Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FIAN

ASIEN/018: Palmölproduktion in Indonesien hat Folgen für das Recht auf Nahrung (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Rohstoffe für den Export
Palmölproduktion in Indonesien hat Folgen für das Recht auf Nahrung

Von Melanie Pichler


Indonesien gilt als weltweit führender Produzent und Exporteur von Palmöl, einem Pflanzenöl, das heute vermehrt für die Herstellung von Agrartreibstoffen verwendet wird. Die Konsequenzen für die Kleinbauern und -bäuerinnen sind katastrophal, Konflikte um Land und andere natürliche Ressourcen haben System.


"Die Community sah Feuer und die Menschen rannten weg. Nachdem sie aus ihren Häusern gekommen waren, schlug das Militär auf sie ein. Das ist kriminell." Mit diesen Worten beschreibt Nasir Sihotang die Ereignisse des 26. Septembers 1998 in seinem Dorf in der Provinz Riau (Sumatra) in Indonesien. Seit 1995 pflanzte eine Bauers- und Bäuerinnengruppe im Dorf Batang Kuma Nahrungsmittel, die sowohl für den Eigenbedarf als auch für den regionalen Verkauf bestimmt waren. 1998 wurden 203 Hektar dieses Landes, für das die Gemeinschaft Landtitel der Provinzregierung Riau vorweisen konnte, als Teil der Konzession eines indonesischen Palmölunternehmens reklamiert. Nachdem sich die Community weigerte, ihr Land abzugeben, schreckte das Plantagenunternehmen vor gewalttätiger Vertreibung nicht zurück. Mithilfe des Militärs wurden die BewohnerInnen des Dorfes von ihrem Land vertrieben und die Häuser in Brand gesteckt. Als die Betroffenen ihre Lage der zuständigen Polizei berichteten, wurde ihr rechtmäßiger Anspruch auf das Land abgewiesen. Die Grenzziehung für das Gebiet sei nicht klar, die Problematik liege außerhalb ihrer Zuständigkeit, hieß es auch von Seiten der Judikative. Seitdem sehen rund 80 Haushalte ihr Recht auf Nahrung durch den fehlenden Zugang zu ihrem Land und ihren Häusern akut gefährdet. Bis heute besetzt das Unternehmen das Land der Gemeinde, hat eine Palmölplantage und eine dazugehörige Fabrik aufgebaut.

Menschenrechtsverletzungen im Zuge von Landvertreibungen haben in der Palmölindustrie in Indonesien System. Das indonesische Netzwerk Sawit Watch (dt.: Palmöl beobachten) dokumentierte im Februar 2009 576 anhaltende Konflikte am Land. Fehlende beziehungsweise unzureichende Kompensationszahlungen, unfaire Verhandlungspositionen oder schlichtweg Vertreibungen der Communities sind hauptausschlaggebend für die konflikthaften Auseinandersetzungen. Indonesien ist mit 18 Millionen Tonnen im Jahr 2008 der weltweit größte Produzent von Palmöl, hauptsächlich ist das Pflanzenöl für den Export bestimmt. Mehr als drei Viertel der jährlichen Produktion werden auf den internationalen Märkten gehandelt, zu den Hauptimportregionen zählen Südasien und Europa. Die Expansion der Palmölplantagen in Indonesien wird durch die Nachfrage nach Agrartreibstoffen, vor allem durch die Beimischungspflicht der Europäischen Union (EU), weiter angekurbelt, der Druck auf die Ressource Land nimmt zu. Palmölgift im Vergleich zu Soja- und Rapsöl als billigster Rohstoff für die Herstellung von Agrardiesel, die Unternehmen in der Palmölindustrie hoffen deshalb auf boomende Geschäfte mit den europäischen Importeuren.

Dann die Produktion von Agrartreibstoffen aus Energiepflanzen einen Beitrag zu ländlicher Entwicklung und Armutsbekämpfung leisten kann, wie das die EU in diversen Papieren verlautbart, glauben Nichtregierungsorganisationen und Betroffene in Indonesien nicht. Durch die Konzentration auf den monokulturellen Anbau von Ölpalmen werden traditionelle Formen der Subsistenzwirtschaft verdrängt und die Einkommensquelle der Bauern und Bäuerinnen auf ein einziges Produkt beschränkt. Fällt der Preis für Palmöl wie im Jahr 2008 innerhalb eines halben Jahres von 1.320 auf 420 US-Dollar pro Tonne, hat das dramatische Folgen und gefährdet das Recht auf Nahrung für die Betroffenen. Hinzu kommt die Problematik der Schuldenverpflichtungen. Viele Kleinbauern und -bäuerinnen sind gegenüber Privatunternehmen, die die Startkosten für die Plantagen übernehmen, verschuldet. Vor allem durch Preisschwankungen und damit verbundene Verkaufseinbußen können die Verbindlichkeiten in unabschätzbare Höhen steigen.

Der Fall der Vertreibung der Community von Batang Kuma ist kein Einzelfall, und die Herstellung von Agrartreibstoffen erhöht den Druck auf die natürlichen Ressourcen. Die EU ist mitverantwortlich für Menschenrechtsverletzungen in Indonesien, wenn die Regierungen auf einem Energiemodell beharren, dass die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und Rohstoffen in Ländern des Südens fördert.


Melanie Pichler ist Vorstandsvorsitzende von FIAN-Österreich und hat von Dezember 2008 bis Februar 2008 zu den Auswirkungen der Palmölindustrie in Indonesien geforscht.


*


Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2009, Juni 2009, S. 15
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro
Abonnementpreis: Standardabo 15,- Euro,
Förderabo 30,- Euro (Ausland zzgl. 10,- Euro)


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2009