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POLITIK/041: Bologna - Zwischen Chancengerechtigkeit und Effizienz im Europäischen Hochschulraum (idw)


HIS Hochschul-Informations-System GmbH - 14.12.2010

Bologna: Zwischen Chancengerechtigkeit und Effizienz im Europäischen Hochschulraum


Im März dieses Jahres trafen sich die 47 Bildungsminister/innen der Bologna-Unterzeichnerstaaten in Budapest und Wien, um die Ziele für die Weiterentwicklung des Europäischen Hochschulraums in den nächsten zehn Jahren abzustimmen. Sie wollen sich unter anderem verstärkt darum bemühen, einen fairen Zugang zu einem qualitativ hochwertigen Studium zu ermöglichen. Debatten, die vorletzte Woche im Rahmen einer EUROSTUDENT- Veranstaltung in Ankara geführt wurden, lassen erahnen, dass es nicht leicht werden dürfte, dieses Ziel zu erreichen. Insbesondere aktuelle Bestrebungen, die Hochschulausbildung effizienter zu gestalten, könnten einer größeren Chancengerechtigkeit entgegenwirken.

Auf Einladung der Middle East Technical University sowie des türkischen Hochschulrats YÖK trafen sich Ende November in Ankara 60 Hochschulexpert/inn/en aus 23 Ländern, die alle dem EUROSTUDENT-Netzwerk angehören. Das Netzwerktreffen brachte sowohl Hochschulpolitiker/innen als auch Forscher/innen an einen Tisch, um über aktuelle und zukünftige Themen und Trends der europäischen Hochschulpolitik zu diskutieren. Für das EUROSTUDENT-Koordinationsteam des HIS-Instituts für Hochschulforschung (HIS-HF) in Hannover diente der Workshop auch der Vorbereitung der nächsten vergleichenden Studie zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden im europäischen Hochschulraum; denn erst durch den Einbezug des Kontextwissens der Netzwerkpartner/innen über deren Hochschulsysteme können die EUROSTUDENT-Daten sinnvoll verglichen und interpretiert werden.

Die Diskussionsbeiträge der EUROSTUDENT-Expert/inn/en in Ankara sowie die Präsentation von Daten aus ausgewählten Ländern weisen auf ein aktuelles Dilemma in der europäischen Hochschulpolitik hin: Zwar sollen die Rahmenbedingen des Studiums verbessert und die Hochschulbildung für unterrepräsentierte Gruppen geöffnet werden. Gleichzeitig gibt es aber Bestrebungen - und das nicht zuletzt wegen des durch die Finanzkrise verursachten Sparzwangs im Hochschulbereich -, die europäischen Hochschulsysteme effizienter zu gestalten. In einigen Ländern zeichnet sich bereits ab, dass sich ein Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Zielsetzungen aufbauen könnte.

Dies ist beispielsweise im dänischen Hochschulsystem der Fall. Wie in anderen skandinavischen Ländern ist auch in Dänemark das Hochschulsystem traditionell relativ offen für ältere Studierende. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und der damit einhergehenden erhöhten Nachfrage des Arbeitsmarkts nach hochqualifizierten Arbeitskräften wird Dänemark daher gerade in zentral- und südeuropäischen Ländern als Vorbild bei der Gestaltung des Hochschulzugangs gesehen. Diese Vorbildfunktion könnte ins Wanken geraten, denn aktuell wird in Dänemark diskutiert, die traditionelle Studierendenklientel, das heißt Schulabgänger/innen der Sekundarstufe 2, wieder stärker zu begünstigen.

In Dänemark ist die Vergabe von Studienplätzen unter anderem von der Schulabgangsnote abhängig. Diese soll bei Schulabgänger/inne/n nun um den Faktor 1,08 höher gewichtet werden, sofern der Zeitraum zwischen dem Verlassen der Schule und dem Einschreiben an einer Hochschule weniger als ein Jahr beträgt. Derzeit liegt dieser Zeitraum bei zwei Jahren. Durch die Neuregelung soll das im internationalen Vergleich sehr hohe durchschnittliche Studienabschlussalter gesenkt werden, damit junge Absolvent/inn/en dem Arbeitsmarkt eher zur Verfügung stehen. Was für unmittelbare Schulabgänger/innen ein Privileg ist, könnte sich als nachteilig für berufserfahrene Studierwillige höheren Alters oder für Rückkehrer/innen an die Hochschule erweisen und damit der Chancengerechtigkeit des Hochschulsystems entgegenwirken.

Eine Analyse derartiger aktueller Trends und ihrer Auswirkungen auf die soziale und wirtschaftliche Lage von Studierenden in Europa erlaubt die international vergleichende EUROSTUDENT-Studie ("Synopsis of Indicators"), die im Juni 2011 der Öffentlichkeit vorgestellt wird.

Zum Projekt EUROSTUDENT: EUROSTUDENT ist ein länderübergreifendes Projekt, das Informationen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage von Studierenden in Europa zur Verfügung stellt. Weiterhin wird das Thema Auslandsmobilität während des Studiums behandelt. Die Anfänge des Projekts reichen in die zweite Hälfte der 1990er Jahre zurück. EUROSTUDENT veröffentlicht standardisierte Länderberichte ("National Profiles"), die detailliert die Situation in den teilnehmenden Ländern darstellen. Eine länderübergreifende, indikatorengestützte Analyse ("Synopsis of Indicators") ordnet die nationalen Befunde in einen internationalen Rahmen ein. An der gegenwärtig laufenden vierten Runde von EUROSTUDENT nehmen 25 europäische Länder teil. Die Konsortialführerschaft liegt beim HIS-Institut für Hochschulforschung (HIS-HF) in Hannover.

Nähere Auskünfte zu EUROSTUDENT unter:
www.eurostudent.eu

Weitere Informationen unter:
http://www.eurostudent.eu/download_files/documents/Synopsis_of_Indicators_EIII.pdf
- EUROSTUDENT III Synopsis of Indicators

http://www.eurostudent.eu/results/reports
- Nationale Berichte aus dem EUROSTUDENT-Netzwerk

http://www.his.de/pdf/pub_fh/fh-201011.pdf
- EUROSTUDENT-Studie zum Hochschulzugang in sieben europäischen Ländern

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution383


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
HIS Hochschul-Informations-System GmbH, Theo Hafner, 14.12.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2010