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BERICHT/149: Reismarktliberalisierung - Die verordnete Hungerkur (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Die verordnete Hungerkur
Liberalisierung verletzt Recht auf Nahrung von Reisbauern

Von Armin Paasch


Die Liberalisierung der Reismärkte hat in Ghana, Honduras und Indonesien zu Verletzungen des Rechts auf Nahrung der Kleinbäuerinnen und -bauern beigetragen. Der Einfluss der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) war in allen drei Fällen hochproblematisch. Dies haben Fallstudien ergeben, die FIAN im Auftrag von Brot für die Welt und dem Ökumenischen Aktionsnetzwerk durchgeführt hat.


Die Savanne um die nördliche Provinzhauptstadt Tamale wirkt karg. Dass hier außer den berühmten Affenbrotbäumen viel gedeiht, ist kaum zu glauben. Doch wenn der tropische Regen zwischen Mai und September die Ebenen flutet, entstehen hier überall fruchtbare Anbaugebiete. So auch in Dalun, einem Zehntausendseelendorf 40 Kilometer von Tamale entfernt. Fast alle leben hier vom Reisanbau: die Bauern und ihre Aushilfen auf dem Feld, die Mütter und die lokalen Marktfrauen. Diese kaufen den Bauern die Reisernte ab, lassen sie in der Mühte weiterverarbeiten und verkaufen sie weiter an Marktfrauen aus Tamale.


Importe fluten den Markt

Die Zeiten, wo der Reisanbau ein gutes Auskommen und eine angemessene Ernährung sicherte, sind jedoch vorbei. Denn auf den Verkaufsständen in Tamale und Accra türmen sich Reissäcke aus den USA, Thailand und Vietnam; nach dem dunkleren Reis aus lokalem Anbau muss man suchen. "Die Menschen bevorzugen den importierten Reis", sagt ein Händler. "Der ist parfümiert, weiß und schneller zu kochen als der lokale Reis." Reisimporte gibt es in Ghana zwar schon lange, ihr Siegeszug über die lokalen Sorten ist aber jüngeren Datums. Von 2000 bis 2003 haben sie sich verdreifacht. Die Welternährungsorganisation (FAO) spricht sogar von "Importfluten", die über das Land hereingebrochen sind. Im Preis-Leistungs-Verhältnis sind die Bauern von Dalun gegenüber dem Importreis chancenlos. Ein Drittel davon stammt aus den USA. Wettbewerbsfähig ist der amerikanische Reis nur aufgrund üppiger Subventionen und Exportkredite.

Betroffen sind in Dalun die Markfrauen, der Besitzer der Reismühle, vor allem aber die Kleinbauern und -bäuerinnen, die am Ende der Wertschöpfungskette stehen und den Preisdruck am ärgsten zu spüren bekommen. So etwa Issah Alhassan. Der Reisbauer war früher Grundschullehrer und hat seine Einnahmen und Ausgaben der letzten Jahre sorgfältig notiert. Im Jahr 2000 erhielt er pro Sack Reis noch 200.000 Cedi, in den folgenden Jahren war es kaum mehr als die Hälfte. "Oft schreiben wir rote Zahlen und sind kaum in der Lage unsere Familien zu ernähren", sagt er. "Wenn im Frühjahr die letzte Ernte aufgebraucht ist und die neue noch nicht begonnen hat, müssen wir die Mahlzeiten reduzieren. Die Kinder leiden darunter am meisten."


Verhängnisvolle Beratung

Im Jahr 2003 entschieden sich Regierung und Parlament, den Schutzzoll auf importierten Reis von 20 auf 25 Prozent anzuheben, um ihre Bauern zu schützen. Die Maßnahme war moderat, stieß aber bei den Regierungen des Nordens nicht auf Wohlgefallen. Der Internationale Währungsfonds (IWF), der von den reichen Ländern dominiert wird und über die Kreditwürdigkeit von Entwicklungsländern wacht, redete der ghanaischen Regierung streng ins Gewissen. Weniger als einen Monat war das Gesetz in Kraft, da senkte die Regierung den Zoll wieder auf das alte Niveau, und zwar "nach Konsultation mit den Mitarbeitern des IWF", wie der IWF selbst in einem Schreiben einräumte. Es war nicht das erste Mal, dass der IWF-Ghana unter Druck setzte. Um Kredite aufnehmen zu können, musste die Regierung seit 1983 ihre Unterstützung für die Landwirtschaft immer weiter reduzieren, Dienstleistungen privatisieren und ihre Märkte öffnen.

Ähnliche Entwicklungen wie in Ghana zeigen auch die Fallstudien in Honduras und Indonesien auf. Alle drei Länder wurden in den 1990er Jahren durch die Bretton Woods Organisationen zur Öffnung der Märkte gedrängt und von Importfluten heimgesucht; die heimischen Bauern wurden von ihren Märkten verdrängt. Das Recht auf Nahrung wurde in allen drei Fällen verletzt. Marktöffnung war freilich nicht der einzige Faktor. Naturkatastrophen und schlechtes Katastrophenmanagement verschlimmerten die Situation in Honduras und Indonesien. Fatal ist zudem, dass alle drei Regierungen im Zuge von Strukturanpassungsmaßnahmen die Unterstützung für die Landwirtschaft massiv abgebaut hatten, während die Regierungen im Norden Produktion und Exporte von Reis munter weiter subventionierten und die Preise in den Keller treiben konnten.


Der Autor ist Handelsreferent von FIAN-Deutschland und Koordinator der Reisstudien.

Die Auswirkungen der Liberalisierung des Reismarkts auf das Recht auf Nahrung - Fallstudien zu Ghana, Honduras und Indonesien. Armin Paasch (Ed.), Frank Garbers und Thomas Hirsch; FIAN in Zusammenarbeit mit Globales Ökumenisches Arbeitsbündnis und Brot für die Welt, Oktober 2007.
Die Studie kann als pdf-Datei kostenlos heruntergeladen werden unter:
www.fian.de/fian/downloads/pdf/agrar/Reisstudie10-2007.pdf


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2007, S. 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2008