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BERICHT/210: Transgenes Saatgut versus Anbaumethoden für zukunftsfähige Entwicklung (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Technik mit begrenztem Nutzen
Transgenes Saatgut versus Anbaumethoden für zukunftsfähige Entwicklung

Von Ute Sprenger


Aus Sicht der Befürworter ist der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft angesichts des Klimawandels für die zukünftige Versorgung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen unverzichtbar. Eine aktuelle Analyse des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) macht jedoch deutlich, dass diese Anbaumethode gerade Entwicklungsländern wenig zu bieten hat. Die Studie basiert auf vier Länder-Gutachten zu Brasilien, Chile, China und Costa Rica.


Im vierzehnten Jahr der kommerziellen Nutzung transgener Pflanzen bleibt deren Anbau weltweit zwar auf eine handvoll Länder und im wesentlichen auf vier Pflanzenarten beschränkt. Nichtsdestotrotz ist die Kontroverse über diese Technik hitzig wie eh und je. Eine lautstarke Lobby aus Industrie und Wissenschaft feiert alljährlich die Bilanzen der Gentechnik auf den Äckern. Gleichzeitig wird aber bedauert, dass deren Potenzial zur Bekämpfung von Hunger und Armut nicht ausgeschöpft werde. Vor allem Zulassungs- und Anbauauflagen hätten größere Entwicklungserfolge verhindert. Doch gerade hinsichtlich der biologischen Sicherheit spielt die Frage einer am Vorsorgeprinzip orientierten Regulierung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) eine ebenso wesentliche Rolle wie die gesellschaftliche Partizipation an Entscheidungsprozessen. Beides ist Bestandteil und Anliegen des Cartagena-Protokolls über biologische Sicherheit, eines völkerrechtlich bindenden Abkommens, das Mindeststandards für den grenzüberschreitenden Umgang mit GVO setzt.

Nicht mit schnellen Antworten, dafür aber faktenreich kommt ein neuer Bericht zur Gentechnik des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) daher. Für die Studie wurden die Erfahrungen beim Anbau transgener Nutzpflanzen in den vier Schwellenländern Brasilien, Chile, China und Costa Rica untersucht. Länder also, wo derartige Kulturen seit etlichen Jahren schon im Freiland zum Einsatz kommen.

Entsprechend ihrer politischen Entwicklung und gesellschaftlichen Dynamik zeigen sich in den vier Beispielländern durchaus unterschiedliche Erfahrungen. So dominieren in den drei lateinamerikanischen Staaten, anders als in China, die transnationalen Saatgut- und Agrochemieunternehmen diesen Sektor. Verschieden intensiv und kontrovers ist auch der Verlauf der gesellschaftlichen Debatten über den Nutzen und die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen der Agrogentechnik. Verglichen mit China und Chile fordert etwa die Zivilgesellschaft in Brasilien und Costa Rica bei der Frage um die Entwicklung und Nutzung dieser Technik deutlich vernehmlicher Transparenz und Teilhabe.

In Costa Rica, wo sich unbemerkt von der Öffentlichkeit bereits seit 1991 eine Vermehrungsindustrie für transgene Saaten etabliert hat, setzte die gesellschaftliche Debatte darüber erst vor gut sieben Jahren ein, und zwar mit der aufkommenden Kontroverse um den regionalen Freihandelsvertrag mit den USA (CAFTA). Inzwischen verknüpfen ländliche Menschenrechtsgruppen und kritische WissenschaftlerInnen ihre Kritik am Einsatz der Agrogentechnik mit der Frage der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. So fordern sie unter anderem die Abkehr von der Exportorientierung des Agrarsektors. Die Agrobiotech-Konzerne und forschenden Institute hält dieses Mehr an Aufmerksamkeit allerdings bis dato nicht davon ab, ihre transgenen Saaten für den Weltmarkt in Costa Rica weiterhin ohne entsprechende Risikoeinschätzung und ohne adäquate Kontrollen zu erproben und zu vermehren.

Als Fazit aus der Gesamtschau der vier Länderfallstudien kommt das TAB zu der nüchternen Erkenntnis, dass die Gentechnik in Entwicklungs- und Schwellenländers gegenwärtig von begrenztem Nutzes sei, was etwa das Spektrum der Pflanzenarten, der Sorten und Eigenschaften angeht. Für echte Aussagen zu bisherigen sozioökonomischen Effekten - etwa hinsichtlich Erträgen, Gewinnen, Gewinnverteilung sowie Risiken - sei die Datenlage zu schwach. Als zentrale Aufgabe der Politik sieht das TAB nicht etwa die Förderung der Suche nach gentechnischen "Superpflanzen". Man plädiert stattdessen für eine Problemorientierung bei der Suche nach zukunftsfähigen Anbaumethoden und Agrartechnologien: "So wäre mit Bezug auf die Folgen des Klimawandels und Probleme der Wasserverfügbarkeit oder sonstige Stressfaktoren zunächst einmal nach den vorhandenen und absehbaren landwirtschaftlichen Herausforderungen insgesamt zu fragen und erst dann nach Wegen einer möglichen bzw. nötigen Anpassung der Anbaumethoden."


Ute Sprenger, Soziologin, arbeitet als freie Autorin, Bildungsreferentin und Gutachterin der internationalen und regionalen Zusammenarbeit; sie ist Autorin der TAB-Länderfallstudie zu Costa Rica.
http;//home.snafu.de/usp


Der TAB-Bericht "Transgenes Saatgut in Entwicklungsländern - Erfahrungen, Herausforderungen, Perspektiven" als PDF zum Download:
http://www.tab.fzk.de/de/arbeitsberichte.htm


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2010, März 2010, S. 10
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2010