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LITERATURBETRIEB/023: Zeitschriften und Verlage 5 (SB)


Wilhelm Heyne-Verlag wird übernommen,

ab 2001 "Verlag Heyne Ullstein"


Am 8.12.2000 verstarb der Münchner Verleger Rolf Heyne im Alter von 72 Jahren nach schwerer Krankheit. Im Herbst 2000 hatte er sich entschlossen, eine Mehrheit seines Familienbetriebs an den Axel-Springer-Verlag zu übergeben und dem Zusammenschluß mit dem Econ Ullstein List-Verlag zum neuen Verlag Heyne Ullstein zum 1. Januar 2001 zugestimmt. Der Hamburger Axel Springer Verlag gab bekannt, daß er 75,1 Prozent des Wilhelm Heyne Verlags übernehme. Nach den Worten einer Verlagssprecherin nimmt die neue Verlagsgruppe mit einem zu erwartenden Gesamtumsatz von 350 Millionen Mark neben Bertelsmann einen Spitzenplatz unter den Publikumsverlagen ein. Der Heyne Verlag soll darin weitgehend eigenständig bleiben.

Wirtschaftliche Probleme waren es wohl nicht, die Rolf Heyne zu dieser Fusion veranlaßten. Eher geht man davon aus, daß er, da ohne Erben, eine Regelung treffen wollte, die Namen und Ruf des Verlags erhalten sollte.

1951 war Rolf Heyne in den elterlichen Wilhelm Heyne Verlag eingetreten und wurde bald sehr erfolgreich. Um seinen Umsatz zu steigern, arbeitete er nach dem nunmehr veralteten Prinzip der Quersubventionierung, bei der die Gewinne aus Bestsellern die schwerer verkäuflichen Titel mittragen. So gab er auch Werken eine Chance, die nicht gleich vor der Kritik bestanden, denen er jedoch unterstellte, daß sie möglicherweise später einmal Erfolg haben könnten und so von großem Wert für den Verlag waren. Rolf Heyne zeigte dafür ein sicheres Gespür.

1958 veröffentlichte er seine ersten Taschenbücher. Er war einer der Pioniere dieses Buchtyps und lange Zeit Marktführer auf diesem Sektor. Auch heute ist der Heyne-Verlag noch auf den Gebieten Science Fiction, Fantasy, Horror und Phantastik marktbestimmend. Dem Taschenbuch haftete lange der kulturkritische Verdacht an, "billig" zu sein und vorwiegend der Unterhaltungsliteratur zu dienen. Nach rasanter Aufwärtsentwicklung durch den Nachholbedarf in den ersten Nachkriegsjahren ist jedoch der Buchmarkt für Sachliteratur, Dichtung, für wissenschaftliche Werke und Lexika ohne Taschenbücher nicht mehr vorstellbar.

190 Millionen Mark Jahresumsatz hat der Heyne Verlag zuletzt erzielt, und Rolf Heyne hat sich die Unabhängigkeit - entgegen der Annahme, daß ein Verlag dieser Größe kaum für sich bleiben könne - lange bewahrt. Nun wird die Axel Springer Verlag AG um den zweiten Platz in der Umsatzrangliste deutscher Verlagsgruppen konkurrieren.

Bei Heyne ändert sich voraussichtlich die Verlagspolitik und damit das Programm. Die Übernahme bedeutet, daß sich einer der letzten unabhängigen Verlage an die absehbare Entwicklung anpaßt, daß die beiden großen Konzerne Bertelsmann und Holtzbrinck den Hauptanteil der deutschen Verlagspolitik bestimmen. Unterschiedliche inhaltliche Ausrichtungen auf dem Buchmarkt wird es bald nicht mehr geben, die kulturpolitische Bedeutung der Verlage als gesellschaftskritische Stimme und Autorität hat sich überlebt. Systematisch werden die Grundlagen dazu entzogen.


Erstveröffentlichung am 11. Januar 2001

29. Dezember 2006