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AKTION/128: Indien - Tagebau bedroht Indigene in Kusum Tola, Karanpura Tal, Jharkhand (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2011
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

URGENT ACTION - EILAKTION
FIAN-Eilaktion 1102 UIND, Juni 2011 - Asien

Indien: Tagebau bedroht Indigene in Kusum Tola, Karanpura Tal, Jharkhand


Die Expansionen der Kohletagebaue im nördlichen Karanpura Tal haben direkte Auswirkungen auf etwa 200 Dörfer, deren Bewohner von den Produkten dieser fruchtbaren Region und der Wälder leben. Die indigene Bevölkerung dieser Region, die Adivasi, bauen Reis, Weizen, Senf und Linsen an und verdienen etwas Geld mit Forstprodukten und als Saisonarbeiter. Über 1000 km² ihres Landes wurde nach neuen Plänen für mehr als 20 Minenprojekte konzessioniert. Kusum Tola ist nur eines von vielen Dörfern, welches von diesen Tagebauen bedroht wird. CCL betreibt hier seit über 30 Jahren Bergbau. Die Purnadih Zeche, die Kusum Tola und umliegende Dörfer bedroht, wurde offiziell am 21. August 2009 eröffnet. Die Bewohner der Dörfer Dembua und Baseriya wurden schon vertrieben und Kusum Tola ist nun direkt bedroht. In Kusum Tola sind die Auswirkungen der im Umkreis stattfindenden Sprengungen spürbar. Zusätzlich werden durch den Tagebau Flüsse verschmutzt und wertvolle Grundwasserquellen wie das Wassereinzugsgebiet des oberen Damodar Flusses zerstört.

Der Tagebau gefährdet nicht nur die Bedeutung des Karanpura Tales als eines der ergiebigsten Reis- und Gemüseanbaugebiete Indiens. Diese Region ist auch für Umwelt und Kultur von großer Bedeutung. Einst bekannt für seine Tierwelt, ist dieses Tal heute noch ein wichtiger Korridor für Elefanten. Die indigene Bevölkerung besitzt ein reiches Kulturerbe und hat kunsthandwerkliche Traditionen beibehalten, die auf örtliche Funde prähistorischer Felsmalerei zurückgehen. Die Bezirksregierung stellt sich hauptsächlich auf die Seite der Bergbaugesellschaft und gegen die Bevölkerung. Wer gegen die Enteignung von Land und die Menschenrechtsverletzungen protestiert, wird von der Polizei kriminalisiert - eine eindeutige Verletzung der politischen und bürgerlichen Rechte.

Frauen sind von den Tagebauauswirkungen besonders betroffen - wirtschaftlich, sozial und psychologisch. Ihre Rolle verändert sich dramatisch, wenn Familien ihr Land verlieren und mit Arbeitsmöglichkeiten entschädigt werden, denn Frauen erhalten für den Verlust ihres Landes weitaus seltener als Männer Entschädigung in Form von Geld oder Arbeit. Die Expansion der Tagebauprojekte ist ein klarer Verstoß gegen die Vorschriften des nationalen Rechts und internationaler Abkommen, u.a. der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker und des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

FIAN wurde in diesem Fall schon einmal aktiv (Open Letter s0916IND vom 7. Juli 2009 und Eilaktion 0915 UIND vom 9. November 2009).


Zusammenfassung

Die Expansionen der Bergbaugesellschaft Central Coalfields Limited (CCL) gefährden das Überleben von 1000 Indigenen in Kusum Tola, einem Dorf in der nördlichen Karanpura Region im indischen Bundesstaat Jharkhand. Schwere Sprengungen in benachbarten Dörfern produzieren jetzt schon schädliche Staubwolken und führen zu Rissen in den Häusern von Kusum Tola. Die Vertreibung ist ein schwerer Verstoß gegen das Recht auf Nahrung der Dorfbewohner. Außerdem wird der Tagebau den Dorfbewohnern den Zugang zu Wasser nehmen. Dies ist ein Verstoß gegen deren Recht auf Wasser. Durch den Tagebau werden die Menschen in ihrer Existenz bedroht, was Hunger und Unterernährung zur Folge haben wird.

Das Fian-Mandat

Indien ist Mitgliedstaat des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Somit sind Indien und der Bundesstaat Jharkhand völkerrechtlich verpflichtet, das Menschenrecht auf Nahrung und das Menschenrecht auf Wasser zu respektieren. Die Tagebauexpansionspläne bei Kusum Tola und in der Karanpura Region sind eine ernsthafte Bedrohung für die Existenz der Adivasi Bevölkerung. Sollten diese Pläne umgesetzt werden, verletzen Indien und der Bundesstaat Jharkhand ihre Verpflichtung, grundlegende Menschenrechte, wie die Menschenrechte auf Nahrung und Wasser der betroffenen Bevölkerung zu respektieren und zu schützen.


Aktion

In diesem Fall benötigen wir Ihre Mitarbeit. Schreiben Sie an den Premierminister von Indien, Herrn Manmohan Singh, in Unterstützung der DorfbewohnerInnen in ihrem Widerstand gegen die Expansionspläne der Bergbaugesellschaft CCL, die von der indischen Regierung gestützt wird.


Adressen

His Excellency
Mr. Manmohan Singh
Prime Minister of India
Room No. 148 B
South Block, Raisina Hill,
New Delhi, India-110 011.

Kopien an:

Her Excellency,
Mrs. Pratibha Patil
President of India
Rashtrapati Bhavan
New Delhi - 110 004
Fax: + 9111 2301 1689

Ms. Jayanthi Natarajan
Government of India, Minister
of Environment Et Forests
Paryavaran Bhavan, CGO
Complex, Lodhi Road
New Delhi - 110 003

Mr. Shri Arjun Munda
Secretariat of the Chief
Minister of Jharkhand
1st Floor, Project Bhawan
Dhurwa, Ranchi - 3 113 384
Fax: + 91 65 1228 1447

HINWEIS:
Die Teilnahme per Fax ist ggf. problematisch, weil die Faxgeräte abgeschaltet werden oder nicht 24 Stunden am Tag erreichbar sind. In einem solchen Fall ist die Teilnahme per Post erfolgversprechender.



Ein Brief nach Übersee kostet
aus Deutschland 0,75 €
aus Österreich 1,40 €
us Belgien 1,05 €


*


Übersetzung des Musterbriefs


Ehrenwerter Herr Premierminister,

ich möchte meiner tiefen Sorge Ausdruck verleihen über die Verletzung der Menschenrechte auf Nahrung und Wasser der Bewohner des Dorfes Kusum Tola im nördlichen Karanpura Tal im Chatra Distrikt, Jharkhand. Die massive Expansion der Kohletagebaue im oberen Wassereinzugsgebiet des Damodar Flusses wird Kusum Tola und andere indigene Dörfer der Adivasi zerstören. Außerdem wird die Zerstörung von Seen und anderer Grundwasserquellen der Region starke Auswirkungen auf das Menschenrecht auf Wasser dieser Menschen haben.

Der Tagebau kann jederzeit in Kusum Tola als Teil der Purnadih Zeche von Central Coalfields Limited (CCL) beginnen. Kusum Tola ist eines von etwa 200 Dörfern, das von 23 existierenden und geplanten Kohletagebauen bedroht ist. Die Nachbardörfer Dembua und Barseriya wurden schon vernichtet. Die Einwohner von Kusum Tola spüren die Auswirkungen der Sprengungen, die Risse an Hauswänden und Fundamenten verursachen und Staubwolken produzieren. Die Zerstörung ihres Dorfes wäre eine Verletzung ihres Rechts auf Nahrung und Wasser, da sie den Zugang zu den Ressourcen verlieren würden, die ihre hauptsächliche Existenzgrundlage, die Landwirtschaft, sichern.

Die Vertreibung der Dorfbevölkerung für den Tagebau wird nicht nur unumkehrbare Umweltzerstörung und sozialen Umbruch nach sich ziehen - sie wird auch wertvolles kulturelles Erbe vernichten. Das Gebiet wurde von der UNESCO als Weltkulturerbe vorgeschlagen wegen der einzigartigen paläo-archäologischen Funde aus der Frühzeit, der sogenannten Damodar Tal Zivilisation, prähistorischen megalithischen Stätten und ein Dutzend Felsmalereien, die über 8000 Jahre alt sind. Der Verlust dieser Stätten überwiegt den vergleichsweise kurzlebigen Gewinn aus dem Tagebau ohne adäquaten Schutz der Umwelt und der Bevölkerung.

Indien ist Mitgliedstaat des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Somit sind Indien und der Bundesstaat Jharkhand völkerrechtlich verpflichtet, das Menschenrecht auf Nahrung zu respektieren und zu schützen. In Anbetracht dieser Verpflichtungen mache ich mir große Sorgen wegen der massiven Expansion der Bergbauaktivitäten in Purnadih und anderen Bereichen der Karanpura Region. Indem sie diese Aktivitäten unterstützen, verletzten Indien und der Bundesstaat Jharkhand das Recht auf Nahrung der betroffenen Bevölkerung.

Daher fordere ich Sie auf

- Werden Sie aktiv und veranlassen Sie einen sofortigen Stopp der Vertreibungen aus Kusum Tola und anderen Dörfern in der Karanpura Region.

- Erwirken Sie die Aussetzung aller neuen Tagebauprojekte im Wassereinzugsgebiet des oberen Damodar Flusses in der Karanpura Region.

- Untersuchen Sie die sozialen, Umwelt- und Menschenrechtsauswirkungen aller derzeitig operierenden und geplanten Kohletagebaue im nördlichen Karanpura Tal.

- Ermöglichen Sie eine offene und transparente Überprüfung darüber, wie Abbaukonzessionen vergeben werden.

Bitte informieren Sie mich darüber, welche Maßnahmen Sie ergreifen werden.


Hochachtungsvoll,


Kopie an:

Pratibha Patil, Präsidentin von Indien;
Jayanthi Natarajan, Umwelt- und Forstministerin;
Shri Arjun Munda, Ministerpräsident von Jharkhand


*


Honorable Mr. Prime Minister,

I write to express my concern about violations of the human rights to food and water being committed against the citizens of the village of Kusum Tola in the Northern Karanpura Valley in the Chatra district of Jharkhand. The massive expansion of open cast coal mining in the Upper Damodar watershed will devastate Kusum Tola and other indigenous villages inhabited by the Adivasi people. In destroying lakes and other water sources in the region the mining activity will also impact significantly on the people's right to access to water.

Mining activity is due to start in Kusum Tola any day as part of the Purnadih mine operations of Central Coalfields Limited (CCL). It is one of about 200 villages affected by 23 present and planned coal blocks. The neighboring hamlets of Dembua and Baseriya have already been destroyed. The villagers of Kusum Tola are currently affected by blasting, with the cracking of house walls and foundations, and rising dust. Destruction of their village would be a violation of their right to food and water, as they will lose access to the resources that sustain their major source of livelihood - agriculture.

Evictions to accommodate mining will not only lead to irreversible environmental devastation and social upheaval - they will destroy a precious cultural heritage. The area has been recommended to UNESCO as a threatened World Heritage Site on the basis of unique palaeo-archaeological evidence of Early Man, known as the Damodar Valley Civilization, prehistoric megalithic sites, and one dozen rock art sites over 8,000 years old. The loss of these sites outweighs the comparably short term profits of coal mining being conducted without adequate environmental and social safeguards.

As a state party to the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, India, and therefore the state of Jharkhand, is duty-bound under international law to respect and protect the human right to food. In the light of these obligations I am concerned about the massive expansion of mining activities at Purnadih and other parts of the Karanpura region. By supporting this process, India and the state of Jharkhand are violating their people's right to food.

I therefore ask you to:

- Take action by ordering an immediate stoppage to the eviction of Kusum Tola and other places in the Karanpura region

- Enforce a suspension on all new mining projects in the Upper Damodar watershed in the Karanpura region;

- Undertake a social, human rights and environmental impact assessment of all the coal mines being presently operated and planned in the Northern Karanpura Valley

- Facilitate an open and transparent review of the way mine clearances are granted.

Please inform me of any measures you intend to take.


Respectfully yours


cc. Mrs. Pratibha Patil, President of India;
Jayanthi Natarajan, Minister for Environment and Forests;
Mr. Shri Arjun Munda, Chief Minister of Jharkhand


*


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2011