Unabhängige Bauernstimme, Nr. 426 - November 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern
Unfaire Handelspraktiken sollen verboten werden
Auch die Tierschutzprogramme des Handels könnten betroffen sein
von Marcus Nürnberger
Die immer weiter fortschreitende Konzentration einzelner Unternehmen innerhalb der Handelskette von Lebensmitteln und deren daraus resultierende Marktmacht wird schon seit vielen Jahren immer wieder kritisiert. Auch EU-Kommissar Phil Hogan sieht diese Bedrohung eines fairen Wettbewerbs. 2014 sagte er im EU-Agrarausschuss: "Die schnelle Konzentration bei Handel und Verarbeitern hat für viele Landwirte zu einer ungleichen Verhandlungsposition geführt." Im Frühjahr dieses Jahres hat die Generaldirektion Landwirtschaft nun einen Vorschlag gemacht, obwohl Handelsfragen in der EU eigentlich in die Kompetenz der Generaldirektionen Binnenmarkt und Wettbewerb fallen würden.
Klare Regeln
In dem neuen Gesetz soll u. a. eine zeitnahe Bezahlung von leicht
verderblichen Waren geregelt werden. Ebenso ein Verbot kurzfristiger
Stornierung, die es dem Anbieter von verderblicher Ware unmöglich
macht, andere Abnehmer zu finden. Auch sollen einseitige Änderungen
der Lieferbedingungen - die Häufigkeit, den Zeitpunkt, Umfang und
Qualität betreffend - untersagt werden. Zulasten des Lieferanten
gehende Klauseln, die diesen zur Übernahme der Kosten für verdorbene
Ware verpflichten, und die Praktik, dass der Handel sich eine Listung
neuer Produkte durch sogenannte Listungsgebühren bezahlen lässt,
sollen ebenso untersagt werden wie die Praxis, den Lieferanten die
Produktwerbung des Verkäufers bezahlen zu lassen.
Nur gesetzliche Standards
Im weiteren Abstimmungsprozess zwischen Kommission, Agrarministerrat
und EU-Parlament wurden vor allem im Agrarausschuss des Parlaments
Anfang Oktober zahlreiche Änderungsanträge gestellt. Dabei wurde einem
von deutschen Parlamentariern der CDU eingebrachten Änderungsantrag
zugestimmt, der auch Vorgaben zu Tierschutz- und Umweltfragen als
unfaire Handelspraktiken betrachtet. Hiervon betroffen wären dann
eventuell auch die vom LEH in den vergangenen Jahren eingeführten
Tierwohlprogramme. Denn die Parlamentarier fordern, dass der Handel
keine zusätzlichen Qualitätskriterien von Lieferanten verlangen darf,
die über gesetzliche Bestimmungen hinausgehen. Nur wenige Tage später
forderte Kaufland in einer Pressemitteilung Tier- und
Umweltschutzorganisationen auf, "gemeinsam mit uns diese bewusste
Entscheidung gegen den Tierschutz zu verhindern". Eine ungewöhnliche
Allianz sollte da entstehen. "Mit diesem EU-Verbot sollen kleine
landwirtschaftliche Betriebe geschützt werden. Aber das Gegenteil ist
der Fall: Es nimmt gerade kleinen und mittelständischen Betrieben die
Möglichkeit, rentable Nischen zu entwickeln und sich im Wettbewerb zu
behaupten", argumentiert Kaufland weiter. Die verstärkte Lobbyarbeit
der Tier- und Umweltschutzverbände zeigt, dass die Initiative offenbar
Erfolg hatte.
Augenwischerei?
Ob die Zielrichtung wirklich der Schutz kleiner Betriebe ist, darf
bezweifelt werden. Vielmehr könnte den großen Handelsunternehmen auch
daran gelegen sein, die Gesetzesinitiative als Ganzes zu kippen. Denn
der Zeitplan ist denkbar eng. Eine Entscheidung muss noch vor den
Parlamentswahlen im Mai kommenden Jahres fallen. Neben einer möglichen
Plenarabstimmung im Parlament muss die Abstimmung innerhalb des
Trilogs zwischen Kommission, Agrarrat und Parlament stattfinden. Hier
jedoch, so zeigen erste öffentliche Stellungnahmen, wird die
eingebrachte Erweiterung auf Tierschutz- und Umweltstandards kritisch
gesehen. Selbst der Berichterstatter des Agrarausschusses, der
italienische Sozialdemokrat Polo De Castro, hat eine Kehrtwende
hingelegt. Obwohl er im Agrarausschuss für die Vorschläge der CDU
stimmte, erklärte er danach unter dem Druck der Umweltorganisationen
in einer Pressemitteilung, diese im Trilog nicht verteidigen zu
wollen. Die EU-Abgeordnete Maria Heubuch, die den Gesetzesvorschlag
für die Fraktion der Grünen verfolgt, erklärt: "Die konservativen
Kräfte im EU-Parlament sperren sich traditionell gegen jede Anhebung
von gesetzlichen Tier- und Umweltstandards. Nun wollen sie auch höhere
private Standards verbieten. Aber es gibt genug Beispiele dafür, dass
der Handel oft weitaus rascher auf die Bedürfnisse und Forderungen der
Bürgerinnen und Bürger eingeht als die Politik. Gentechnikfreie Milch
z. B. gäbe es nicht ohne die Initiative der Supermärkte. Wenn nun
weder die gesetzlichen noch die privaten Standards angehoben werden
dürfen, dann werden notwendige Verbesserungen komplett ausgebremst.
Prinzipiell begrüße ich höhere Standards im Tier- und Umweltschutz.
Uns Grünen ist dabei allerdings eines wichtig: Der Mehraufwand muss
den Bäuerinnen und Bauern fair bezahlt werden."
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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 426 - November 2018, S. 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2019
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