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ASIEN/037: Nepal - Der König verläßt seinen Palast ...


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 02/08

Nepal: Der König verlässt seinen Palast -
Doch wer nimmt jetzt die Macht ein?
Die Einhaltung der Menschenrechte ist bisher nicht gewährleistet

Von Peter Tachau


Viele Gründe gibt es, nach Nepal zu reisen, bislang konnten die Reisenden sie leicht aufzählen. Die majestätische Himalaja-Kette zum Beispiel. Und für die, die Fremdes lieben, bietet sich der Hinduismus in einer Erscheinungsfülle, die ihresgleichen sucht: Opferriten, Götterdarstellungen, Leichenverbrennungen. Aber es gibt auch Dinge, die eine kritische, internationale Aufmerksamkeit erfordern. In den letzten fünf Jahren haben sie sich mit Macht nach vorne gedrängt. Neben den Kindern in der Teppich-Industrie und den Staudamm-Projekten ist es vor allem die maoistische Aufstandsbewegung, die innerhalb kürzester Zeit ein Potential entwickeln konnte, das die traditionsreiche Monarchie das Fürchten gelehrt hat. Und wie wir heute wissen, nicht nur das Fürchten, sondern auch die Flucht aus dem Königspalast.


pbi-Mitarbeiter Raphael Hampf in Nepal meint: "Trotz der positiven Meldungen ist es naiv zu glauben, der Konflikt sei beendet. Der eigentliche Kampf um die Macht hat erst durch den Wahlsieg der Maoisten am 10. April begonnen. Seitdem ist die Situation sehr fragil. Denn mit der Vertreibung des Königs fiel auch die das Land einende Institution des Königshauses weg, noch bevor sich die verfassunggebende Versammlung auf einen Präsidenten einigen konnte."

Die Unwägbarkeiten für die Zukunft sind in der Tat immens. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und amnesty international haben sie sehr konkret formuliert. Und auch für pbi gibt es keinen Zweifel, dass unser junges Engagement in diesem Land am Rande der Welt nicht so schnell beendet werden darf. Die Gründe sind schnell aufgezählt: Ein neues Nepal, das sich aus der Monarchie und einer blutigen Spur der maoistischen Aufstandsbewegung lösen will, muss Menschenrechte ernst nehmen. Das gilt naturgemäß für alle politischen Kräfte: die alten Parteien, die verloren haben; die Maoisten, die viele Sitze in der verfassunggebenden Versammlung gewonnen haben; die Armee, die gegen die Aufständischen gekämpft hat; die Polizeikräfte in den Provinzen.

Ein Versöhnungsplan sollte entworfen werden, der eine landesweite Zustimmung findet, denn nahezu alle Konfliktparteien haben gefoltert, vergewaltigt, verschleppt, getötet. Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Mit einer Wahrheits- und Versöhnungskommission, wie sie in Nepal derzeit diskutiert wird, scheint ein guter Anfang gemacht zu sein. Doch sollten dabei internationales Recht und Nepals Verpflichtungen dazu berücksichtigt werden. Das Kastenwesen und ethnische Herkunft spielen immer noch eine große Rolle. Daher muss in Zukunft noch ungleich stärker auf die Rechte der ethnischen Minderheiten Rücksicht genommen werden. Die Maoisten stehen vor einer großen Bewährungsprobe, denn ein Vergleich mit den Maoisten im Nachbarstaat China lässt nichts Gutes ahnen.

Die Reform der Sicherheitsapparate und die von den Maoisten geforderte Integration der ehemaligen Kämpfer in die nepalesische Armee sind Probleme, für die es bislang keine Lösung gibt. Allein 20.000 Ex-Kombattanten der maoistischen Guerillaarmee PLA leben seit 15 Monaten in Lagern. Die größte Herausforderung jedoch liegt zweifellos im Tiefland des Terai. Dort haben sich militante bewaffnete Gruppen formiert, meist Abspaltungen von regionalen maoistischen Unterorganisationen. Einige von ihnen schüren bewusst die Spannungen zwischen den indischstämmigen Teraibewohnern, den Madhesi, und den vor Generationen aus den Bergen zugewanderten ethnischen Gruppen, den Pahadi.

Die Frauenrechte sind ebenfalls ein dringliches Thema. Seit Jahrhunderten haben Frauen in Nepal einen niedrigen Status. Sie werden in vielen gesellschaftlichen Bereichen wie in Bildung, Beruf und Erbrecht diskriminiert und benachteiligt. Nennenswerte Rechte kannten sie bislang nicht. Von daher ist es schon ein großer Schritt, wenn von den 601 Sitzen in der verfassunggebenden Versammlung 200 von Frauen gewonnen sind.

"Nepal befindet sich mitten in einer totalen Transformation!" schreibt der aus Indien stammende pbi-Mitarbeiter Raghu Menon in Nepal.

Es gibt folglich weiterhin viele Gründe, das Land am Rand der Welt auch zukünftig schützend zu begleiten und kritisch zu beobachten. - pbi


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Quelle:
pbi Rundbrief 02/08, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2008