Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FIAN

AFRIKA/025: Klimawandel - Land unter in der Halbwüste (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Land unter in der Halbwüste

Von Ulrich Delius


Dass die Ureinwohner der Arktis unter den Folgen des Klimawandels leiden, ist inzwischen eine Binsenweisheit. Doch dass auch in Afrika die Folgen des Klimawandels immer bedrohlicher werden, nimmt man in Europa kaum zur Kenntnis.


In Karamoja, einer bitterarmen Region im Nordosten Ugandas, setzt die Klimaveränderung den Menschen ganz besonders zu. Nach drei Dürren in Folge erlebte die Region im September 2007 eine der schlimmsten Überschwemmungskatastrophen seit Jahrzehnten. Die Regierung Ugandas erklärte den Ausnahmezustand, nachdem innerhalb von zwei Tagen 29 Menschen in den Fluten gestorben waren. Der 27.000 Quadratkilometer großen Region, in der mehr als 920.000 Menschen leben, droht eine Hungersnot. Für humanitäre Helfer wird es schwierig, die Not leidende Bevölkerung zu versorgen, da alle Brücken zerstört und Verbindungslinien unterbrochen sind.

Dabei kennen die Karamojong, wie die verschiedenen ethnischen Gruppen angehörenden Bewohner Karamojas sich nennen, durchaus Not und Elend. Denn ihre Region wurde am meisten von der Regierung in Kampala vernachlässigt und ist Schlusslicht beim Vergleich aller Entwicklungsindikatoren in Uganda. Dort leben 80 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, es sterben die meisten Kinder (178 von 1000) und Mütter (750 von 100.000) bei der Geburt, 89 Prozent der Karamojong sind Analphabeten und nur 6 Prozent der Bevölkerung verfügen über funktionierende Toiletten. Karamoja hätte auch schon vor der Flutkatastrophe mehr Aufmerksamkeit der ugandischen Regierung verdient gehabt, da die Region schon lange ein Katastrophenfall ist. Denn dort sterben bereits seit Monaten täglich drei von 10.000 Menschen an den Folgen von Hunger und Unterernährung. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen warnte kürzlich, 54 Prozent der Karamojong-Kinder im Alter unter fünf Jahren hätten Wachstumsprobleme. Rund 20 Prozent der Kinder leiden inzwischen unter Hunger, eine alarmierende Rate, die in den kommenden Monaten weiter ansteigen wird.

Die Zukunft sieht düster aus für die Karamojong. Durch die Überschwemmungen kamen viele ihrer Herden um, die traditionell die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz bilden. Ihre semi-aride Heimat eignet sich aufgrund der starken klimatischen Schwankungen nicht zum Ackerbau. Mindestens eine von drei Ernten war in den letzten Jahren eine Missernte. So versuchen die traditionell als Nomaden oder Halbnomaden lebenden Hirten, mit ihrer Viehwirtschaft zu überleben. Ein überdurchschnittlich hohes Bevölkerungswachstum (zwei Prozent über dem Landesdurchschnitt) schürt weiter den Kampf um die kargen Ressourcen - Kinder sind traditionell neben dem Umfang ihrer Viehherden der Gradmesser ihres Wohlstands. So wundert es nicht, dass auch der Viehdiebstahl bei den Karamojong und benachbarten Völkern noch weiter zugenommen hat. Allein im Zeitraum zwischen Juli 2003 und August 2006 wurden 470 Überfälle auf Viehherden in Karamoja und angrenzenden Gebieten gezählt, bei denen über eintausend Menschen starben. Um die Viehdiebstähle zu stoppen, begann die ugandische Armee im Jahr 2001 mit einer gewaltsamen Entwaffnung der Karamojong. Das Resultat war verheerend: So war die Entwaffnung nicht erfolgreich und zugleich wurden dabei so viele Menschenrechtsverletzungen begangen, dass die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Uganda mehrfach rügte.

Angesichts von Verelendung und zunehmender Gewalt haben inzwischen viele Karamojong mit den Füßen abgestimmt. Schon vor der Flutkatastrophe kamen jeden Monat rund 300-400 Karamojong-Frauen mit ihren Kindern in die Hauptstadt Kampala, um dort ein Auskommen zu suchen. Mehr als 80 Prozent der BettlerInnen in der Hauptstadt stammen heute aus Karamoja, nicht gerade ein Vertrauensbeweis für die Entwicklungsanstrengungen Ugandas in dieser seit langem vernachlässigten Region. Rund 10.000 Karamojong-Kinder verdingen sich heute im Großraum Kampala als Bettler oder Hilfsarbeiter. Eine dramatische Situation, die mit dem Klimawandel noch weiter eskalieren wird, wenn die Karamojong nicht mehr Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen der Klimaveränderung erhalten. Doch mit speziellen Förderprogrammen für nomadische oder halbnomadische Gruppen tun sich nicht nur die ugandische, sondern auch die Regierungen vieler anderer afrikanischer Staaten schwer.


Der Autor ist Afrikareferent der Gesellschaft für bedrohte Völker.


*


Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2007, S. 9
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2008