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ASIEN/003: Philippinen - zügige Aufklärung des Maguindanao-Massakers gefordert (ROG)


Reporter ohne Grenzen e.V.
Deutsche Sektion von Reporters sans frontières

Pressemitteilung vom 10. September 2010

Philippinen: ROG fordert zügiges Gerichtsverfahren zur Aufklärung des Maguindanao-Massakers


Mit Verzögerung hat am 8. September auf den Philippinen der Prozess gegen 196 Angeklagte begonnen, die im vergangenen November mutmaßlich an dem Maguindanao-Massaker beteiligt waren. Bei dem bewaffneten Angriff auf den Konvoi von Unterstützern eines lokalen Politikers in der Provinz Maguindanao auf der Südinsel Mindanao starben 57 Menschen - darunter 32 Journalisten.

Angesichts von 700 Personen, die in dem aufwändigen Verfahren vor Gericht aussagen sollen, ruft Reporter ohne Grenzen (ROG) die Behörden dazu auf, ausreichend Mittel und personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. "Nur so kann gewährleistet werden, dass der Prozess innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens beendet wird. Zudem muss das Budget zum Schutz der Zeugen und ihrer Familien erhöht werden", fordert ROG.

Nach Abschluss mehrerer Anhörungsrunden im Vorfeld am 17. August, hatte Richterin Jocelyn Solis-Reyes den Beginn des Prozesses für den 1. September angesetzt. Eine verfahrensrechtlich gedeckte Verzögerung des Beginns um eine Woche auf Betreiben der Verteidigung nährten Befürchtungen eines sich hinziehenden Gerichtsverfahrens. Bereits jetzt wird mit Hinblick auf die Anhörung von knapp 200 Angeklagten, rund 200 Zeugen der Anklage sowie 300 Zeugen der Verteidigung mit einem jahrelangen Prozess gerechnet.

Anwältin Prima Jesusa Quinsayas, die vor Gericht Familien von 17 getöteten Journalisten vertritt, beklagt die Verzögerungstaktiken der Verteidigung: "Sie bringen Befangenheits- und Nebenanträge vor - es wurden bereits acht Anträge gestellt - und initiieren eigene Klagen vor anderen Gerichten." Quinsayas wurde vom "Freedom Fund for Filipino Journalists" (FFFJ), ein Verband von sechs Medienorganisationen, mit der Vertretung der Opferfamilien betraut.

Am ersten Verhandlungstag am 8. September wurde der Hauptangeklagte Andal Ampatuan Jr. schwer belastet. Ampatuan Jr., der zum Zeitpunkt des Masskers Bürgermeister in Datu Unsay in der Südprovinz Maguindanao war, soll das Massaker an Anhängern eines gegnerischen Politikers angeführt haben. Dieser war in den Wahlen zum Gouverneursamt gegen den Ampatuan-Clan angetreten.

Zum Prozessauftakt erklärte ein ehemaliger Hausangestellter der Ampatuans, Lakmudin Saliao, einige Tage vor dem Massaker ein Gespräch zwischen Ampatuan Jr. und dessen Vater, dem damaligen Gouverneur der Provinz Maguindanao, belauscht zu haben. Darin sei der Angriff auf einen Konvoi des politischen Rivalen besprochen worden. "Es ist ganz einfach, Vater. Wir töten sie alle, wenn sie hierher kommen", habe Ampatuan Jr. seinem Vater versichert.

Unterdessen ist die Familie des Zeugen Saliao aus Angst vor Racheakten seitens des Ampatuan-Clans aus ihrem Heimatdorf geflohen. Bereits in den vergangenen Monaten waren Zeugen der Anklage bedroht und eingeschüchtert worden, andere sollten mit Bestechungsgeldern dazu bewogen werden, ihre Aussagen zu Gunsten der Beklagten zu ändern.

Ein Mord und ein versuchter Mord an Verwandten von Zeugen der Anklage unterstreichen die Notwendigkeit eines effektiven Zeugenschutzes. "Die Anklage sieht sich vor der Herausforderung, nicht nur die nächsten Familienangehörigen der vielen Zeugen sicher unterzubringen, sondern auch die entferntere Verwandtschaft. Bei einer durchschnittlichen Familiengröße von vier bedeutet das, dass Hunderte potenziell gefährdete Personen während des Prozesses betreut werden müssen", so die Anwältin Quinsayas.

Die Juristin sieht Chancen für ein gerechtes Urteil, wenn die Aufmerksamkeit der nationalen und internationalen Öffentlichkeit anhält. "Das Massaker eröffnet eine Chance, gegen Straflosigkeit in Aktion zu treten. Es ist ein Testfall für die Regierung", sagt Quinsayas.


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Quelle:
Pressemitteilung, 10.09.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2010