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SCHIFF IRENE/012: Kommentar von Lillian Rosengarten (Jewish Boat To Gaza)


Jüdisches Boot nach Gaza
29. September 2010 - abends

Worte von Lillian Rosengarten, US-Friedensaktivistin und Passagier an Bord der 'Irene', des 'Jüdischen Boots nach Gaza'.

Ovales Logo: Stilisiertes Segelboot 'Irene' mit einer Friedenstaube als Segel - Text: Jewish Boat To Gaza - Two Peoples One Future
Yosh, es ist mir bis jetzt noch nicht gelungen, Kontakt mit Dir aufzunehmen, da ich gerade erst nach Hause zurückgekehrt bin. Ich habe mich für die Abschiebung entschieden, obwohl ich sehr im Zwiespalt war, Edith dort zurückzulassen. Es war beruhigend für mich, mit dem Vizekonsul der amerikanischen Botschaft in Tel Aviv zu sprechen, der zwei Menschenrechtsanwälte mitgebracht hatte, von denen sich einer mit Edith treffen wollte. Ich war sehr froh zu hören, daß Reuven, Rami, Yonatan und Itamar nach Hause durften. Was für wunderbare Menschen, jetzt liebgewonnene Freunde. Glyn und Vish wurden mit mir zusammen abgeschoben.

Der Prozeß der Deportation war für mich demütigend. Jude gegen Jude, das läuft den Träumen von vor langer Zeit vollkommen zuwider, dem, wie sich unser geliebtes Israel unserer Vorstellung nach hätte entwickeln können. Jener Traum war für mich ein sicherer Hafen, ein Land des Mitgefühls, Toleranz für alle und eine völlig offene Gesellschaft. Ich kann mir vorstellen, daß Israel ein Leitstrahl geworden wäre, dem die Welt hätte folgen können. In diesem Traum gäbe es auch Toleranz für politische Unterschiede. Jetzt sind die Juden traurigerweise untereinander gespalten, und es ist nicht länger ein sicherer Hafen.

Wir vom jüdischen Schiff wurden wie Verräter behandelt und wie Menschen, die man loswerden muß. Wir waren keine "guten Juden", sondern "schlechte Juden", die man abschiebt ohne Erlaubnis, Israel wieder zu betreten. Nur in faschistischen Regimen werden Menschen gezwungen, alle das gleiche zu denken. Ich fühlte mich gedemütigt, als man mich verhaftete. Ich wurde nicht physisch mißhandelt, sondern seelisch, ich habe gelitten.

Es tat mir weh, als der Mensch von der Einwanderungsbehörde mich fragte, ob ich jüdisch sei, nachdem ich ihm erzählt hatte, ich sei ein Naziflüchtling, einer aus der letzten Generation, die die Geschichte noch erzählen kann. Ich sollte beweisen, daß ich jüdisch bin. Wie hätte ich das tun können? Ja, das war ausgesprochen demütigend. Wenn ich das Israel von heute erlebe, schmerzt mich das ungeheuer. Man hat mich abgeschoben aufgrund meiner Menschenrechtsüberzeugungen und gewaltfreien Aktionen. In Haft habe ich mich nicht länger sicher und allein gelassen gefühlt.

Ich glaube nicht einmal, daß es von Bedeutung war, daß ich jüdisch bin. Jetzt werde ich nicht mehr nach Israel reisen dürfen, denn der Kreis von Haß und Furcht setzt sich weiter und weiter fort. Diejenigen von uns, die von einem anderen Israel geträumt haben, können nur weinen.

Umarmungen und Küsse für Eure wunderbare Arbeit und Unterstützung.

Lillian

Lillian Rosengarten, USA, ist Friedensaktivistin and Psychoanalytikerin, aus Nazi-Deutschland geflohen. Sie spricht englisch und deutsch.



Übersetzung aus dem Englischen:
Redaktion Schattenblick

Schriftzug: Jewish Boat to Gaza - Two Peoples One Future

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Quelle:
http://jewishboattogaza.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2010