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PROJEKT/187: Südafrika - "Ein Tag ohne Drogen ist ein Erfolg"


die zeitung - terre des hommes, 3. Quartal 2008

"Ein Tag ohne Drogen ist ein Erfolg"
Südafrika: Training, Turniere, Teamgeist bei Thembalethu

Von Claudia Berker


Wie Bongiwe so da sitzt, konzentriert kleine Perlen auf eine Schnur zieht und mit den anderen Mädchen am Tisch scherzt, könnte man sie für einen ganz normalen Teenager halten. Wäre da nicht ihr sechs Wochen altes Baby, das in eine Wolldecke gewickelt auf ihrem Schoß schläft. Wäre da nicht der Umstand, dass Bongiwe seit langem kein festes Zuhause hat, sich dafür aber in den gefährlichsten Stadtteilen Johannesburgs bestens auskennt.

Wenn in den vergangenen Jahren etwas beständig war in ihrem Leben, dann nicht der morgendliche Gang zur Schule, sondern die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz für ein paar Nächte. Und jetzt ihr kleiner Sohn, Folge einer dieser Nächte, in denen es entweder um etwas Geld oder etwas Geborgenheit - oder beides - ging. Immerhin konnte sie ihr Baby in einem Krankenhaus, und nicht auf der Straße, zur Welt bringen.

Die 17-Jährige kommt seit rund einem Jahr in das Zentrum "Thembalethu" (Unsere Hoffnung), ein Projekt der Johannesburg Child Welfare Society (JCWS). Drei Mitarbeiterinnen kümmern sich hier um Jugendliche wie Bongiwe, die, fern der Heimat, seit Jahren in der Großstadt auf der Straße leben. Die junge Mutter jedenfalls scheint ganz zufrieden damit, an diesem Tag mit anderen Mädchen und Frauen an diesem langen Tisch zu sitzen und die Perlenschnüre in dekorative Anstecker und Schlüsselanhänger zu verwandeln. Kürzlich wurden ihre Perlenarbeiten sogar nach Deutschland verkauft. 100 Rand kamen diesmal für Bongiwe dabei heraus: "Damit kaufe ich Kleidung und Essen für mein Baby", erklärt sie. Genau das will JCWS mit den angebotenen Kursen erreichen: Wenn die Jugendlichen zum Beispiel nähen, kochen oder Haare schneiden lernen, mit dem Computer umgehen können und Tipps für die Selbstständigkeit bekommen, dann können die Mädchen diese Kenntnisse zu Geld machen.

Das Zentrum Thembalethu kann, wenn die jungen Frauen es wollen, ein echter Wendepunkt in ihrem Leben sein. "Die Mädchen, die zu uns kommen, sind hart geworden durch das Leben auf der Straße. Viele haben traumatische Erfahrungen gemacht, sind zum Beispiel sexuell missbraucht worden. In ihnen steckt viel Wut, und es braucht lange, ihr Vertrauen zu gewinnen", berichtet Sheila Kokome, eine mütterliche Frau in den Fünfzigern, die für die Trainingsangebote bei Thembalethu verantwortlich ist und genau weiß, in welchen Konflikten sich ihre Schützlinge befinden.

Beratungs- und Therapiegespräche sind daher ebenfalls Teil der Angebote, die Thembalethu den Mädchen macht - und manchmal steht am Ende sogar die Rückkehr in die Familie und Nachbarschaft, aus der sie einst weggelaufen sind. "Die meisten stammen nicht aus Johannesburg, sondern kommen von weit her, zum Beispiel aus den Provinzen Kwa Zulu Natal oder Eastern Cape, wie Bongiwe. Es erfordert daher eine intensive Betreuung und Recherche, um die genaue Herkunft der Mädchen zu ermitteln", erklärt Carol Bews, eine der JCWS-Direktorinnen. Rund 80 Mädchen betreut Thembalethu im Jahr, immerhin 37 davon kehrten im letzten Jahr zu ihren Familien zurück.

Doch es gibt natürlich auch die hoffnungslosen Fälle, Mädchen, die den Absprung nicht schaffen und irgendwann auf der Straße sterben - an Drogenmissbrauch, Gewalt oder Aids. Deshalb ist für die Mitarbeiterinnen der JHWS auch jeder scheinbar kleine Schritt von Bedeutung: "Jedes Mädchen, das wieder bei seiner Familie wohnt, jedes Mädchen, das durch uns gelernt hat, für sich selbst zu sorgen, ist ein Erfolg. Aber eben auch jedes Mädchen, das an einem Tag einmal nicht Drogen nimmt oder sich prostituiert." Seit kurzem können bei Thembalethu auch Erfolge auf sportlichem Gebiet gefeiert werden. Dank der Spenden der VW-Konzernbelegschaft, die damit die Aktion "A chance to play" ermöglicht, entsteht mitten in der Betonlandschaft der Johannesburger Innenstadt ein Basketballfeld. Hier werden nicht nur die Mädchen von Thembalethu "a chance to play", also eine Gelegenheit zum Spielen bekommen. Der Sportplatz steht auch anderen Kindern in diesem sozialen Brennpunkt zur Verfügung. Und das ist etwas ganz besonderes, denn Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche sind hier Mangelware.

Trainings, Turniere, Teil eines Teams sein - für viele der Straßenmädchen bei Thembalethu eröffnet sich eine unbekannte Welt. In der sie aber, zumindest für eine Weile, ganz normale Teenager sein können.

Die Johannesburg Child Welfare Socity wird aus Mitteln des Programms "A chance to play" mit rund 23.000 Euro gefördert.


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Quelle:
die zeitung, 3. Quartal 2008, S. 6
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
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abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2008