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STANDPUNKT/031: In der Kritik - UmFairTeilen (Sozialforum Eimsbüttel)


Sozialforum Eimsbüttel - September 2012

«UMfairTEILEN»
Durch Besteuerung der Reichen zu einem Kapitalismus ohne Armut?



"Schere zwischen arm und reich" oder Klassengesellschaft?

Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Das UmFairTeilen-Bündnis meint, da müsse doch ein gewisser Ausgleich möglich sein. Wer das glaubt, der zeigt allerdings ein gewisses Maß an Blauäugigkeit gegenüber dem kapitalistischen Normalzustand. Die Einkommen unterscheiden sich ist doch keineswegs nur in ihrer Höhe, von wegen "wenig" und "viel". Die einen beziehen ihr Geld durch Arbeitslöhne. Diejenigen, deren Reichtum ständig zunimmt, beziehen ihr Geld in der Regel aus Kapitalerträgen.

Sie sind die Privateigentümer "unserer" Wirtschaft. Nichts wird produziert, wenn es sich für sie nicht rechnet. Alles ist davon abhängig, dass ihre Privatvermögen wachsen.

Ohne niedrige Lohn- und Sozialkosten ist dieses Wirtschaftswachstum nicht zu haben. Preiswert müssen die abhängig "Beschäftigten" sein, die den Reichtum der Unternehmen erarbeiten. Niedriglöhne sind in dieser perversen Wirtschaftsordnung ein Konkurrenzvorteil. Und die Unternehmen tun alles dafür, dass der "Faktor Arbeit" immer preiswerter wird. Ständig intensivieren sie die Arbeit, setzten immer produktivere Maschinen ein, um Lohnkosten zu sparen. Wer dann nicht mehr gebraucht wird, wird in die Erwerbslosigkeit entlassen. Das Kapital produziert Armut und braucht Armut.


Der Staat als verhinderter Wohltäter, der unter leeren Kassen leidet

Nach Meinung des UmFairTeilen-Bündnisses ist Armut kein notwendiges Resultat kapitalistischen Wirtschaftens. Vielmehr seien angeblich "leere Staatskassen" daran schuld, dass immer größerer Teile der Bevölkerung in Armut versinken. Nach dem Motto: wenn der Staat mehr Geld hätte, könnte er auch mehr Geld für soziale Zwecke ausgeben.

Nur: Die zunehmende Armut in Deutschland kommt gar nicht von einer angeblichen finanziellen Notlage der Staatskasse. Hartz IV und die anderen Arbeitsmarktreformen wurden ja nicht eingeführt, weil damals der deutsche Staat so pleite war wie heute Griechenland oder Portugal. Im Staatshaushalt gab es auch damals genug Spielraum, z.B. für Steuersenkungen und jede Menge Subventionen.

Bei den Hartz-Reformen ging es darum, das Wachstum der deutschen Wirtschaft zu steigern. Die Hartz-Politik hat planmäßig dazu geführt, dass die Vermögen der Reichen rapide gestiegen sind. Die sinkenden Lohn- und Sozialkosten und die Steuersenkungen haben den Kapitaleignern der Deutschen Wirtschaft jede Menge Wachstumserfolge gebracht. Mehr noch: Die Hartz-Politik hat dazu geführt, dass dem Deutschen Staat zur Zeit vom internationalen Finanzkapital sogar Zinsen gezahlt werden, wenn er sich Geld leiht.

Von einer finanziellen Notlage der deutschen Staatskassen kann also keine Rede sein. Wer gegen die zunehmende Armut etwas unternehmen will, sollte sich lieber nicht für besser gefüllte Staatskassen einsetzen. Denn es sind die Kassen des Staates, der selber jede Menge Vorteile davon hat, dass er den Kapitaleignern die Kontrolle über die Wirtschaft garantiert und ihnen immer mehr prekäre Billiglöhner zum Fraß vorwirft.


Durch "gerechte Besteuerung der Reichen"...

Die Marktwirtschaft bricht regelrecht zusammen, wenn die Privatvermögen jener Leute nicht mehr wachsen, denen die Wirtschaft gehört. Förderung des Wirtschaftswachstums ist deshalb so ziemlich die wichtigste Aufgabe, die sich Regierungen aller kapitalistischen Länder stellen.

Oberflächlich betrachtet, erscheint es als eine ziemliche Ungerechtigkeit, dass der Staat seine Einnahmen nicht ausschließlich aus der Besteuerung der Kapitaleigner bezieht. Denn seine ganze Wirtschaftspolitik macht er im Sinne des Wachstums ihrer Vermögen.

Selbstverständlich besteuert der Staat auch die Reichen. Die ganze Branche der Steuerberater lebt davon. Tatsächlich findet unter den kapitalistischen Nationen aber seit Jahren ein regelrechter Steuersenkungs-Wettlauf statt. Nicht zuletzt wegen der niedrigen Unternehmens- und Vermögenssteuern gehört Deutschland zu den Krisengewinnlern der seit 2006 andauernden Weltwirtschaftskrise. Denn Steuern für Reiche gehen genau auf Kosten des Wirtschaftswachstums, von dessen Steigerung gerade in Krisenzeiten alles abhängt, auch die Mittel, die der Staat zur Verfügung hat.

In einem sehr perversen Sinn ist das Vermögen der Reichen allerdings eine hervorragende Einnahmequelle von Staaten wie Deutschland. Das Geld der Reichen fließt tatsächlich reichlich in die Staatskasse. Nur das geschieht weniger dadurch, dass man von den Anlegern Steuern kassiert, sondern indem sich der Staat von ihnen Geld leiht und ihr Vermögen durch Zinszahlungen wachsen lässt. Die dadurch ständig steigende Staatsverschuldung ist überhaupt kein Problem, solange die Wirtschaft so gut wächst, dass immer neues Kapital in die Staatskassen fließt.


... zu mehr Zusammenhalt der Klassengesellschaft

Das "UmFairTeilen"-Bündnis tritt offensichtlich für einen Zusammenhalt dieser kapitalistischen Gesellschaft ein. Und worin soll sich dieser "solidarische" Kapitalismus vom Jetzt-Zustand unterscheiden? Dadurch, dass man symbolisch ein bißchen Vermögenssteuer kassiert, wie die sozialdemokratische Regierung in Frankreich. Wetten, dass mit der "Umfairteilen-Parole" "Steuergerechtigkeit" genau die Parteien wieder an die Macht kommen wollen, die hier die Hartz-Reformen durchgesetzt haben.

Was bringt das? Eine "solidarische Gesellschaft" zwischen Leuten, die von ihren Privatvermögen leben und prekären Lohnabhängigen, die dieses Vermögen durch ihre billige Arbeit vermehren müssen. Eine "solidarische Gesellschaft" zwischen dem Kapital, von dem in der "Marktwirtschaft" alles abhängig ist, und den Menschen, die wegen dieser Abhängigkeit zu immer mehr und immer billigerer Arbeit erpresst werden.

Sollte man diesen "Zusammenhalt" retten, oder wäre es nicht an der Zeit, diese kapitalistische Gesellschaft durch etwas Vernünftiges zu ersetzen?


Nächster Diskussionstermin:
Themen:
1. Der Staat, Opfer oder Nutznießer des Kapitals?
2. Möglichkeit, über die Thesen dieses Flugblatts zu diskutieren
am 4. Oktober um 19:00 im Magda Thürey Zentrum, Lindenallee 72

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Quelle:
Sozialforum Eimsbüttel
V.i.S.d.P.: Andreas Schmidt
c/o Magda Thürey Zentrum, Lindenallee 72, 20357 Hamburg
E-Mail: sf-eimsbuettel@gmx.de
Internet: www.sofo-eimsbuettel.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2012