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BERICHT/051: Gender Mainstreaming - "Alter Hut" oder neue Herausforderung


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 02/08

Gender Mainstreaming
"Alter Hut" oder neue Herausforderung für die Friedensarbeit?

Von Nicole Bongard / Suhela Behboud


"Gender Mainstreaming" ist ein Thema, das zunehmend diskutiert wird. Doch was verbirgt sich dahinter und welche Rolle spielen Geschlechterfragen für die Friedensarbeit? Der nachfolgende Text und das Interview mit Katharina Meier "Tradierte Rollen hinterfragen" geben eine kurze Einführung in die Thematik und stellen die Arbeit von pbi zu "Gender Mainstreaming" vor. Der Gastbeitrag von Ute Scheub "Frauen als Friedenstifterinnen - Frauen verhandeln anders" beschreibt die spezifische Rolle von Frauen in der Friedens- und Versöhnungsarbeit.


"Gender Mainstreaming", was soviel wie "Gleichstellungspolitik" bedeutet, ist eine Methode, mit der Geschlechterrollen und Geschlechterungerechtigkeiten erkannt und verändert werden sollen. Der Begriff wurde 1984 auf der 3. UN-Weltfrauenkonferenz in Nairobi das erste Mal diskutiert und ist inzwischen, zumindest für die Länder der Europäischen Union, durch den Amsterdamer Vertrag von 1997 rechtsverbindlich geworden. Gendersensibles Handeln beinhaltet eine konstruktive (Selbst-)Reflexion und einen Austausch über traditions- und kulturbedingte Weiblichkeits- und Männlichkeitsbilder sowie Stereotypen von Geschlechterrollen und Rassismen.

Bewaffnete Konflikte haben für Frauen und Männer überall verheerende Auswirkungen. Allerdings sind Frauen in immer stärker werdendem Maß von Kriegen betroffen. Im Laufe der letzten Jahrhunderte ist die Zahl der zivilen Opfer dramatisch gestiegen. Waren es im 1. Weltkrieg noch 10 % aller Toten, so sind es in den modernen Konflikten über 80 %. In der Mehrzahl sind es Frauen und Kinder.

Physische und sexualisierte Gewalt nehmen in Krisengebieten drastisch zu. (Massen)Vergewaltigungen sind zu Kriegsstrategien geworden und haben häufig ungewollte Schwangerschaften zur Folge, Die Zunahme von Prostitution in Konfliktgebieten ist allgemein bekannt. Frauen sind aber nicht nur Opfer. Sie nehmen auch aktiv an den Kriegshandlungen teil, kämpfen in der Armee oder in der Guerilla. Es geschieht immer wieder, dass sie als Überlebensstrategie sexuelle Beziehungen mit Kämpfern der gegnerischen Seite eingehen, um damit ihr eigenes Leben oder das ihrer Kinder zu retten. Häufig werden diese Frauen in der Folge diskriminiert und aus der Gemeinschaft ausgestoßen. All dies ist bekannt, wird aber von humanitären und internationalen Organisationen bislang viel zu wenig berücksichtigt.


pbi und die Gender-Thematik

Um den unterschiedlichen Bedürfnissen, die aufgrund der Geschlechterrollen aufkommen, gerecht zu werden, beschäftigt sich pbi seit einigen Jahren verstärkt mit dem Thema "Gender". Gerade für die Arbeit in Konfliktgebieten ist ein gendersensibler Ansatz äußerst wichtig. In Konflikt- und Krisensituationen sind Frauen und Männer durch ihre Geschlechterrollen unterschiedlich betroffen und entwickeln somit auch eigene Schutzmechanismen. pbi entwickelt deshalb beispielsweise Trainingseinheiten, die sich speziell an weibliche Menschenrechtsverteidigerinnen richten. In der Konfliktanalyse ist es wichtig, genderspezifische Fragestellungen einzubeziehen. Die gemachten Erfahrungen und die entwickelten Methoden sollen dann entsprechend dokumentiert werden, damit sie an die zukünftigen Friedensfachkräfte weitergegeben werden können.

Im Jahr 2007 wurde mit finanzieller Hilfe des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) das Gender-Mainstreaming-Projekt gestartet. Ziel dieses Projektes ist es, in allen Bereichen bei pbi das Rollenbewusstsein von Mann und Frau zu stärken, um geschlechtsbezogene Diskriminierungen und Stereotype zu überwinden und Chancengleichheit zu garantieren. Das soll in den Freiwilligenteams ebenso wie in den deutschen Arbeitsgruppen geschehen. Denn nur wenn die Freiwilligen über die jeweiligen Rollen von Mann und Frau im Einsatzland informiert sind, können sie gendersensibel handeln. - pbi


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Neue UN-Resolution gegen sexuelle Gewalt

Der UN-Sicherheitsrat hat ein Ende der sexuellen Gewalt gegen Frauen und Männer bei bewaffneten Konflikten gefordert. Im Juni wurde in New York einstimmig die Resolution 1820 verabschiedet, in der alle Kriegsparteien aufgefordert werden "sofort jegliche Form von sexueller Gewalt gegen Zivilisten einzustellen und Maßnahmen zum Schutz zu ergreifen." Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt können damit als Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit geahndet werden.


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Quelle:
pbi Rundbrief 02/08, S. 8
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2008