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SEEGRENZE/011: Boats4people zeigt Flagge - Seefront Europa (10. Teil) (B4p)


Kampagne Boats4people im Mittelmeer (1. bis 19. Juli 2012)

Eine Delegation trifft den einzigen Überlebenden der Schiffstragödie, die 55 Menschenleben gekostet hat

Boats4People Kommuniqué Nr. 5 - Zarzis, 11. Juli 2012, 20:14 Uhr



Ein Jahr und ein paar Monate nach dem Vorfall, der als "left-to-die-boat" zu internationaler Empörung geführt hat, ist es zu einem neuen ähnlich dramatischen Vorfall gekommen. Das zeigt, dass trotz veränderter politischer Grosswetterlage weiterhin Flüchtlinge und MigrantInnen unter entsetzlichen Umständen im Mittelmeer sterben.

Im März letzten Jahres starben 63 Personen: Sie trieben nach einem Motorschaden 14 Tage auf dem Meer, nachdem sie Tripolis mit dem Ziel Süditalien verlassen hatten. Das passierte während der internationalen Militärintervention in Libyen und daher in dicht überwachten Gewässern.

Einige belastende Berichte über das Versagen einer Reihe von Akteuren wurden veröffentlicht und eine Klage wegen unterlassener Hilfeleistung in Frankreich eingereicht.

Boats4people hat heute vormittag (11. Juli) im südtunesischen Zarzis ein Interview [1] zu dem neuen tragischen Vorfall geführt und nun verstanden, dass die dramatischen Auswirkungen des europäischen Migrationsregimes anhalten - trotz des Falls des Gaddafi-Regimes und des Endes der internationalen Intervention in Libyen.

Abbas, der eritreische einzige Überlebende des Vorfalls [2], wurde am Dienstag (10.07.2012) von tunesischen Fischern 35 Meilen vor der Küste von Zarzis gefunden. Er hing auf den Resten eines Gummiboots. Auf diesem Boot hatte er vor ungefähr 14 Tagen mit 56 Personen an Bord (20 Somaliern, 2 Sudanesen und 34 Eritreern), unter ihnen sein älterer Bruder und seine zwei Schwestern, Tripolis verlassen. Nach ungefähr 26 Stunden Schifffahrt kenterte das Boot, das in sehr schlechtem Zustand war. Nur Abbas schaffte es, sich am Boot weiter festzuhalten. Der Motor war untergetaucht und ausgefallen. Der Überlebende trieb 14 Tage in offener See. Ab und zu sah er in Entfernung andere Schiffe. Nachdem tunesische Fischer ihn gestern gerettet hatten, wurde ein Patrouillenschiff der tunesischen "Nationalen See-Wache" ausgeschickt. Das übernahm ihn um 15:30 Uhr. Er wurde in das Krankenhaus von Zarzis gebracht, wo er wegen Dehydrierung und äusserster Erschöpfung behandelt wurde.

Boats4people kritisiert aufs Neue die Politik der Abschottung, die Flüchtlinge und MigrantInnen dazu zwingt, auf unsichere Boote zur Überquerung des Mittelmeers zu steigen. Boats4People kritisiert nochmals die Kriminalisierung der Hilfe für Flüchtlinge und MigrantInnen in Seenot. Denn das hat das Mittelmeer de facto in einen Friedhof verwandelt.

In Zusammenarbeit mit dem Forensic Oceanography Projekt des Goldsmiths College wird Boats4People nachforschen, ob es irgendwelche Möglichkeiten gab, mit denen das tragische Schicksal dieser Bootspassagiere hätte abgewendet werden können.

Mehr Informationen zum Ort des Vorfalls auf der interaktiven Landkarte (Echtzeit) auf WatchTheMed:
https://watchthemed.crowdmap.com/reports/view/23


Kontakt: contact@boats4people.org

Aufruf und Zeitplan der Kampagne (1. bis 19. Juli 2012):
http://www.boats4people.org/index.php/de/empfang/392-zeitplan

Mehr Infos unter:
http://www.boats4people.org
http://ffm-online.org/blog-2
http://www.afrique-europe-interact.net

Twitter und Facebook: Boats 4 People
http://www.facebook.com/boats4people
https://twitter.com/#!/Boats4People
http://twitter.com/#!/ae_interact

Anmerkungen:

[1] Die Aussage von Abbas Satou, dem einzigen Überlebenden der Bootstragödie mit 56 Passagieren ("Testimony of Abbas Satou - Sole survivor of 56 in migrant boat tragedy"), kann heruntergeladen werden:

http://vimeo.com/45617472

Es wurde am 11.07.2012 im Krankenhaus von Zarzis im Rahmen der Boats4People-Kampagne und des ERC-geförderten Forensic Architecture Forschungsprojekts an der Goldsmiths University, London, von Lorenzo Pezzani geführt, von Farouk Ben Lhiba organisiert und von Charles Heller gefilmt.

[2] Siehe im Schattenblick → BRENNPUNKT → EUROPOOL:
SEEGRENZE/009: Todeszone Mittelmeer - SOS Migranten (1. Teil) (B4p)
http://schattenblick.de/infopool/europool/brenn/ebse0009.html

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Quelle:
Boats4People Kommuniqué Nr. 5 - Zarzis, 11. Juli 2012
E-Mail: contact@boats4people.org
Internet: www.boats4people.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2012