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MELDUNG/098: Internationaler Mädchentag - Startschuss für Unterschriftenaktion im Kampf gegen Frühehen


Terre des Femmes - Pressemitteilung vom 8. Oktober 2015

Internationaler Mädchentag: Startschuss für Unterschriftenaktion im Kampf gegen Frühehen

TERRE DES FEMMES fordert Bildung statt Heirat

Schauspielerin Sibel Kekilli erste Unterzeichnerin


Berlin, 08.10.2015. Jeden Tag werden weltweit 39.000 Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Und das, obwohl die UN-Kinderrechtskonvention als gesetzliches Mindestheiratsalter 18 Jahre empfiehlt. TERRE DES FEMMES startet deshalb zum Internationalen Mädchentag am Sonntag, 11. Oktober, eine Unterschriftenaktion, mit der sie die Bundesregierung auffordert, sich für ein Ende von Frühehen einzusetzen. Schauspielerin Sibel Kekilli hat bereits unterzeichnet: "Ich finde es erschütternd, dass auch in der Gegenwart noch minderjährige Mädchen zwangsverheiratet werden. Deshalb unterstütze ich die Unterschriftenaktion von TERRE DES FEMMES."

Mädchen erleben nach einer frühen Heirat oftmals häusliche oder sexualisierte Gewalt und müssen entweder die Schule oder die Ausbildung abbrechen. Sie werden damit um die Möglichkeit gebracht, selbst bestimmt zu leben sowie einen Beruf auszuüben, der sie (finanziell) unabhängig macht. "Frauen bleiben dadurch gesellschaftlich benachteiligt und der Gesellschaft geht das Potential der Frauen verloren", erklärt Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von TERRE DES FEMMES. Auch wenn Frühehen mehrheitlich in Asien, Afrika und Lateinamerika vorkommen, können in Deutschland ebenfalls Minderjährige ab 16 Jahren mit Zustimmung des Familiengerichts heiraten. Die Frauenrechtsorganisation fordert deshalb die Bundesregierung dazu auf, auch in Deutschland das gesetzliche Mindestheiratsalter auf 18 Jahre festzulegen und die Ausnahmeregelung abzuschaffen. Schweden und die Schweiz haben dies bereits getan.

Gleichzeitig fordert TERRE DES FEMMES, dass Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen gegen Frühehen finanziell gefördert werden. "Wir stellen einen großen Bedarf an Fortbildungen für Lehr- und Fachkräfte fest", sagt Stolle. Aber auch die Jugendlichen selbst wissen oftmals nicht, welche Rechte sie haben und welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt. "Mit unserem Theaterstück 'Mein Leben. Meine Liebe. Meine Ehre'" gegen Zwangsheirat konnten wir bereits über 1.200 SchülerInnen sensibilisieren. Doch das reicht noch nicht. Um Frühehen wirksam zu bekämpfen, ist noch viel mehr Arbeit nötig."

Dies sehen auch die Vereinten Nationen so und haben daher am 25. September mit der Verabschiedung der Nachhaltigen Entwicklungsziele die Abschaffung von Frühehen bis 2030 beschlossen. TERRE DES FEMMES fordert die Bundesregierung auf, sich national wie international für dieses Ziel einzusetzen. "Deutschland hat sich verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um die Nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und in allen weiteren bilateralen Gesprächen muss der Stopp von Frühehen eingefordert werden", erklärt Stolle. Gerade in Ländern mit einer hohen Rate an Frühehen wie in Sierra Leone und Nicaragua ist dies wichtig. Doch nicht nur die Politik ist gefragt. Jeder einzelne kann dazu etwas beitragen. Sibel Kekilli: "Ich hoffe sehr, dass viele meinem Beispiel folgen und die Unterschriftenaktion von TERRE DES FEMMES unterstützen."

Die Frauenrechtsorganisation wird die Unterschriften im Mai 2016 an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung übergeben.


TERRE DES FEMMES ist eine gemeinnützige Menschenrechtsorganisation für Mädchen und Frauen, die durch Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit, persönliche Beratung, Förderung von Projekten und internationale Vernetzung von Gewalt betroffene Mädchen und Frauen unterstützt. TERRE DES FEMMES klärt auf, wo Mythen und Traditionen Frauen das Leben schwer machen, protestiert, wenn Rechte beschnitten werden und fordert eine lebenswerte Welt für alle Mädchen und Frauen - gleichberechtigt, selbstbestimmt und frei! Unsere Schwerpunktthemen sind Häusliche und sexualisierte Gewalt, Zwangsheirat und Ehrverbrechen, weibliche Genitalverstümmelung, Frauenhandel und Zwangsprostitution. Der Verein wurde 1981 gegründet, die Bundesgeschäftsstelle befindet sich in Berlin.

Weitere Informationen unter:
www.frauenrechte.de

Sibel Kekilli ist seit 2004 Botschafterin von TERRE DES FEMMES. Ihr Debüt gab die deutsche Schauspielerin mit dem preisgekrönten Film "Gegen die Wand". Einem internationalen Publikum ist sie als Shae in der US-Serie "Game of Thrones" bekannt, dem deutschsprachigen als Kieler Tatortkommissarin Sarah Brandt. Für ihre Darstellungen erhielt sie zweimal den Deutschen Filmpreis als beste Hauptdarstellerin, den Bambi und den Preis der deutschen Filmkritik. Für ihre Rolle im Film "Die Fremde", der sich mit dem Thema "Ehrenmord" auseinandersetzt, wurde sie als beste Schauspielerin beim internationalen Tribeca Film Festival ausgezeichnet.


Hintergrundinformationen bundesweite Studie zum Thema Zwangsverheiratung in Deutschland

Die erste bundesweite Studie zum Thema Zwangsverheiratung wurde Anfang November 2011 veröffentlicht: Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wurde eine wissenschaftliche Untersuchung von der Lawaetz-Stiftung in Zusammenarbeit mit TERRE DES FEMMES und Torsten Schaak - Büro für Sozialpolitische Beratung durchgeführt und von einem Beirat begleitet. Bundesweit wurden 1.445 Beratungseinrichtungen zu ihren Erfahrungen mit Zwangsverheiratungsfällen befragt. 830 dieser Einrichtungen hatten geantwortet und insgesamt 3.443 Zwangsverheiratungsfälle allein im Jahr 2008 genannt - 93% von ihnen Mädchen und Frauen. Ein knappes Drittel der Betroffenen waren minderjährig, 40% 18-21 Jahre alt. Weitere Ergebnisse können Sie in der Kurzversion der Studie auf der Homepage von TERRE DES FEMMES nachlesen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 8. Oktober 2015
Bundesgeschäftsstelle TERRE DES FEMMES e. V.
Brunnenstr. 128, 13355 Berlin
Telefon: 030 40504699-0, Fax: 030 40504699-99
E-Mail: info@frauenrechte.de
Internet: www.frauenrechte.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2015

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