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ARTIKEL/338: Mahnen, protestieren, demonstrieren, blockieren in Büchel (ZivilCourage)


ZivilCourage - Nr. 5 / 2018
Magazin der DFG-VK

Mahnen, protestieren, demonstrieren, blockieren in Büchel
Resümee der 20 Protestwochen von März bis August am Atomwaffenstandort in der Eifel

Von Marion Küpker


Vom 26. März bis zum 9. August mahnten, protestierten und blockierten - im dritten Jahr in Folge - über 2000 Menschen aus ca. 50 Friedensgruppen und Organisationen mit und ohne zivilen Ungehorsam am und im Atomwaffen-Stützpunkt Büchel. Unsere Aktionspräsenz stand in diesem Jahr im Sternenlicht des Friedensnobelpreises, den auch wir als Teil des Ican-Netzwerkes (International campaign to abolish nukes) miterhalten haben. Die rheinland-pfälzischen Medien berichteten gleich zum Auftakt und auch zum Ostermarsch spürbar ausführlicher über unser Ansinnen.

Ablauf der Proteste und Verhalten der Polizei. Die ersten Gruppen mahnten und blockierten meist wieder in noch höherer Personenanzahl und viel selbstsicherer als in den Jahren zuvor. Die Polizei verhielt sich sogar noch zurückhaltender, als sie es bereits im letzten Jahr getan hatte; offensichtlich hatte sie Absprachen mit der Bundeswehr getroffen: Erst wenn keines der drei wichtigen Zu- bzw. Ausfahrtstore mehr offen war, wurde die Polizei zum Freimachen für ein Tor gerufen; dafür brauchte sie allerdings bis zu einer Stunde Anfahrtszeit. Somit wurden die Autos der SoldatInnen eigenständig von der Bundeswehr zu dem jeweils noch offenen Tor umgeleitet, auch innerhalb der Militärbasis bei Feierabend-Ausfahrtsblockaden.

Die Polizei arbeitete gegenüber den BlockiererInnen wieder einmal mit der Androhung horrender Strafen, die die AktivistInnen zahlen müssten, wenn wichtige Lieferungen zurückgehen sollten. Auch würde sie dieses Jahr das Fotografieren in den Haupteingang und damit in den militärischen Sicherheitsbereich hinein ernsthaft strafrechtlich verfolgen wollen. Darauf angesprochen, dass sie das auch in den letzten Jahren, allerdings dann folgenlos, angekündigt hätte, reagierten sie verärgert, nahm aber wieder keine Personalien auf. Letztlich gibt es jetzt nach über 20 Jahren Proteste in Büchel immer noch kein einziges Bußgeld oder Verfahren für reines Blockieren oder Fotografieren.

Mit der IPPNW- und Ican-Woche (Internationale Ärzte-Organisation zur Verhütung des Atomkrieges) begann Anfang Juni das zweimonatige Aktionscamp am Haupttor. Das Blockieren und Mahnen setzte sich wie gewohnt fort, aber es gab auch immer wieder Go-in-Aktionen in den abgesperrten Parkplatzbereich der Bundeswehr. Die Polizei trug dann die BlockiererInnen sanft auf den außen liegenden Seitenstreifen der Wiese und nahm die Personalien auf, manchmal machte sie dort auch Fotos. Niemand wurde mit zur Polizeiwache ins 16 Kilometer entfernte Cochem gebracht. Die PolizistInnen sprachen dann in der Regel einen allgemeinen Platzverweis für die Straße vor den Toren für die kommenden 24 Stunden aus, um damit zu gewährleisten, dass sie nach ihrer Abfahrt nicht gleich wieder kommen müssen. Der Platzverweis hätte dazu führen können, dass bei wiederholter Blockade die bereits notierten AktivistInnen mit zur Wache genommen worden wären. Ich erinnere nur einen Fall im März 2017, als AktivistInnen des Jugendnetzwerkes für politische Aktionen (JunepA) für wenige Stunden ins 60 Kilometer entfernte Koblenz gebracht wurden.

Erstmalig kamen dieses Jahr über 600 Menschen aus sieben evangelischen Landeskirchen zu einem ökumenischen Gottesdienst mit dem Friedensbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Pastor Renke Brahms. Dieser "Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens" fand bewusst am 7. Juli statt, dem Tag, an dem genau vor einem Jahr 122 Staaten den Text des Atomwaffen-Verbotsvertrages beschlossen hatten.

Bereits 2017 verurteilte der Papst die Länder, wie Deutschland, die sich nicht aktiv für den Verbotsvertrag einsetzten, und auch der Bischof von Trier nahm 2017 hiernach an unseren Protesten in Büchel teil. Für die OrganisatorInnen des christlichen Protests ist klar, dass diese Mobilisierung sich in den kommenden Jahren fortsetzen soll.

Die Verbindung der Kämpfe der 1980er Jahre gegen den Nato-Doppelbeschluss, als kirchliche Gruppen ein wichtiger Teil der Friedensbewegung waren, mit der aktuellen Atomkriegs-Gefahr wird so hergestellt, und viele versprachen, mit noch mehr Menschen in den nächsten Jahren wiederzukommen. Für die Akzeptanz unserer Proteste in der regionalen Bevölkerung ist die Unterstützung der Kirchen sehr wichtig. Damit ist uns dieses Jahr ein großer Fortschritt gelungen!

Go-ins: 27 Mal schnitten AktivistInnen sich durch die Zäune. Direkt im Anschluss an die Veranstaltung der mahnenden ChristInnen startete das internationale Camp mit einer neunköpfigen US- und einer achtköpfigen holländischen Catholic Workers-Delegation sowie jungen Menschen aus Italien, Spanien, Frankreich, Russland, Belgien, Österreich, Großbritannien...

Obwohl die militärischen Verantwortlichen nach der "skandalösen" Go-in-Aktion 2017, bei der fünf Aktive auf einem der Atombunker saßen, erklärt hatten, sie wollten das militärische Sicherheitskonzept überarbeiten, schafften es jetzt fünf Gruppen wieder unbemerkt in den Sicherheitsbereich. Von diesen insgesamt 18 Personen gelangten einige zur Landebahn, und drei Aktive auf einen, sogar neu eingezäunten Atombunker.

Auch sieben Quäker und Christen gelangten wenige Tage darauf auf die Landebahn und verzögerten einen Tornado-Start, nachdem sie selbst die Militärbasis telefonisch über ihren "Aufenthalt im Inneren" informiert hatten.

Und auch am Hiroshima-Gedenktag wagten sich zwei US-AmerikanerInnen erfolgreich auf einen weiteren eingezäunten Atombunker im südlichen Teil der Militärbasis. Damit konnte unser Anliegen auch Eingang in die überregionale und die internationale Presse finden.

Bisher führten Go-in-Aktionen in den vergangenen 20 Jahren immer zu Anklagen wegen Hausfriedensbruchs und teilweise wegen Sachbeschädigung, falls auch der Zaun durchschnitten wurde. Die Höhe der Geldstrafen für Nicht-Vorbestrafte belief sich auf max. 40 Tagessätze, es gab aber auch Verfahrenseinstellungen.

Erstmalig 2017 gab es keine Strafbefehle für eine Go-in-Aktion einer 30-köpfigen Gruppe am 16. Juli. Nur der einzige deutsche Teilnehmer an einer Atombunker-Besetzung am 17. Juli 2017, die er mit vier US-AmerikanerInnen durchführte, wurde angeklagt. Mitte Januar 2019 soll seine Berufungsverhandlung in Koblenz sein. Jetzt im Juni haben seine US-MitstreiterInnen bei der Staatsanwaltschaft in Koblenz gegen die Einstellung ihrer Verfahren protestiert, worüber in den Medien gut berichtet wurde. Anscheinend versucht die Staatsanwaltschaft, internationale AktivistInnen aus Prozessen rauszuhalten. Dagegen gibt es nun eine eigene Prozessstrategie.

Ganz aktuell schickt nun die Bundeswehr, und nicht die Staatsanwaltschaft, Anhörungsbogen an TeilnehmerInnen der Aktion am 16. Juli 2017, denen sie fälschlicherweise eine Ordnungswidrigkeit zur Last legt, die zudem auch bereits verjährt wäre. Es handelt sich dabei also nicht um Strafbefehle und auch noch nicht um Bußgeldbescheide.

Mein Eindruck ist: Die Bundeswehr will Verwirrung stiften, nachdem sie die Proteste nicht eindämmen konnte. Weiterhin gibt es noch die Prozesskampagne Wider§spruch von JunepA des Go-ins aus 2016, die den Zivilen Ungehorsam in Büchel durch die gerichtlichen Instanzen rechtfertigt!

Reaktionen in der Region. Die AnwohnerInnen brachten in diesem Jahr noch mehr ihre Sympathie für unsere Aktionen zum Ausdruck. Vergünstigungen bei Einkäufen und immer wieder Zustimmungsäußerungen, begrüßendes Hupen besonders stark nach Aktionen - es gab früher ein Schild: "Bitte hupen, wenn Sie für den Abzug der Atombomben sind!" - und viele Daumen der AutofahrerInnen, die nach oben zeigen!

Natürlich gibt es gerade aus der CDU auch mit dem Militär verbandelte AnwohnerInnen, die Atombomben befürworten bzw. unsere Proteste als Stigmatisierung der Bundeswehr empfinden. Mitte September schrieb die Rheinzeitung, dass der CDU-Verbandsgemeinderat Ulmen, die CDU-Ortsverbände Lutzerather Höhe und Ulmen mit dem Ulmener Bürgermeister das "Thema Büchel" auf die Ratssitzung bringen wollen. Ihr Ziel ist es, ein Zeichen für den angeblich friedensstiftenden Dienst der Bundeswehr zu setzen und die Demonstrierenden von den EinwohnerInnen räumlich trennen zu wollen. Hierfür sind sie sich nicht zu schade zu behaupten, die Blockaden würden kontinuierlich verhindern, das die umliegende Bevölkerung rechtzeitig zur Arbeit kommt. Das neue Verkehrskonzept der Polizei hingegen ermöglicht, dass - bis auf zwei Ausnahmen in den 20 Wochen - nur der Militärverkehr blockiert wurde. Andersherum sind es gerade die CDU-Abgeordneten, die sich weigern, den Atomwaffen-Verbotsvertrag zu unterzeichnen, wozu Ican die Abgeordneten der Parteien auffordert.

Es ist also an der Zeit, dass auch die Menschen in der Region, z.B. mit Aufklebern oder gelben Holzkreuzen im Garten, offen ihre Atombomben-Ablehnung zeigen, wie es erstmalig beim Karneval an der Mosel dieses Jahr von jungen Menschen geschehen ist.

Was passiert 2019. Da frühestens 2020 die "einsatzfähige" B61-12-Atombombe in den USA in Produktion gehen soll, hat das kommende Jahr eine besondere Bedeutung: Mit Aktionen Zivilen Ungehorsams in Büchel wollen wir den Druck auf die Regierung erhöhen. Wir wollen keine neuen Atombomben in Büchel! Abrüstung statt Aufrüstung!

Die Selbstverpflichtungserklärung - mindestens einmal im Jahr nach Büchel zu den Protesten zu kommen - wurde bisher von 287 Menschen unterschrieben, weitere 230 Menschen erklärten sich bisher mit unseren Protesten, inklusive dem zivilen Ungehorsam, solidarisch und würden gelegentlich nach Büchel kommen. Dazu solidarisieren sich mehr als 400 Menschen aus dem Ausland.

Mittlerweile haben genug Menschen vor Ort Erfahrung gesammelt und sind bestens über die Kampagne informiert.

Im September trafen sich 34 Aktive zum offenen Strategietreffen des Kampagnenrates Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt! und vereinbarten:

2019 wird es wieder eine 20-wöchige Aktionspräsenz geben, diesmal mit einer "heißen Phase" von voraussichtlich mehreren Wochen im Juli. Möglichst viele Gruppen und Einzelpersonen können so in einem kürzeren Zeitraum zusammenkommen, an dem alle gemeinsam Mahn-, Blockade-, Entzäunungs- und Go-in-Aktionen durchführen, je nachdem, was jede/r für sich verantworten kann. Gemeinsam bereit sein, dieses Mal möglichst für mehrere Tage oder auch Wochen vor Ort zu sein - so können Platzverweise in Kauf genommen werden, die mit mehr Zeitbudget nicht einschüchtern können. In der diesjährigen Aktionspräsenz hatten bereits Gruppen viel Freude an spektrenübergreifenden Aktionen.

Wenn durchschnittlich 200 Menschen in der "heißen Phase" tagtäglich Aktionen Zivilen Ungehorsams machen, könnte dieses den Durchbruch bringen. Bei der Musik-Vollblockade von 2013 waren tagsüber 700 Leute präsent! Wieder wird am 7. Juli (Verbotsvertrag), einem Sonntag, das religiöse Spektrum stark vertreten sein. Am darauffolgenden Wochenende sollen internationale Netzwerktreffen und Podien mit den europäischen Widerstandsgruppen stattfinden; in diesem Jahr waren es die US-Delegierten, die von den B61-12-Produktionstätten aus den USA berichteten. Die internationale Woche wird voraussichtlich länger sein - vom 6. bis 18. Juli -, und der 16. Juli darin wieder der wichtigste Aktionstag (Trinity-Atombombenabwurf). "Die Internationalen" mischten sich dieses Jahr mit den anderen Bezugsgruppen, damit auch sie angeklagt werden müssten. Ich bin gespannt, wieviel Gruppen und Menschen in diesen Zeitraum kommen werden - und hoffe auf viele!

Marion Küpker ist internationale Koordinatorin der DFG-VK gegen Atomwaffen.

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Quelle:
ZivilCourage - das DFG-VK Magazin, Nr. 5 / 2018, S. 4 - 8
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft -
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Redaktion: ZivilCourage - das DFG-VK-Magazin,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2018

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