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APPELL/020: Kampagnenstart - Wir treten ein! Für Flüchtlingsschutz. Gegen Dublin III (Pro Asyl)


Pro Asyl - Presseerklärung vom 15. Januar 2015

Kampagnenstart: Wir treten ein! Für Flüchtlingsschutz - Gegen Dublin III



Heute startet die Kampagne "Wir treten ein! Für Flüchtlingsschutz. Gegen Dublin III". Mit einem Appell an die Bundesregierung fordert PRO ASYL zusammen mit einem Bündnis (siehe Anhang) aus Flüchtlingsräten, kirchlichen Organisationen, Wohlfahrtsverbänden, Richter- und Anwaltsvereinen und Menschenrechtsorganisationen ein Ende der Abschiebung in EU-Staaten, in denen Flüchtlinge Haft, Hunger und Obdachlosigkeit erleiden müssen.

Unterstützt wird der Appell unter anderem von den Toten Hosen, dem Schauspieler Benno Fürmann und dem Sänger Dirk von Lowtzow (Tocotronic).

Die Flucht nach und durch Europa ist für tausende Schutzsuchende eine jahrelange Odyssee, die für sie mit unendlich viel Leid verbunden ist. Die zentrale Ursache dafür ist die so genannte Dublin-Verordnung, die vorsieht, dass das erste EU-Land, das ein Flüchtling betreten hat, für dessen Asylverfahren zuständig ist. Im Ersteinreiseland können Flüchtlinge jedoch oft nicht bleiben, da Schutzsuchende in vielen der EU-Staaten an den Außengrenzen unter Obdachlosigkeit und Elend leiden oder gar inhaftiert werden. Reisen sie weiter, droht die Zurückschiebung in Haft und Elend. Auch immer mehr anerkannte Flüchtlinge, die auf Dauer in der EU bleiben werden, irren jahrelang in der EU umher, ohne jemals anzukommen.

Dagegen regt sich immer mehr Protest. In vielen Städten und Gemeinden intervenieren Bürgerinnen und Bürger, indem sie sich mit den Betroffenen solidarisieren, Petitionen erstellen, Abschiebungen blockieren. Immer öfter werden Flüchtlinge im Kirchenasyl geschützt. Die Kampagnenseite www.wir-treten-ein.de bietet den zahlreichen lokalen Initiativen eine interaktive Plattform mit Aktionsbeispielen, Hintergrundinformationen und Praxistipps. Einzelpersonen und Initiativen können dort zudem den Appell an die Bundesregierung unterzeichnen und mit ihrem Statement und ihrem Bild Gesicht zeigen für Flüchtlingsschutz und gegen Dublin III.

Mit der Kampagne treten wir für ein Ende der Dublin-Abschiebungen und für einen Wandel der EU-Flüchtlingspolitik ein. Wir fordern: Free Choice statt Schutzlotterie!

"Ich trete ein für eine Asylpolitik, die Flüchtlinge schützt und nicht wie Kriminelle behandelt - solange EU-Mitgliedsstaaten Menschenrechte für Schutzsuchende ausklammern, darf in diese Länder nicht rücküberstellt werden" - Benno Fürmann, Schauspieler
"Ich trete für eine menschenwürdige Asylpolitik ein, weil ich die tödliche Abschottungspolitik der EU und die Abschiebungen ins Elend absolut unerträglich finde." - Campino, Die Toten Hosen
"Menschen, die zu uns fliehen, haben das Recht auf Schutz und menschenwürdige Aufnahme. Deswegen trete ich für eine Asylpolitik ein, die diesen Namen auch wirklich verdient." - Breiti, Die Toten Hosen
"Ich bin strikt gegen eine Verschärfung des Asylrechts und wünsche mir endlich eine menschenwürdige Asylpolitik. Arbeitsverbote, Einreisesperren und Abschiebehaft müssen abgeschafft werden." - Dirk von Lowtzow, Tocotronic

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Appell: Wir treten ein! - Für Flüchtlingsschutz. Gegen Dublin-III.

Flüchtlinge befinden sich in Europa in einem brutalen Überlebenskampf. In Ländern wie Italien oder Griechenland leben Flüchtlinge als Obdachlose auf der Straße, in Parks oder Abbruchhäusern. Sie müssen betteln, um ihr Überleben zu sichern und sind schutzlos gegen Gewalt und rassistische Übergriffe. Einige EU-Staaten - wie Malta, Bulgarien oder Ungarn - inhaftieren neu einreisende Flüchtlinge systematisch. Wer es schafft, den Haftlagern und Elendsquartieren zu entkommen und nach Deutschland weiterzufliehen, muss mit seiner umgehenden Rückschiebung in diese Länder rechnen. Grundlage ist die Dublin-III-Verordnung, die die Zuständigkeit für Asylverfahren in der EU regelt.

Das Dublin-System ist unsolidarisch, ungerecht und unmenschlich. Die desolate Situation der Flüchtlinge in vielen EU-Ländern ist das Ergebnis einer unsolidarischen Asylpolitik. Denn die EU hat den Reiseweg eines Flüchtlings zum maßgeblichen Zuständigkeitskriterium erhoben: Der Staat ist zuständig, in dem erstmals EU-Territorium betreten wurde. Nach den Interessen der Flüchtlinge, ihren Existenzmöglichkeiten oder Integrationschancen wird dabei nicht gefragt. Ziel dieser Politik ist es, den Druck auf die EU-Staaten an den Außengrenzen hoch zu halten. Es gilt: Wer die Grenzen nicht abriegelt und Flüchtlinge durchlässt, muss am Ende die Verantwortung für die Flüchtlinge übernehmen. Die Folge ist, dass die EU-Staaten an den Außengrenzen die Grenzen abriegeln und Flüchtlinge brutal abwehren - oftmals unter Einsatz von illegalen Zurückweisungen (Push-Backs).

Wir treten ein für Menschen, die jahrelange Fluchtodysseen hinter sich haben, die nie ankommen durften und immer wieder wie Stückgut zwischen den EU-Staaten hin- und hergeschoben werden. Wir fordern ein Ende der Abschiebungen in Elend und Hoffnungslosigkeit und den Selbsteintritt der Bundesrepublik. Wir wenden uns gegen die europäische Verantwortungslosigkeit der Dublin-III-Verordnung und rufen dazu auf, Flüchtlinge aktiv zu schützen. Für diejenigen, die bereits einen Schutzstatus in einem EU-Land erhalten haben, muss die Freizügigkeit in der gesamten EU gewährleistet werden. Wenn ein Überleben trotz Schutzstatus in einem EU-Staat nicht möglich ist, muss ein Umzug in einen anderen EU-Staat ohne Verlust des Schutzstatus möglich sein.

Wir treten ein:

Für faire Asylverfahren - gegen Dublin-Abschiebungen!

Deutschland kann das Asylverfahren auch dann durchführen, wenn eigentlich ein anderer EU-Staat zuständig wäre. Dies ermöglicht das Selbsteintrittsrecht nach der Dublin-III-Verordnung. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, Verantwortung für Schutzsuchende zu übernehmen, die aus einem anderen EU-Staat nach Deutschland weiterfliehen, weil sie dort nicht leben können. Die Dublin-Abschiebungen sind umgehend auszusetzen!


Für das Recht auf freie Wahl des Asylortes!

Die bislang lediglich technokratischen Zuständigkeitsregelungen des Dublin-Systems müssen grundlegend verändert werden. Derjenige Staat sollte für ein Asyl verfahren zuständig sein, in dem der Asylsuchende seinen Antrag stellen möchte. Dieses Prinzip der freien Wahl des Asylortes ist auf EU-Ebene rechtlich zu verankern. Etwaige Ungleichgewichte können durch Finanzmittel ausgeglichen werden.


Für Freizügigkeit für international Schutzberechtigte!

Flüchtlinge mit einem Flüchtlings- oder subsidiären Schutzstatus müssen nach Abschluss des Asylverfahrens wie Unionsbürger mit dem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union ausgestattet werden, damit sie sich überall in der Europäischen Union niederlassen können. Die Bundesregierung muss eine entsprechende politische Initiative auf EU-Ebene einbringen!


Unterzeichnende Organisationen

Bayerischer Flüchtlingsrat
Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
Flüchtlingsrat Berlin
Flüchtlingsrat Brandenburg
Flüchtlingsrat Bremen & Zuflucht - Ökumenische Ausländerarbeit
Flüchtlingsrat Hamburg
Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern
Flüchtlingsrat Niedersachsen
Flüchtlingsrat NRW
Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein
Flüchtlingsrat Thüringen
Deutsche Sektion des IPPNW
Diakonie Hessen
Evangelischer Regionalverband Frankfurt/M.
Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. (GGUA)
Hessischer Flüchtlingsrat
Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
Neue Richtervereinigung e.V.
Sächsischer Flüchtlingsrat

Weitere Informationen:
www.wir-treten-ein.de

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Quelle:
Pro Asyl - Presseerklärung vom 15. Januar 2015
Postfach 160 624, 60069 Frankfurt/M.
Telefon: +49 069 - 23 06 88, Fax: +49 069 - 23 06 50
E-Mail: proasyl@proasyl.de
Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2015


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