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BERICHT/225: Ländliche Entwicklung neu gedacht (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Ländliche Entwicklung neu gedacht
Ein Kommentar zum neuen Konzept zur ländlichen Entwicklung des Entwicklungsministeriums

Von Roman Herre


Im aktuellen Entwurf (Stand 4. November 2010) der neuen Strategie zur ländlichen Entwicklung (Konzept zur Entwicklung ländlicher Räume und ihr Beitrag zur Ernährungssicherung) ist Ernährungssouveränität ein Kernanliegen des Entwicklungsministeriums (BMZ). Das lässt aufhorchen. Schaut man jedoch das Konzept durch, bekommt man den Eindruck, dass dieser Begriff vor allem dafür missbraucht wird, eine Mitverantwortung der Bundesregierung kategorisch auszuschließen. Aber der Reihe nach.


Ländliche Entwicklung als Schlüsselbereich

Positiv zu bewerten ist das deutliche Bekenntnis, ländliche Entwicklung zu einem Schlüsselbereich der Entwicklungshilfe auszubauen. FIAN hat sich seit vielen Jahren für diesen Fokus eingesetzt. Auch für die Bundesregierung ist damit der ländliche Raum ein "Schlüsselraum" für Entwicklung und Hungerbekämpfung. Das Leitbild hinter dieser Entwicklung ist jedoch weit entfernt von einer gezielten Unterstützung der von Hunger bedrohten und betroffenen Menschen.


Ernährungssouveränität à la BMZ

Subsistenz wird undifferenziert und ideologisch beladen abgetan als Klotz am Bein der KleinbäuerInnen. Dabei ist es gerade die Teilsubsistenz, die in Zeiten der Not diesen Gruppen das Recht auf Nahrung sichert. Das neue Hauptmenü im Konzept ist der Freihandel. Negative Auswirkungen werden nicht angesprochen und auch die Verantwortung der EU - Stichwort Dumping - wird ausgeblendet. Ernährungssouveränität - ein Begriff, den das Kleinbauernnetzwerk La Via Campesina geprägt hat - wird missbraucht, um die darin enthaltene demokratische Kontrolle des Ernährungssystems zur Eigenverantwortung nationaler Regierungen zusammen schrumpfen zu lassen.


Nix zu verkaufen: Marktzugang schaffen

Märkte sind wichtig, aber zuallererst die lokalen. Hier haben Armutsgruppen direkten Zugang. Diese sind für die lokale Versorgung mit Nahrungsmitteln entscheidend. Sie stärken damit Ernährungssicherung im ländlichen Raum. Leider verpasst das Konzept, diese herausragende Rolle der lokalen Märkte zu unterstreichen. Gleichzeitig soll der Marktzugang zu regionalen und internationalen Märkten als Schlüssel zur Entwicklung dienen. Grundsätzlich hilft es jedoch den KleinbäuerInnen wenig, wenn sie Marktzugang haben, aber wegen zu wenig Land oder mangelnder Unterstützung nicht für den Markt produzieren können. In diesen Bereichen sieht das BMZ keinen Handlungsbedarf.


Einbahnstraße Verantwortung

Menschenrechte, Transparenz, Verantwortung und Rechenschaftspflicht werden als Schlagwort reichlich über den nationalen Regierungen ausgeschüttet. Gleichzeitig wird betont, dass die internationale Staatengemeinschaft und Geberländer wie Deutschland keine Mitverantwortung tragen. Dabei schreibt der Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte diese Mitverantwortung den Geberländern ins Stammbuch.

Roman Herre ist Agrarreferent bei FIAN Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2010, November 2010, S. 17
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2011