 3: Der öffentliche Verkehr soll für jeden kostenlos sein
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=200&Itemid=68

Unterschriftslisten können auch bestellt werden unter:
office@werkstatt.or.at


Kampagne gegen Paragraph 278a - Eindrücke vom Skandalprozess gegen die Tierrechts-AktivistInnen
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=275&Itemid=77

Selbstanzeigen-Kampagne geht weiter - Nähere Informationen auf
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=236&Itemid=77


Video: "Make Bologna History!"
Am 11.03.2010 demonstrierten tausende Studierende und Sympathisanten gegen die Auswirkungen des sogenannten Bologna-Prozesses, sprich den neoliberalen Umbau der Hochschulen in ganz Europa, wobei Österreich einmal mehr den EU-Musterknaben zu spielen bereit war. Norbert Bauer hat über diese Aktion ein Video gemacht:
http://www.youtube.com/watch?v=EYIgWivdNkA


Kultur und Politik:
26. Juni 2010 Fair Planet - Straßenfest (Linz)
http://www.fairplanet.at/
5. bis 8. Juli 2010 normaleLINZ 2010 - das gesellschaftspolitische Filmfestival (Linz)
Zum Programmüberblick: http://www.normale.at/33069.html und http://www.ak-kultur.at
Zum Download des Programmfolders: http://www.box.net/shared/pzurcxxkog (PDF, 828kb)
8. Juli 2010 Klezmer-Musik "Benji Fox-Rosen" (Linz)
http://www.benjyfoxrosen.com/live/

Zugkunft Mühlkreisbahn: Initiative gegen geplante Einstellung der Mühlkreisbahn
Die oberösterreichische Mühlkreisbahn oberhalb von Rottenegg ist von der Stilllegung bedroht. Nun hat sich eine Initiative betroffener Bürgerinnen und Bürger in der Region Oberes Mühlviertel gegründet, die sich gegen diese Stilllegung der Mühlkreisbahn wehrt und die Attraktivierung dieser Regionalbahn fordert.
... weiter auf
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=261&Itemid=1


Cross Border Leasing - Einige gewinnen, viele verlieren: Werkstatt-Broschüre von Rudi Schober über den geheimnisvollen Verlust öffentlichen Eigentums durch das sog. "Cross Border Leasing", in das gerade in Österreich viele Gemeinden und öffentliche Unternehmungen verwickelt waren und sind (14 Seiten).
Dieser Text kann hier heruntergeladen werden unter:
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=96


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(6) LeserInnen-Briefe/Diskussionen/Gastkommentare
Im Zuge der Umstrukturierung unserer Web-Page haben wir nun auch eine Rubrik für LeserInnenBriefe/Gastkommentare und Diskussionen eingerichtet. Wir freuen uns über Ihre/Deine Beiträge - Kritik, Lob, Anregungen, Kommentare, Neuigkeiten, usw. Bei aller möglichen Leidenschaft in der Argumentation ersuchen wir doch um einen respektvollen Ton. Menschenfeindlichen Äußerungen werden wir keinen Platz bieten. Allfällige Kürzungen behalten wir uns vor. Vielen Dank!
Sh. http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=65&Itemid=92

(7) Termine
aktuelle Terminübersicht siehe unter www.werkstatt.or.at (rechts unten unter "Termine")

(8) Bestellungen
Bücher, Broschüren, etc, die in der Werkstatt bestellt werden können, siehe :
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=30&Itemid=50


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Quelle:
Werkstatt Rundbrief Nr. 9/2010 vom 22. Juni 2010
Werkstatt Frieden & Solidarität
Waltherstr. 15, 4020 Linz
Telefon 0732/771094, Fax 0732/797391
Mail: office@werkstatt.or.at
Internet: www.werkstatt.or.at


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2010