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EUROPA/017: Landkonzentration und Landgrabbing in Osteuropa (FoodFirst)


FoodFirst Ausgabe 2/2016
FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin. Für das Menschenrecht auf Nahrung

Landgrabbing vor unserer Haustür
Landkonzentration und Landgrabbing in Osteuropa.
Die Rolle österreichischer Unternehmen


Drei Prozent der Grundbesitzer kontrollieren die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen in Europa. Diese "Landeliten" werden im Rahmen der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) aktiv durch öffentliche Gelder gefördert. Bäuerinnen und Bauern profitieren kaum, ganz im Gegenteil. Kleinbäuerliche Betriebe erhalten immer weniger Förderungen und werden zunehmend verdrängt. Besonders in Osteuropa schreiten Landkonzentration und Landgrabbing rapide voran.


Rumänien: Bonanza für neue Großgrundbesitzer

"Durch die internationale Jagd nach Land sind Millionen KleinbäuerInnen in ihrer Existenz bedroht, und junge Bauern werden in die Auswanderung gedrängt. Das muss ein Ende haben", so Attila Szocs von Ecoruralis, einem KleinbäuerInnen-Netzwerk in Rumänien. Mit immer weniger Land und ohne die dicken Subventionszahlungen aus Brüssel sind die KleinbäuerInnen oft nicht konkurrenzfähig und der Verkauf des Bodens bleibt als einzige Option. Trotz noch bestehender gesetzlicher Hürden befinden sich in Rumänien bereits 700.000 Hektar Agrarland in den Händen transnationaler Unternehmen. Lokale mittlere und kleine Betriebe haben beim Landkauf das Nachsehen. Rumänische Zwischenhändlerinnen kaufen Land parzellenweise auf und üben Druck auf die Landbevölkerung aus, die mit der Situation oft überfordert ist. Ist das Land dann erst zu einem Puzzle zusammengefügt, geht der Boden nicht selten zum zehnfachen Preis an internationale Firmen. Die Aussicht auf EU-Agrarsubventionen unterstützt diese Entwicklungen. Die Hälfte der rumänischen EU-Agrarsubventionen in 2012 wurde von nur einem Prozent der Höfe bezogen, die jeweils über 500 Hektar groß sind.


Serbien: Entwicklungsgelder für Großkapital

Im Gegensatz zu vielen seiner Nachbarländer treibt Serbien die Liberalisierung des Landmarkts sehr aktiv voran. In manchen Fällen versuchten KleinbäuerInnen mit Zusammenschlüssen, der Konkurrenz durch Großgrundbesitzerinnen standzuhalten und Staatsland in ihrer Gegend zu pachten. Das führte zu Konflikten bei öffentlichen Auktionen. Vertragspartner des österreichischen Unternehmens Advance Management bewirtschaften in Serbien bereits eine Gesamtfläche von 100.000 Hektar. Dort wird von vorwiegend großen privaten und staatlichen Betrieben über Vertragsanbau Weizen, Mais- und Sonnenblumensaatgut produziert. Die vier größten serbischen Landeigentümer besitzen zusammen mehr als 100.000 Hektar Land. Einer von ihnen ist die MK Group mit 24.000 Hektar, die ihre Fühler bereits in die Ukraine ausgestreckt hat und dort in weitere 40.000 Hektar Land investiert.

"Serbien erwirtschaftet die höchsten Profite über den Export von landwirtschaftlichen Produkten, aber gleichzeitig leiden in Serbien Menschen an Hunger. Solange das so ist, bedeutet das, dass die Dinge gegen jegliche Vernunft organisiert sind. Die lokale Bevölkerung muss die Kontrolle über ihre natürlichen Ressourcen und die darauf erwirtschafteten Profite haben und diese müssen gerecht innerhalb der Bevölkerung verteilt werden, anstatt der Geschäftemacherei einer kleinen Gruppe von Personen zu dienen", so Milenko Sre kovi von Pokret za Slobodu - einer serbischen Arbeiterinnen- und KleinbäuerInnen-Organisation.


Ungarn: Kleinbauern verdrängt

Nach Schätzungen des österreichischen Landwirtschaftsministeriums bewirtschaften rund 200 österreichische Betriebe 200.000 Hektar Land in Ungarn, das sind vier Prozent der ungarischen Agrarfläche. In einigen Dörfern nahe der österreichischen Grenze wurden bereits 80 Prozent des Agrarlandes aufgekauft oder verpachtet. Die Landkonzentration bedingt soziale Spannungen in den ländlichen Regionen Ungarns. Die Anzahl der Bauern und Bäuerinnen sinkt rapide, Dörfer werden verlassen, die bäuerliche Bevölkerung überaltert zusehends. Die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln wird mehr und mehr zerstört. Landinvestitionen werden in Ungarn aber nicht nur von ausländischen Investoren vorangetrieben. Nationale Oligarchen haben in den letzten zwei Jahrzehnten enge Beziehungen zu Ungarns politischer Elite aufgebaut und sich große Landflächen und die damit einhergehenden EU-Agrarsubventionen angeeignet.

Der EU-Beitritt Ungarns und Rumäniens beinhaltete die Verpflichtung der Liberalisierung des Landmarktes. Das bedeutet auch die Öffnung des Landmarkts für ausländische Käuferinnen. Zusammen mit dem Fehlen staatlicher Hilfe für kleine und mittlere bäuerliche Betriebe und den diskriminierenden Subventionszahlungen trägt das zu Landgrabbing und zur steigenden Konzentration von Landeigentum bei. Der Zugang zu Land ist auch in Europa eine menschenrechtliche Angelegenheit, denn ein Teil der europäischen Bevölkerung ist für seine Lebensgrundlage auf direkten Zugang zu Land angewiesen. Die Verwaltung von Land muss auch in Europa auf die nachhaltige Produktion von gesunden Nahrungsmitteln für die Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung und anderer Menschenrechte abzielen, anstatt auf die Profite einiger weniger machtvoller Akteure.

FIAN Österreich, 2014: "Landkonzentration und Land Grabbing in Osteuropa. Die Rolle österreichischer Unternehmen" http://fian.at/de/artikel/land-Grabbing-Osteuropa/

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Quelle:
FoodFirst - FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für
das Menschenrecht auf Nahrung, Ausgabe 2/2016, Seite
Herausgeber: FIAN Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2016

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