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MUMIA/690: Geburtstag in Krankenzelle (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 24.4.2015

Geburtstag in Krankenzelle

Medizinische Hilfe für den schwer erkrankten Mumia Abu-Jamal weiterhin verweigert. Unterstützer fordern sofortige Freilassung

Von Jürgen Heiser


Die Gefängnisbehörde »Department of Corrections« (DOC) des US-Bundesstaats Pennsylvania hat kurz vor dem heutigen 61. Geburtstag des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal beschlossen, dem an Diabetes erkrankten Langzeitgefangenen die Untersuchung durch einen externen Arzt oder Endokrinologen seines Vertrauens zu untersagen. Wie der Anwalt Bret Grote vom »Abolitionist Law Center« in Pittsburgh am Mittwoch mitteilte, untersagte der Leiter des DOC, John Wetzel, den nicht zugelassenen, externen Ärzten auch, Kontakt zum medizinischen Personal der Krankenstation aufzunehmen, auf der Abu-Jamal in einer Einzelzelle liegt. Ihnen ist strikt verboten, bei der Krankenversorgung des politischen Gefangenen »zu assistieren oder Anweisungen zu geben«. Nicht einmal Telefongespräche mit externen Medizinern sollen erlaubt werden.

Der Kontakt zur Außenwelt ist derzeit ohnehin eingeschränkt, da die Krankenstation über keine Amtsleitung nach draußen verfügt. Für die erlaubten 15minütigen Gespräche muss sich Abu-Jamal im Rollstuhl in eine andere Abteilung begeben. Über sein letztes Telefonat mit Noelle Hanrahan von Prison Radio am Montag berichtete diese, er habe stockend gesprochen und seine Stimme habe nicht sein gewohntes Timbre gehabt.

Das Leben Abu-Jamals sei weiterhin gefährdet, kommentierte Hanrahan die Ablehnung externer Fachärzte, weil er nun jener Krankenstation ausgeliefert sei, »die dafür verantwortlich ist, dass er durch einen nicht erkannten Diabetes und ein falsch behandeltes chronisches Hautekzem in eine lebensbedrohliche Lage geriet«. Das medizinische Personal vor Ort sei Mitte März, als Abu-Jamal schon erkrankt war, auf Anordnung der Anstaltsleitung »daran gehindert worden, notwendige Tests zu veranlassen«, erklärte Hanrahan. Aktuell sei dem politischen Gefangenen lediglich gestattet worden, »seinen Blutzuckerspiegel mehrmals am Tag selbst zu kontrollieren«, und er bekomme jetzt Insulin. Deswegen sei es weiter erforderlich, mittels Anrufen und E-Mails den Druck auf die Behörden für eine angemessene medizinische Versorgung zu verstärken, erklärte Hanrahan.

Dazu soll auch ein internationaler offener Brief an Gouverneur Thomas Wolf und Wetzel vom DOC beitragen, der unter anderem von Bischof Desmond Tutu, dem Exjustizminister Ramsey Clark, Professor Cornel West, Pulitzerpreisträger Chris Hedges, der Menschenrechtsanwältin Lynne Stewart und dem Vorstandsmitglied des deutschen PEN-Zentrums, der Berliner Autorin Sabine Kebir, unterzeichnet wurde. In dem Schreiben wird neben der Zulassung externer Mediziner auch »seine sofortige Freilassung« angesichts der »umfangreichen Beweise für Mr. Abu-Jamals Unschuld« gefordert.

Wegen der »seuchenartigen Ausbreitung von Diabetes, Hauterkrankungen und Hepatitisinfektionen in Pennsylvanias Gefängnissen« verlangen die Unterzeichner zudem eine unabhängige Untersuchung der von der Gefängnisbehörde zu verantwortenden medizinischen Versorgung«. Die »erschreckende Nichtversorgung« Abu-Jamals sei »kein Einzelfall«. Vor allem müsse der Einsatz der »von der Gefängnisbehörde mit medizinischen Diensten beauftragten Privatfirmen« untersucht werden, deren »Priorität auf Kosteneinsparungen« liege »und nicht auf der qualitativ guten medizinischen Versorgung der Gefangenen«.

Der Journalist Linn Washington hatte zuvor im US-Magazin Counterpunch angesichts des 61. Geburtstags seines langjährigen Freundes und Kollegen Abu-Jamal auf eine Studie hingewiesen, die Pennsylvania zu den zehn US-Bundesstaaten mit den meisten Langzeitgefangenen im höheren Alter zählt. Andere US-Staaten ließen bereits medizinische Gründe für die vorzeitige Entlassung älterer oder kranker Insassen auf Bewährung zu, sagte Washington mit Blick auf eine humanitäre Lösung.

Anlässlich seines heutigen Geburtstags soll der für den morgigen 25. April ausgerufene internationale Aktionstag die Forderung nach Mumias Freilassung und für eine Veränderung der Haftsituation aller US-Gefangenen weiter publik machen. In New York wollen die Demonstranten vom Brooklyn Supreme Court zum gerade eröffneten Wahlbüro Hillary Clintons ziehen, um die ins Weiße Haus strebende Politikerin daran zu erinnern, dass alle US-Eliten für das Wohl der Gefangenen in die Pflicht genommen werden.

»Druck für Mumia«:
www.freedom-now.de

https://www.jungewelt.de/2015/04-24/042.php



Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Prison Radio berichtet, daß Mumia Abu-Jamals Gesundheitszustand kritisch ist. Seine Frau besuchte ihn an seinem Geburtstag und musste feststellen, dass sich sein Zustand verschlechtert hat. Er ist schwer krank.
Noelle Hanrahan von Prison Radio bittet deshalb alle, die etwas unternehmen wollen, im Gefängnis anzurufen:
www.prisonradio.org


Link zum offenen Brief für die unabhängige medizinische Versorgung von Mumia Abu-Jamal:
http://sfbayview.com/2015/04/open-letter-to-pennsylvania-governor-and-corrections-head-urges-independent-medical-care-for-mumia-abu-jamal-seeks-more-signers/

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Quelle:
junge Welt vom 24.04.2015, Seite 7
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2015

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