Schattenblick → INFOPOOL → BÜRGER/GESELLSCHAFT → REPORT


INTERVIEW/125: Klimacamp im Rheinland - stören und stören lernen ...    Clara Tempel im Gespräch (SB)



Gespräch am 26. August 2017 vor dem Kraftwerk Neurath

Die im Wendland aufgewachsene Clara Tempel hat 2013 während einer Jahresarbeit an der Freien Schule Hitzacker das politische Jugendnetzwerk JunepA [1] mitgegründet, das sich gegen Atomwaffen und Rüstungsexporte sowie für Klimaschutz und gegen Freihandel engagiert. Spektakulär und von großem Medienecho begleitet war insbesondere eine Blockade- und Go-in-Aktion im September 2016 am Bundeswehrfliegerhorst in Büchel in der Eifel, wo Friedensaktivistinnen die letzten in Deutschland gelagerten Atomwaffen vermuten. JunepA wurde dieses Jahr zusammen mit der italienischen Friedensinitiative "No MUOS" für sein gesellschaftliches Engagement mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet [2].

Als Pressesprecherin der von JunepA initiierten Aktion "Kohle erSetzen" [3] im diesjährigen Klimacamp war die 21jährige Aktivistin an der Sitzblockade vor der Hauptzufahrt zum RWE-Großkraftwerk Neurath beteiligt. Dort hatten etwa zwei Dutzend Menschen die Straße gesperrt, während weitere Gruppen der Aktion auch alle anderen Zufahrten mehrere Stunden lang blockierten. Als die Sitzblockade schließlich von der Polizei geräumt worden war und die Aktivistinnen im Kessel ausharren mußten, beantwortete Clara dem Schattenblick einige Fragen zu den Zielen von "Kohle erSetzen", zur Vorbereitung auf die Aktion und zu deren Erfolg.


Am Straßenrand stehend, im Hintergrund der Polizeikessel - Foto: © 2017 by Schattenblick

Clara Tempel
Foto: © 2017 by Schattenblick


Schattenblick (SB): "Kohle erSetzen" ist im Rahmen des Klimacamps eine eigenständige Vorgehensweise, die sich im Konsens mit den anderen Aktionen organisiert. Was ist eure spezielle Ausrichtung?

Clara Tempel (CT): Wir als "Kohle erSetzen" sind eine gewaltfreie Sitzblockade. Das heißt, wir leisten hier eine Aktion zivilen Ungehorsams, haben aber einen ganz klaren Aktionsrahmen, der beinhaltet, daß wir uns gewaltfrei verhalten und respektvoll mit den Mitarbeitenden von RWE und der Polizei umgehen. Wir wollen die Lücke zwischen der "Rote-Linie"-Menschenkette [4], die ja auch heute stattfindet, und "Ende Gelände" [5], der Massenaktion zivilen Ungehorsams, für Menschen schließen, die vielleicht noch nicht so viel Erfahrungen mit Aktionen gemacht haben, aber trotzdem Aktionen zivilen Ungehorsams leisten wollen.

SB: Wie habt ihr es geschafft, die erforderlichen Diskussionen zu führen und euch auf die heutige Aktion vorzubereiten?

CT: Wir haben uns auf "Kohle erSetzen" seit Donnerstagabend gemeinsam vorbereitet, wobei dies mehrere Elemente beinhaltet hat. Das waren Aktionsplena, das war ein Aktionstraining sowie ein rechtlicher Input, und dann haben wir unsere Entscheidungsstruktur geübt. Das heißt, wir sind in kleine Bezugsgruppen gegangen, in denen die Menschen besonders aufeinander achten, und aus diesen Gruppen ist jeweils eine Person in den Sprecherinnenrat gegangen. Wir haben also eine basisdemokratische Entscheidungsstruktur. Das haben wir die letzten Tage über gemacht und dadurch sind wir als Aktionsgruppe zusammengewachsen.

SB: Wir sind heute mit dem Bus losgefahren und sehr weit gekommen. Nun sind wir mittendrin und noch nicht ganz fertig. Wie würdest du denn den bisherigen Verlauf der Aktion beurteilen?

CT: Ich würde sagen, daß unsere Aktion schon jetzt sehr viel Erfolg hatte. Unser Ziel war zum einen, hier den reibungslosen Betriebsablauf von RWE zu stören, und das haben wir eindeutig getan und das tun wir auch immer noch an vielen Punkten. Unser anderes Ziel war es, Menschen an Aktionen zivilen Ungehorsams heranzuführen und ihnen eine Tür in diese Art von Aktionen zu öffnen. Und auch das haben wir bereits geschafft. Ich bin schon total zufrieden damit, wie es bisher gelaufen ist.

SB: Für viele Menschen, die heute hier auf der Straße vor dem Kraftwerk Neurath gesessen haben, war das sicher eine sehr mutige Aktion, weil sie zum ersten Mal so etwas gemacht haben. Was war dein Eindruck dabei?

CT: Ich habe den Eindruck, daß viele Menschen dabei waren, die so etwas noch nie gemacht hatten, und ich finde es unfaßbar mutig, diesen Schritt zu gehen und zu wissen, ja, ich übertrete hier ein bestehendes Gesetz, aber mir ist mein Anliegen so wichtig, daß ich auch rechtliche Konsequenzen in Kauf nehme. Ich kann nicht länger dazu schweigen, sondern muß dieses Unrecht jetzt unterbrechen. Ich bin ganz begeistert davon, wie kraftvoll die Leute das hier gemacht haben.

SB: Wie erlebt ihr die Sicht in traditionslinken Parteien oder bei den Grünen auf eure Bewegung? Sind sie hilfreich oder realisieren sie eher nicht, was ihr da macht?

CT: Ich finde es schwierig, das so zu pauschalisieren. Ich glaube, es kommt immer auf die Menschen an. Es gibt Menschen, die uns total zugewandt sind, und es gibt in diesen Parteien auch Menschen, die das nicht verstehen.

SB: Wie wird es in den nächsten Tagen bei euch weitergehen?

CT: Je nachdem, wie lange diese Blockade noch dauert, werden wir irgendwann zurück ins Camp gehen und dort eine ausführliche Nachbereitung machen. Es ist uns ganz, ganz wichtig, uns nicht nur gemeinsam vorzubereiten, sondern auch hinterher noch einmal ausführlich darüber zu reden, was passiert ist, und auch zu überlegen, wie es weitergehen soll. Dann werden sich die Leute erstmal wieder in alle Richtungen zerstreuen, aber wir hoffen natürlich, daß wir mit dieser Art von Aktion viele angesteckt haben, die dann weiterhin aktiv sind, zum Beispiel auch bei JunepA, dem Jugendnetzwerk für politische Aktionen, das diese Aktion hier im Rahmen des Klimacamps organisiert hat.

SB: Clara, vielen Dank für das Gespräch.


Transparent 'KOHLE erSETZEN' ausgebreitet auf der Straße - Foto: © 2017 by Schattenblick

Foto: © 2017 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] http://junepa.blogsport.eu

[2] Wie es in der Preisbegründung heißt, würden zwei Organisationen geehrt, "die sich mit Mitteln des zivilen Ungehorsams unter anderem für eine friedliche Welt, die Abschaffung von Waffen und ein solidarisches Miteinander engagieren". Die Proteste und Aktionen zivilen Ungehorsams von JunepA seien mutig, kreativ, höchst anerkennens- und unterstützenswert. Zumal sie dazu angetan seien, auch andere junge Menschen beispielgebend zum Mitmachen zu motivieren und anzuregen. Mit ihren Protesten lege JunepA die Finger in aktuell brennende gesellschaftspolitische Wunden. Mit der Verleihung des Aachener Friedenspreises sollten diese jungen Menschen in ihrer Arbeit bestärkt werden. Nicht zuletzt täten gerade solche jungen Menschen, die sich aktiv für Demilitarisierung einsetzen, der Friedensbewegung not.
http://www.aachener-friedenspreis.de/preistraeger/archiv/jahr-2017.html

[3] http://www.kohle-ersetzen.de

[4] http://www.zukunft-statt-braunkohle.de/rote-linie

[5] https://www.ende-gelaende.org


Berichte und Interviews zum Klimacamp 2017 im Rheinland im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de → INFOPOOL → BUERGER → REPORT

BERICHT/088: Klimacamp im Rheinland - öko- und sozialkritisch ... (SB)
BERICHT/089: Klimacamp im Rheinland - abgelenkt und eingeschenkt ... (SB)
BERICHT/090: Klimacamp im Rheinland - Nachwuchs in Aktion ... (SB)


4. September 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang