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MUMIA/302: Mumia Abu-Jamal und der Oberste Gerichtshof der USA (IVK)


Internationales Verteidigungskomitee (IVK) Bremen - 30. September 2009

Mumia Abu-Jamal und der Oberste Gerichtshof der USA - zu einigen Verwirrungen und Irrtümern bezüglich der ausstehenden juristischen Entscheidung


30.09.09 (von ivk) Erfreulicherweise nehmen im Moment die Aktivitäten der Free-Mumia-Bewegung zu. Neue Bündnisse werden gegründet, Veranstaltungen gemacht, Flugblätter gedruckt etc. Leider taucht darin immer wieder eine Begrifflichkeit auf, die nichts mit der juristischen Wirklichkeit in diesem Fall zu tun hat. Ein paar kurze Erläuterungen sind notwendig.

In Flugblättern und Artikeln wird falschlicherweise von einer drohenden »Wiedereinsetzung der Todesstrafe«, einer neuen »Verkündung der Todesstrafe« durch den Obersten Gerichtshof der USA (U.S. Supreme Court) gesprochen oder daß dieses höchste Gericht Mumia Abu-Jamal eventuell »zum Tode verurteilt«, wenn er jetzt ab Oktober über die letzten Berufungsanträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung befindet.

Dazu ist zu sagen:

DER OBERSTE GERICHTSHOF DER USA KANN NUR DIE VERFASSUNGSMÄSSIGKEIT VON URTEILEN ÜBERPRÜFEN
Der Oberste Gerichtshof der USA ist kein Tatsachengericht - er kann keine Todesurteile aussprechen, sondern nur in Berufungsverfahren darüber entscheiden, ob ein Prozeß und ein Urteil gegen die US-Verfassung verstößt oder nicht.
Das höchste Gericht der USA kann Urteile also nur absegnen oder aufheben (und dann vor den zuständigen unteren Gerichten neuverhandeln lassen). Sieht es einen Verfassungsverstoß, MUSS das ursprüngliche Urteil aufgehoben werden. Sieht es keinen, BESTÄTIGT es das ursprüngliche Urteil.
Das im Juli 1982 ausgesprochene Todesurteil gegen Mumia Abu-Jamal ist nach wie vor rechtskräftig, sonst säße er nicht im Todestrakt, sondern in einem »normalen« Knast.
Am 6. April 2009 hat der Oberste Gerichtshof durch seine lapidare Entscheidung, die da lautete: »Antrag abgelehnt«, einen neuen fairen Prozeß, wie er von Verteidigung, Menschenrechtsorganisationen und internationaler Solidaritätsbewegung gefordert wird, verhindert. Mumia ist damit rechtskräftig »wegen Mordes« verurteilt.

BESTÄTIGUNG DES TODESURTEILS ODER NEUVERHANDLUNG ÜBER DAS STRAFMASS
Nun geht es in der zweiten separaten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, mit der ab jetzt zu rechnen ist, um die Frage des Strafmaßes, also Beibehaltung der Todesstrafe oder Umwandlung dieser Strafe in lebenslange Haft.
Die Staatsanwaltschaft fordert seine Hinrichtung (also Bestätigung des ursprünglichen Todesuteils), die Verteidigung natürlich seine Freilassung, da er unschuldig ist.
Keine der bisherigen Entscheidungen der US-Bundesgerichte (2001 und 2008), in denen eine eventuelle Umwandlung der Todesstrafe in lebenslange Haft ALS MÖGLICHKEIT ANGEORDNET wurde, (um eine völlige Aufdeckung der Verfassungsverletzungen in Mumias Verfahren zu vehindern und die Protestbewegung zu beruhigen,) ist rechtskräftig geworden.
Deshalb sitzt Mumia seit Juli 1982 UNUNTERBROCHEN in der Isolation des Todestrakts.
Die seit Ende der 1990er Jahre vor den US-Bundesgerichten gestellten Berufungsanträge haben - unterstützt durch die internationalen Proteste - bislang zwei angesetzte Hinrichtungen (1995 und 1999) verhindert. Sollte der Oberste Gerichtshof als letzte Gerichtsinstanz jetzt in der Folgezeit entscheiden, daß über das Strafmaß (und nur darüber!) neu verhandelt werden soll, dann muß er den Fall an die Gerichte in Philadelphia zurückverweisen, wo beide Prozeßparteien vor einer neugewählten Jury ihre Argumente vortragen können, warum sie "Bestätigung des Todesurteils" bzw. "Freilassung wegen Unschuld" fordern. Die 12-köpfige Jury muß dann neu entscheiden: Bestätigung der Verurteilung zum Tode oder lebenslange Haft.

MUMIA ABU-JAMAL UND SEINE VERTEIDIGUNG FORDERN VON SICH AUS NICHT »UMWANDLUNG IN LEBENSLANGE HAFT«, SONDERN FREILASSUNG WEGEN NACHWEISLICHER UNSCHULD
Weder Mumia Abu-Jamal noch seine Verteidigung fordern von sich aus die "Umwandlung in lebenslange Haft", weil Mumia unschuldig ist. Wenn die Jury des Staatsgerichts in Philadelphia so entscheiden würde, dann wäre das in Mumias Augen nur die zweitschlechteste Entscheidung, weil dann die Drohung der Giftspritze vom Tisch wäre und weiter für seine Freilassung gekämpft werden könnte. Für ihn und seine Verteidigung ist klar: er sitzt seit dem 9. Dezember 1981 unschuldig im Knast (und seit Juli 1982 in Todestrakt) und muß nach fast drei Jahrzehnten hinter Gittern freigelassen werden!
Sollte der Oberste Gerichtshof aber der Meinung sein, daß es keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Mumia Abu-Jamals Verurteilung zum Tode gibt und das Urteil von 1982 unangetatstet lassen, kann der Gouverneur von Pennsylvania, Ed Rendell (ein früherer Staatsanwalt, der gegen Mumia ermittelt hat), schon bald einen neuen Hinrichtungsbefehl unterzeichnen und danach den Termin zur Hinrichtung mit der Giftspritze ansetzen. Die Chancen, dagegen juristische Einsprüche vorzubringen, sind gering, werden aber natürlich von der Verteidigung versucht werden.

Wir hoffen, mit diesen Erläuterungen zur Klärung beigetragen und deutlich gemacht zu haben, wie dringend alle Aktivitäten sind, um diesen drohenden Justizmord zu verhindern.

IVK Bremen
30. September 2009

[Siehe zu diesen juristischen Zusammenhängen die letzten Erklärungen der Verteidigung auf der Website des IVK (ww.freedom-now.de) zum Beispiel den IVK-News-Ticker Nr. 12 vom 6. Juni 2009 (*).]

(*) Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Im Schattenblick finden Sie den IVK-News-Ticker Nr. 12 unter:
www.schattenblick.de -> Infopool -> Bürger und Gesellschaft -> Fakten
MUMIA/217: Rechtsanwalt Bryan begründet Ablehnung des Bundesberufungsgerichts (IVK)


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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
Internationales Verteidigungskomitee (IVK)
Postfach 150530, 28095 Bremen
Weitere Informationen siehe auch http://www.mumia.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2009