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BERICHT/132: Interview mit Generalsekretär Flavio Valente (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Interview

Flavio Valente: Mit FIAN unterwegs in eine neue Welt


Seit dem 1. Februar hat FIAN-International einen neuen Generalsekretär. Wir freuen uns Flavio Valente für diese Position gewonnen zu haben. Das Interview führte Britta Schweighöfer.


BRITTA SCHWEIGHÖFER: Flavio, wie bist Du zu Deinem Engagement für Menschenrechte und speziell für das Recht auf Nahrung gekommen?

FLAVIO VALENTE: Ich bin Arzt, mit einem Abschluss in Ernährung und öffentlichem Gesundheitswesen. Daher habe ich mich schon lange mit Fragen rund um das Thema Nahrung beschäftigt. Fast 20 Jahre lang habe ich an der Universität gelehrt und war gleichzeitig im Bereich Arbeitnehmergesundheit als Berater für Gewerkschaften tätig. Dabei war ich immer auch selbst als Gewerkschaftler aktiv. Es ging mir von jeher auch um die Umsetzung.

Mit dem Recht auf Nahrung habe ich mich seit ungefähr 15 Jahren beschäftigt. Ich denke, Menschenrechte sind das historische und soziale Resultat eines langen Kampfes. Es ist der Kampf unterdrückter und diskriminierter Menschen gegen diese Unterdrückung. Deshalb sind Menschenrechte auch heute ein einmaliges und schlagkräftiges Instrument der Diskriminierten, das ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Rechte gegenüber dem Staat und dem System überhaupt geltend zu machen. Hunger und Unterernährung in der Welt zu beenden - das kann nur geschehen, indem die globalen Machtstrukturen als solche verändert werden. Menschenrechte und FIAN, das sind zentrale Komponenten in diesem Kampf.

BRITTA SCHWEIGHÖFER: Was glaubst Du sind die größten Herausforderungen für die Umsetzung des Rechts auf Nahrung - sagen wir in den nächsten drei bis fünf Jahren?

FLAVIO VALENTE: Erstens müssen wir Verletzungen des Rechts auf Nahrung sichtbar machen - im Süden, Osten wie auch im Norden. Die wirkliche Herausforderung besteht dann dann, die Wahrnehmung zu verändern. Diese Verletzungen müssen weltweit gesehen werden als Skandal, als absolut inakzeptabel. Kinder sollten nicht verhungern. Und sie sollten nicht dazu gezwungen sein "junk food" zu essen, um Profite zu sichern. Zweitens müssen wir unsere Regierungen zwingen, ihre Versprechungen einzulösen.

Gerade im Zusammenhang mit den Freiwilligen Leitlinien für die schrittweise Umsetzung des Rechts auf Nahrung sind viele gute und positive Worte gefallen und Regierungen haben sich dafür stark gemacht, das Recht auf Nahrung zu fördern und in die Realität umzusetzen. Jetzt müssen wir sie beim Wort nehmen - oder aber öffentlich machen, wie beschämend die Wirklichkeit hinter den Versprechungen zurückbleibt.

Drittens müssen wir unsere Öffentlichkeits- und Informationsarbeit stärken. Es reicht nicht Informationen zu haben, wir müssen sie zugänglich machen für die Menschen, die sie dringend in ihrem Kampf brauchen.

BRITTA SCHWEIGHÖFER: Du bist gerade von Brasilien noch Deutschland umgezogen. Woran denkst Du beim Stichwort "Deutschland" zuerst?

FLAVIO VALENTE: Oh, da fällt mir vieles ein. Mein Großvater war Deutscher und ich bin mit Geschichten über Deutschland aufgewachsen. Die meisten meiner Verwandten sind in der Bombardierung Dresdens am Ende des 2. Weltkriegs ums Leben gekommen. Ich werde sie also nicht besuchen können. Wie dem auch sei, ich denke, ich werde die deutsche Musik und die Philosophie mögen - und natürlich das Bier.

BRITTA SCHWEIGHÖFER: Wie siehst Du selbst Deinen Einstieg bei FIAN? Was ist Dir wichtig?

FLAVIO VALENTE: Ich liebe die Arbeit, die ich hier tun kann und ich komme mit einer Menge Energie. Die will ich einsetzen, um FIAN voran zu bringen und um FIAN zu einer weltweit anerkannten Referenz zu machen - für den Kampf um das Recht auf Nahrung, aber auch für den Kampf für eine neue, wirklich andere Welt. Ich glaube, sie ist greifbar. Vielleicht nicht gleich, ganz sicher aber für unsere Kinder oder Enkel. Wichtig ist, dass wir den Weg dahin bereiten. Gewissermaßen ist es doch so, wenn wir uns engagieren, dann Leben wir bereits ein Stück weit in dieser neuen Welt.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2007, März 2007, S. 15
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2007