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NACHRUF/005: Karlheinz Deschner, Ankläger der Kirchen, ist tot (Ingolf Bossenz)


Der Anti-Christ

Streiter wider Diktatur und Dogma: Karlheinz Deschner, Ankläger der Kirchen, ist tot

von Ingolf Bossenz, 11. April 2014



Exkommuniziert wurde er bereits 1951. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keine Zeile seines kolossalen kirchenkritischen OEuvre zu Papier gebracht. Die katholische Kirche ließ es Karlheinz Deschner nicht durchgehen, dass er seine zuvor geschiedene Lebensgefährtin ehelichte. Eine »ungültige Verbindung«, befand Julius Döpfner, Bischof von Würzburg, des für den Franken Deschner zuständigen Bistums. Keine Kompromisse.

Die waren dem 1924 in Bamberg geborenen und in katholischer Sozialisation erwachsenen Schriftsteller gleichfalls fremd. »Ich schreibe aus Feindschaft«, bekannte er freimütig. Sein Feindbild waren nicht die Christen. Es war das Christen-TUM, das er als »einzigen Grund« dafür bezeichnete, dass er kein Christ sei. Es war der organisierte und institutionalisierte Glaube, wie ihn die Kirchen - voran die römisch-katholische - diktieren. Und es waren die aus der unheilvollen Dreifaltigkeit Diktatur, Dogma, Demut gezeugten Kreuzzüge, Kriege, Vernichtungswerke und andere Verbrechen gegen Gläubige, Andersgläubige, Nichtgläubige, sofern diese nur in irgendeiner Weise dem universalen und totalen Machtanspruch der klerikalen Klüngelherrschaft im Wege waren. Die Bücher und Schriften des hartnäckigen Aufklärers, die er nicht zuletzt dank privater Förderer überhaupt veröffentlichen konnte, lagen wie erratische Blöcke in der von Kirchengefälligkeit und bigotter Christlichkeit geprägten Meinungslandschaft der Bonner Republik. 1971 stand er gar wegen »Kirchenbeschimpfung« vor Gericht. Das Verfahren wurde eingestellt. Der Grund: »Geringfügigkeit«.

Nun ist Geringfügigkeit wohl das Letzte, was man Deschner vorwerfen kann. Allein sein Opus magnum »Kriminalgeschichte des Christentums«, dessen zehnter und abschließender Band vor einem Jahr erschien, umfasst summa summarum rund 6000 Druckseiten und reicht vom 14. »vorchristlichen« Jahrhundert bis zum Niedergang des Papsttums im 18. Jahrhundert.

Deschner war kein Exeget, der sich über antike Pergamente und staubige Schriften beugte. Er wertete und beutete aus, was die historische Forschung vorgelegt hatte. Einen »Kompilator« nannte ihn - durchaus würdigend - Hubertus Mynarek, ein anderer Alt- und Großmeister der Kirchenkritik in Deutschland. Der Vorwurf, dass dieses Zusammentragen einseitig geschah, trifft zweifellos zu. Doch für Deschner war es die schlimme Seite einer Sache, die entlarvt werden musste, weil sie dieser Sache letztlich das Gepräge gab. Das hielt er nicht anders bei seiner Kritik politischer Ideologien oder des Umgangs mit den Tieren, den er im Anschluss an ein Gandhi-Wort »das schwärzeste aller Verbrechen« nannte.

Karlheinz Deschner (89) starb am Dienstag in Haßfurt/Unterfranken.

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Quelle:
Ingolf Bossenz, April 2014
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen Genehmigung des Autors.
Erstveröffentlicht in Neues Deutschland vom 11.04.2014
http://www.neues-deutschland.de/artikel/929778.der-anti-christ.html


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2014