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STANDPUNKT/312: Aktionsschwarzfahris* unterstützen Streiks von Personal im öffentlichen Personenverkehr (Projektwerkstatt Saasen)


Projektwerkstatt Saasen - 18. Februar 2019

Aktionsschwarzfahris* unterstützen Streiks von Personal im öffentlichen Personenverkehr

Aufruf an Fahrgäste ohne Ticket: Fahrt straffrei und demonstriert mit für bessere Arbeitsbedingungen derer, die uns zukünftig zum Nulltarif bewegen!


Aus Anlass der Streiks in Berliner U-Bahnen und Bussen rufen mehrere Aktionsschwarzfahris* zu Solidaritätsaktionen auf. "Wir unterstützen jede Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen für alle, die Busse und Bahnen steuern oder auf andere Art für eine funktionierende Mobilität sorgen!" Das sei das Mindeste, was im Rahmen einer Verkehrswende für die dort Tätigen herausspringen müsse - zusätzlich zu nötigen Neueinstellungen. "Nulltarif überall - aber nicht auf den Schultern der Angestellten", bringen die Aktivistis bei ihren demonstrativen Fahrten ohne Fahrschein auch viel Solidarität zum Ausdruck. Schon jetzt würde es in vielen Regionen an Lokführer*innen und anderem Personal fehlen, weil die Arbeitsbedingungen nicht attraktiv genug seien. Nötig seien vor allem angenehmere Regelungen zu Arbeitszeiten und Verfügbarkeit, aber auch angemessene Bezahlung. Nur dann würden Verkehrswende und Arbeitnehmer*inneninteressen Hand in Hand gehen. Zudem würde es sonst schwierig mit der Umschulung von Autobauern zu Bus- und Bahnpersonal - aber dieser Wandel sei ja gewollt. "Am Ende wollen wir mehr - Privatisierung zurückdrängen, Selbstverwaltung, Nulltarif und eine klassenlose Gesellschaft, die mit Abschaffung der Fahrkarten zumindest in Bussen und Bahnen ein Stück näher kommt!"

Aktionsschwarzfahris* sind seit einigen Jahren als fahrende Demonstrant*innen unterwegs, um für die Einführung des Nulltarifs und eine umfassende Verkehrswende zu werben. Sie nutzen dabei die Formulierung des § 265a im Strafgesetzbuch, der nur das heimliche Fahren ohne Fahrschein unter Strafe stellt. Mehrere Gerichte haben diese Interpretation bereits durch Freisprüche bestätigt. Viele Aktionsfahrten und Strafprozesse wurden spektakulär geführt und in den Medien stark beachtet. Zielgruppe des jetzigen Aufrufs seien vor allem die vielen Schwarzfahris, die noch immer versuchen, unerkannt zu fahren: "Solidarisiert Euch mit den Arbeiter*innen in Zug oder Bus - und schützt Euch selbst vor Strafe durch das demonstrative Schwarzfahren für den guten Zweck!" Aber auch die streikenden Arbeiter*innen seien angesprochen: "Gegenüber dem Kapital sitzen Fahrgäste und Personal im gleichen Boot, denn Profite werden auf Kosten beider generiert."

FdR, Jörg Bergstedt (Aktionsschwarzfahri, Verkehrswendeaktivist im Raum Gießen, freigesprochener Angeklagter in Gießen und Freispruch-Laienverteidiger in München)


Hinweise:

*Aktionsschwarzfahris ist eine Selbstbezeichnung vieler der Aktivist*innen (Aktivistis), die mit der besonderen Endung "-is" dafür eintreten, eine geschlechtsneutrale Sprache zu nutzen. Ihr Motto dazu: "Der fehlenden Fahrkarte ist es egal, in welche Geschlechtsschublade Medizin, Staat oder wir selbst uns stecken."

Infoseiten zum Aktionsschwarzfahren:
www.schwarzstrafen.tk
Infoseiten zu Verkehrswende:
www.verkehrswende.tk


Viele Aktionsschwarzfahris beteiligen sich auch an weiteren Verkehrswendeaktionen. Zudem entwickeln sie komplette Pläne, wie Städte und Regionen umgebaut werden können auf eine sozial-ökologisch ausgerichtete Mobilität zu Fuß, per Fahrrad und ÖPNV (siehe z.B. für die Stadt Gießen unter www.giessen-autofrei.tk)

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Quelle:
Projektwerkstatt Saasen
Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen-Saasen
E-Mail: saasen@projektwerkstatt.de
www.projektwerkstatt.de/saasen


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2019

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