Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → REDAKTION

SERIE/043: Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L. - 26.05.2007 bis 01.06.2007


Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L.

5. Teil - 26.05.2007 bis 01.06.2007


26.5.07

Sehr schlecht geschlafen heute nacht. Ein helles Licht leuchtete von draußen direkt auf mein Kopfteil, habe dann alles umgedreht und quasi mit dem Kopf am Fußteil geschlafen. Vormittags kamen mir vor Wut wieder fast die Tränen. Wir wollten - wie immer - Federball spielen - abgelehnt. Wir könnten uns verletzen und die Schwester ist nicht im Haus. Und wieder sind wir dem machtlos ausgeliefert. Sobald sie sehen, dass man an etwas Spaß hat und man sich dabei wohlfühlt, wird es sofort unterbunden. Ein Wunder, dass wir noch selber gehen dürfen, wir könnten ja stolpern. Ich fühle mich wieder schickaniert und völlig hilflos. Nachmittags ein harmloses kleines Sommergewitter. Hinterher schreien ein paar Weiber wieder im Hof herum wie Idiotinnen. Mist, dass ich nicht die Einzelzelle auf der anderen Seite bekommen habe. Mein Gott, wie lange soll das alles hier noch dauern?


27.5.07

Pfingstsonntag. Wieder grummelt ein Gewitter vor sich hin und es fängt gerade an, kräftig zu regnen. Die kleine Gang, die vor einiger Zeit hierher gekommen ist, kennt sich schon aus einem anderen Gefängnis und ihre Anführerin, die Kampflesbe ist hier, weil "Der Typ der gebissen wurde, ja selber schuld ist, wenn er meinen Kampfhund provoziert". Sie ist eine total ordinäre, ständig provozierende, laute Frau und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihren Hund, der z. Zt. im Tierheim sitzt, jemals wiederbekommt. Wäre auch besser, wenn nicht. Was ich nicht verstehe: Manche hier bekommen wegen Kleinigkeiten Anzeigen oder Arrest und dieser Gruppe, die ständig "die Sau rauslässt", passiert überhaupt nichts, bisher jedenfalls. Heute nehme ich meine letzten Antibiotikatabletten gegen die Nierenentzündung. Hoffentlich geht es dann nicht gleich wieder los! Übrigens hat heute während unserem Hofgang eine Zellenkontrolle stattgefunden und ich wurde von den Beamtinnen gelobt, dass "meine" Zelle die ordentlichste und sauberste sei. Nur gut, dass sie nicht wissen, wie meine Wohnung ausgesehen hat, als ich verhaftet wurde.


28.5.07

Die ganze Nacht hat es gewittert und heute war es gegenüber gestern mind. 15 °C kälter, und bedeckt. Na, ich sitze lieber bei dem Wetter hier drin als bei Sonnenschein. Heute "durften" wir duschen, obwohl Feiertag war, dafür wurde uns dann aber "natürlich" der Einschluß gestrichen, weil - Zu gut darf's uns ja nicht gehen! (Sonntags darf man sich normalerweise 1 Stunde mit in eine andere Zelle sperren lassen, um ein bißchen zu quatschen, miteinander Kaffee zu trinken o.ä.)


29.5.07

Heute vormittag - es regnete stark - ging eine Beamtin durch die Flure und verkündete "Der Hofgang ist heute gestrichen". Das bedeutete, 23 Stunden am Tag in der Zelle eingesperrt, davon abgesehen ist der Hofgang das einzige Recht, das wir haben, wie mir einmal erklärt wurde. Ich dachte nur "Das darf nicht wahr sein!" und klopfte mehrmals gegen meine Zellentür. Fr. T. erschien und erklärte ganz nett, dass auf dem Hof das Wasser stände. Ich wehrte mich ein bißchen, sagte: "Dann sind wir heute wieder 23 Stunden eingesperrt. Jetzt waren so viele Feiertage. Können wir nicht ein bißchen auf dem Flur herumlaufen, alternativ?" Sie meinte, das wäre eigentlich nicht vorgesehen, aber "Mal schauen". Tür zu. 20 Min. später wurde die Tür wieder geöffnet "Sie haben Erfolg gehabt". Ich bin stolz auf mich! Kein anderer hatte sich beschwert - soweit ich mitbekommen habe. Nachmittags war ich dann das 1. Mal beim katholischen Pfarrer N., der die Emaus-Gruppe leitet. Wir haben ein bißchen gesungen und über einen Psalm geredet, soweit man das hier machen kann. Einige Gefangene sind nicht imstande oder willens, sich für ein paar Minuten auf eine Sache zu konzentrieren. Sofort wird wieder - über nichts - gegackert und gequatscht. Trotzdem war es ganz nett und interessant. Der evangelische Pfarrer gefällt mir zwar besser, aber es sind halt zwei ganz verschiedene Typen und eigentlich ist es unfair, sie zu vergleichen. Beide geben sich Mühe und sind nett. Jetzt, um 18 Uhr, regnet es immer noch und ist saukalt.


31.5.07

Heute wieder etwas besseres, aber immer noch kühles Wetter. In den letzten Tagen habe ich schrecklich gefroren, es war saukalt in der Zelle und die Heizungen in Neudeck sind abgedreht. Gesteuert werden sie von Stadelheim aus, wie mir Fr. T. erzählte. Schon lustig, als es um die 30°C heiß war, war auch die Heizung heiß und angedreht. Nachmittags wieder ein Schock. Ich wurde ins Büro zitiert und musste einen Haftübersichtsbogen unterschreiben, in dem stand, daß jetzt eine Ersatz-Freiheitsstrafe von 70 Tagen für die nicht bezahlte Geldstrafe (Grafiti in einer Bank) beantragt bzw. festgesetzt wurde. Ich habe auch unterschrieben und grüble jetzt, ob ich da wieder mal zu vorschnell war. Diese Schweine, sonst lassen sie sich monatelang Zeit mit allem, aber bei so etwas sind sie schnell. Wenn sie einen nur schickanieren können! Habe einen Brief an Herrn F. aufgesetzt, damit er informiert ist und werde ihn morgen abschicken. Vielleicht weiß er ja auch schon bescheid. Dann noch etwas wunderschönes: S. hat mir einen ganz tollen Brief geschrieben, über den ich mich wahnsinnig gefreut habe.


1.6.07

Es ist furchtbar kalt in diesem Gemäuer. Heute war Hr. F. da. Es ist immer ein Vergnügen, sich mit ihm zu unterhalten. Wir haben Strafanzeige/Strafantrag gegen die Bild-Zeitung gestellt, weil sie ein riesiges Foto von mir ohne Unkenntlichmachung des Gesichts gedruckt hatten. Wir beide sind gespannt, was dabei herauskommt. Bezüglich der 70 Tage Strafe meinte er, er hätte ein Schreiben bekommen, dass die U-Haft dafür nicht unterbrochen worden wäre und will nochmal nachfragen, außerdem Hrn. H. eine Untervollmacht ausstellen, damit er mich besuchen kann. Nett! Er meinte, im August wäre mit meiner Verhandlung zu rechnen und hat mir nicht viel Hoffnung auf eine Bewährungsstrafe gemacht. Naja, mal sehen, wie's läuft. Ich war schon sehr erstaunt, was die Polizei alles über mich weiß. Wahnsinn! Ich werde als Linksextremistin eingeordnet und das bin ich ja wohl auch. Bei der heutigen deutschen Politik rutscht man wohl automatisch in diese Ecke, wenn man gegen Krieg und Militarismus ist. Ich kann damit leben, aber wenn mir jemand vor Jahren gesagt hätte, ich würde beim Verfassungsschutz als Linksextremistin geführt, hätte ich ihn für verrückt erklärt, wohl auch bei der Prognose, ich würde im Knast sitzen. Andererseits habe ich jetzt erst richtig gemerkt, was für tolle Freunde, eine tolle Mutter und wie viele tolle Helfer und auch "Symphatisanten" ich außerhalb, aber auch hier im Gefängnis habe. Dafür bin ich sehr dankbar.


Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

Bei diesem Gefängnistagebuch handelt es sich um die persönlichen Aufzeichnungen der Heide L., die deren subjektive Erlebnisse und Einschätzungen widerspiegeln. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter wurde gleichwohl durch Anonymisierung auf sämtliche Namensnennungen verzichtet. Der Text wurde in Hinsicht auf Orthographie und Interpunktion originalgetreu übertragen.


*


Quelle:
Gefängnistagebuch von Heide Luthardt
© 2010 Irmgard Luthardt und Dr. Hans Luthardt


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2010