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GRENZEN/014: Lampedusa - auf den Spuren der Flüchtlinge in Zeiten des Notstandes (borderline-europe)


borderline-europe - Menschenrechte ohne Grenzen e.V.

Mobile Einheit >humanitärer Notstand< im Mittelmeer

Lampedusa und Trapani, auf den Spuren der Flüchtlinge in Zeiten des Notstandes.
Recherchebericht vom 30.4. bis 3.5.2011

Report deutsch: Judith Gleitze
auf der Grundlage des Berichts in italienischer Sprache von Germana Graceffo und Judith Gleitze

Ein monitoring Projekt Borderline Sicilia, borderline-europe, Assistenti sociali senza frontiere
mit der freundlichen Unterstützung der evangelischen Kirche im Rheinland.

Wrack eines Flüchtlingsbootes im Hafen von Lampedusa, 01/05/11 - Foto: © Judith Gleitze

Wrack eines Flüchtlingsbootes im Hafen von Lampedusa, 01/05/11
Foto: © Judith Gleitze

Gegen Mittag landen wir auf Lampedusa, mit einem Tag Verspätung, denn gestern war die Insel wegen Sturm mal wieder von der Außenwelt abgeschnitten. Aktivisten des Vereins Askauvusa - barfuß - holen uns vom Flughafen ab und laden uns zu einem großen 1. Mai-Mittagessen ein. Noch während des Essen erfahren wir von der Mitarbeitern der IOM, dass es eine Anlandung gab. IOM, UNHCR, Save the Children und das italienische Rote Kreuz arbeiten gemeinsam im Projekt PRAESIDUM auf der Insel.

Als wir am Hafen ankommen, ist das Boot noch zu sehen, doch die Flüchtlinge sind schon in die Zentren verteilt worden. In Libyen losgefahren sind die 421 Personen aus diversen afrikanischen Ländern zum Teil auf ein Schiff der Guardia di Finanza umverteilt worden. Kurz darauf informiert uns ein Mitarbeiter der MSF (Ärzte ohne Grenzen), dass gegen 18 Uhr ein weiteres Boot erwartet wird, das aber schon gegen 17 Uhr ankommt - wieder Flüchtlinge, die in Libyen gestartet sind und auf eine Einheit der Guardia di Finanza umgebootet wurden, vom Flüchtlingsboot ist nichts zu sehen. 130 sind es diesmal. Am Abend erfahren wir von der Ankunft eines kleinen Bootes mit 16 Personen aus Tunesien.
Insgesamt haben am 1.5.2011 1026 Personen in fünf Anlandungen Lampedusa erreicht, wie uns MSF am nächsten Tag bestätigt.

Beamte der Guardia di Finanza fahren das Flüchtlingsboot, angekommen am 01.05.11 in Lampedusa, zu einem Liegeplatz im Hafen - Foto: © Judith Gleitze

Beamte der Guardia di Finanza fahren das Flüchtlingsboot, angekommen am 01.05.11
in Lampedusa, zu einem Liegeplatz im Hafen
Foto: © Judith Gleitze

Am gestrigen Tag, 30.4.2011, gab es ebenfalls mehrere Anlandungen, z.T. direkt auf der Insel (ohne Intervention des Küstenwache oder der Guardia di Finanza). Gegen Nachmittag des Vortages waren zudem 715 Flüchtlinge aufgelesen und direkt auf das Marineschiff "Flaminia" umgebootet worden, ohne dass sie überhaupt einen Fuß an Land setzen konnten. Eigentlich sollte die "Flaminia" sofort noch mehr Flüchtlinge aus den Zentren aufnehmen, doch die See war für diese Aktion zu rau, so dass die anderen an diesem Tag angekommenen Flüchtlinge erst einmal ins Zentrum gebracht wurden.

Die 715 mussten allerdings eine Nacht auf dem schaukeligen Schiff ausharren, bis es dann am Nachmittag des 01.05. mit weiteren 800 Passagieren beladen ablegte. Unter ihnen befinden sich 11 Minderjährige (laut Ärzte ohne Grenzen/UNHCR), die ins sizilianische Porto Empedocle gebracht werden sollen, 450 sind für Mineo (Sizilien), 100 für Pozzallo (Sizilien) und 750 für Crotone (Kalabrien) bestimmt, wie wir erst nach unserer Rückkehr erfahren. Im Hangar von Porto Empedocle, einem Zwischenlager, nicht mehr als eine Halle, befinden sich nun 170 Personen. Auf der "Flaminia" habe es nach Aussagen von IOM keinerlei Identifizierung der Passagiere gegeben, es seien nur medizinisches Personal an Bord gewesen.

Alle Passagiere der "Flaminia" seien Afrikaner/innen aus dem Subsahararaum gewesen, wurde uns berichtet.

Ankunft von Flüchtlingen gegen frühen Abend, 01.05.2011 - Foto: © Judith Gleitze

Ankunft von Flüchtlingen gegen frühen Abend, 01.05.2011
Foto: © Judith Gleitze


Lampedusa, 02.05.2011

Am Hafen
Wir machen einen kurzen Abstecher an die "stazione marittima", dem Hafengebäude am Fährhafen. Dort treffen wir, ungehindert von den Ordnungskräften, auf ca. 50 (es können auch deutlich mehr sein, wir können nicht in das Gebäude hinein) afrikanische Flüchtlinge, augenscheinlich aus Somalia, Eritrea, aber auch aus anderen Ländern. Sie schlafen auf Schaumgummimatratzen, eine neben der anderen, auf dem Boden.

Es sind die gestern Angelandeten, die nicht mehr ins Zentrum gebracht wurden, da dort der Platz fehlte. Wir begeben uns erneut zur Küstenwache, wo wir eine Verabredung mit dem Kommandanten Morana haben. Er informiert uns, dass die Fähre der Moby-Lines, die vor dem Hafen kreuzt, ca. 1700 Flüchtlinge aufnehmen sollen, die sich noch auf der Insel befinden. Ein Gespräch mit MSF bestätigt, 1744 Flüchtlinge befinden sich noch auf Lampedusa.

Contrada Imbriacola
Ein Besuch im Zentrum Contrada Imbriacola, der eigentlichen Erstaufnahme Lampedusas, bestätigt, dass die Flüchtlinge abtransportiert werden sollen. Hier und im zweiten Zentrum, der ex-Nato Basis Loran werden die Flüchtlinge auf den Abtransport vorbereitet. Contrada Imbriacola ist nicht zugänglich als Lager, schon auf der Straße dorthin werden wir von Carabinieri und Soldaten abgefangen.

Doch wir haben einen guten Vorwand: wir wollten den zuständigen Polizeikommissar sprechen, da wir aus Deutschland die Vollmacht einer Frau erhalten haben, die ihren eritreischen Cousin vermisst. Wir wollen erfragen, ob er hier registriert wurde. So lässt man uns zumindest in den vorderen Teil des Lagers ein, massenhaft Soldaten und auch Soldatinnen sowie andere Sicherheitskräfte bevölkern den Vorplatz. Unter den Bäumen sehen wir Plastikplanen als Dächer, darunter, auf der Erde, Flüchtlinge, die neben vier wilden Hunden dort schlafen (müssen). Dieser Geschichte gehen wir später nach.

Der Kommissar ist nicht zu sprechen, und so begeben wir uns nach einer kurzen Mittagspause an die Loran-Basis, die - sonst auch absolut abgeschottet - ganz still und ruhig im vom Sandsturm immer gelber werdenden Himmel auf der Spitze der Insel liegt. Alle sind mittlerweile abtransportiert worden an den Hafen. An der "stazione marittima" finden wir dann auch Hunderte von Afrikanern vor, Frauen und Männer, die sich im Regen unter das Dach drängeln, Handtücher gegen den nasskalten Wind um sich geschlungen. Die Polizei hält und auch hier nicht auf, der Wolkenbruch hilft uns, wir mengen uns zwischen die Flüchtlinge, dennoch argwöhnisch beäugt von mehreren Polizisten, so dass wir keine Gespräche beginnen können. Alles ist voller Abfall, es werden immer mehr Menschen. Immerhin gibt es nun einen Sanitärcontainer. Gegen 17 Uhr gelingt es der Fähre endlich im Sturm anzulegen und die Menschen werden nach und nach auf das Schiff gebracht. Erst nach 20 Uhr verlässt die "Vincent Moby" den Hafen, Richtung Apulien, wie uns der Zuständige des Zivilschutzes berichtet.

CSPA Contrada Imbriacola, Flüchtlinge aus dem Subsahararaum - Foto: © Judith Gleitze

CSPA Contrada Imbriacola, Flüchtlinge aus dem Subsahararaum
Foto: © Judith Gleitze

Lieber draußen schlafen, als Ärger riskieren
Warum aber mussten die Flüchtlinge im Zentrum Imbriacola draußen auf dem Boden schlafen?

Mit 1744 Flüchtlinge, verteilt auf zwei Zentren, dem Hafen und noch einer weiteren Anlage im Naturschutzgebiet wäre Platz für alle gewesen, Unsere Kollegen aus Lampedusa und Palermo, die am 29.4. und 30.4. das monitoring machten, berichten, dass die Ankünfte in der Nacht vom 29.4. unglaublich schlecht gemanagt wurden.

Letztendlich mussten die Beobachter einspringen, den durchnässten Flüchtlingen Tee und Kekse bringen und sich um sie kümmern. In der Nacht wurden sie dann nach und nach in das Zentrum Imbriacola gebracht, doch sie durften nicht in die Zimmer, sondern mussten - Frauen und Kinder ausgenommen - draußen schlafen.

Im hinteren Trakt, gesichert durch einen zweiten Zaun, waren ca. 100 Magjrebiner untergebracht - sie sollten nicht mit diesen in Kontakt kommen. Statt die wenigen Tunesier zu verlegen hat man diese in einem Trakt mit ca. 600 Schlafmöglichkeiten (laut MSF) gelassen, die Flüchtlinge, die aus Libyen angekommen waren, mussten jedoch draußen bleiben! Die Angst, dass die Tunesier rebellieren, da viele von ihnen abgeschoben werden sollen, wollte man nicht eingehen. Auf Kosten der völlig erschöpften afrikanischen Flüchtlinge.

Contrada Imbriacola, Flüchtlingslager innen - Foto: © Judith Gleitze

Contrada Imbriacola, Flüchtlingslager innen
Foto: © Judith Gleitze

Seit Wochen sind Tunesier hier eingesperrt
Laut einem Dekret des Innenministerium können alle Tunesier, die nach dem 5.4.2011 angekommen sind, abgeschoben werden, alle, die vor dem 5.4.2011 angelandet sind erhalten in der Regel einen zeitweiligen Aufenthalt. Nun scheint es aber in Lampedusa unter den ca. 100 Tunesiern einige zu geben, die entweder einen Asylantrag gestellt haben oder Anrecht auf diesen Aufenthalt haben - MSF berichtet uns, dass ca. 30 Tunesier seit mehr als 25 Tagen auf der Insel sind, sie werden nicht verteilt, nicht abgeschoben, gar nichts passiert. Es scheint sich um Asylsuchende zu handeln, denn sie sind nicht in der hinteren geschlossenen Abteilung untergebracht. Wir haben versprochen, uns darum zu kümmern, warum diese Menschen immer noch hier sind.

Am 3.5. werden 45 der ca. 90 Tunesier nach Bologna und Gradisca geflogen und dort in den jeweiligen Abschiebungshaften inhaftiert. Warum nicht mehr direkt von Lampedusa abgeschoben wird ist uns nicht klar. Der Vertrag mit der tunesischen Regierung spricht von nicht mehr als 800 Personen, die sie zurücknehmen würden, Anfang Mai sind ca. 650 abgeschoben worden. Am Abend des 3.5.2011 erhalten wir die Bestätigung, dass sich noch 45 Tunesier auf Lampedusa befinden, angeblich soll es in den nächsten Tagen auch keine Abschiebungen geben. Wie wir erfahren haben erhalten die Tunesier bei der Abschiebung im Flugzeug einen Bescheid, der die Abschiebung als "Zurückweisung" deklariert, positiv, weil sie damit keine Einreisesperre erhalten, negativ, weil kein Richter sich mit dieser Abschiebung beschäftigt hat und es damit auch keine Klagemöglichkeiten gibt.


Projekt "Notstand Lampedusa"
Die Organisation INMP, ein nationales Institut für Gesundheit von Migranten und zum Kampf gegen Armutskrankheiten macht ein 8-wöchiges Projekt auf Lampedusa. Alle hier arbeitenden Organisationen verstehen nicht so wirklich, was sie da eigentlich machen. Wir verbreden uns mit dem Leiter, einem Arzt aus Palermo, der uns das Projekt in seinem "Büro" erklärt: 20 Projektmitarbeiter im Schichtdienst haben ihre Schreibtische im Raum der Dekompressionskammer im lampedusanischen Poliambulatorium aufgeschlagen...

Das Projekt ist initiiert vom Ospedale Civico in Palermo, das auch die meisten Ärzte stellt. Neben der psychosoziologischen Recherche, wie die Lampedusaner die Flüchtlinge aufnehmen (es werden Interviews gemacht, die die Ängste der Lampedusaner aufzeigen sollen) befinden sich die Ärzte und das medizinische Personal sowie die Dolmetscher an der Mole und machen die akute Erstuntersuchung. Völlig unklar, wieso, denn MSF und der örtliche Gesundheitsdienst tun dies ebenso. Der Leiter spricht viel von Befragungen der Flüchtlinge über die Fluchtursache, alle Verletzungen etc. werden aufgeschrieben und fotografiert, damit man - das ist das Ziel - eine "task force" bilden kann, die in ganz Italien und weltweit einsetzbar ist.

Aufgrund der Verletzungen und der Krankheiten, die sich die Flüchtlinge auf der Flucht zugezogen haben, soll festgestellt werden, welche Ärzteteams man in welche Länder zu bestimmten Einsätzen schicken soll (Länder, in denen Frauen beschnitten werden: Gynäkologen etc.) Uns scheint das Ganze a) mit wenig Hand und Fuß, b) in acht Wochen schlecht zu erkunden und c) nicht weit genug gegriffen. Sie untersuchen keine Krankheiten, die die Flüchtlinge sich schon im Herkunftsland zugezogen haben und die man genau behandeln müsste, wenn man "task forces" vor Ort schickt... Alles in Allem scheint das alles nicht wirklich wichtig, doch das Gesundheitsministerium sowie die sizilianischen Abteilung für Gesundheit in der Regionalregierung scheinen da viel Wert drauf zu legen. Dass erschöpfte Flüchtlinge nicht mal ein Bett und ordentliche Verpflegung auf der Insel erhalten scheint nicht von Interesse.

Migrationsmuseum des Vereins Askavusa - Foto: © Judith Gleitze

Migrationsmuseum des Vereins Askavusa
Foto: © Judith Gleitze

Der Zivilschutz
Am Abend treffen wir uns nach einem Tag des unermüdlichen Hin und Hers im Hotel eines Zivilschutzbeamten auf der Insel. Antonio Rulli soll mit seinen Kollegen die Fragen der Migration mit allen Beteiligten (Polizei, Küstenwache etc.) koordinieren. Noch haben sie kein Büro auf der Insel, was die Arbeit etwas erschwert. Seit dem 13.4.2011 ist der Zivilschutz per Erlass von der italienischen Regierung eingesetzt, die Verteilung der Flüchtlinge und Migranten in ganz Italien zu organisieren. Entscheidungen wie das Umbooten der Flüchtlinge auf ein Schiff der Marine z.B. trifft nun der Zivilschutz, nicht das Innenminsterium. Rulli bestätigt uns die Abfahrt von 1600 Flüchtlingen, 100 seien auf der Insel verbleiben, und wir sind sicher, dass es sich um die Tunesier handelt...



TRAPANI - Salina Grande und Bahnhof
30.4.2011

Eigentlich sollte unser Flieger nach Lampedusa gehen, doch aufgrund des Sturmes ist alles unsicher. Wir buchen um und fahren statt dessen ins Flüchtlingslager Salina Grande in der Nähe von Trapani, Westsizilien. Hier soll es heute ein Sit-in geben, organisiert von Gruppen aus Palermo und Trapani. Als wir mittags ankommen ist es alles ein wenig flau, einige Flüchtlinge, vor allem Tunesier, die vor dem 5.4. angekommen sind, brauchen dringend Rechtsberatung, doch der Anwalt soll erst nachmittags kommen. So übernimmt meine Reisebegleiterin für Lampedusa, Germana Graceffo, die Beratung. Nach der Aufnahme einiger Fälle gehen wir zum Lager, für das es normalerweise keinen Zutritt gibt, und fragen nach dem Leiter der Asylkommission, der hier seinen Sitz hat. Er ist heute nicht da und wir schildern die Fälle einer Sozialarbeiterin, die verspricht, sich zu kümmern. Ca. 143 Personen seien in Salina Grande, eigentlich einem Aufnahmezentrum für Asylsuchende, derzeit untergebracht, die meisten von ihnen Tunesier, die auf ihren zeitweiligen Aufenthalt oder auf ihr Asylverfahren warten. Doch das war nicht immer so - noch vor wenigen Tagen war das Lager plötzlich mit über 600 Menschen um das Dreifache der Kapazität überfüllt und wurde ohne Dekret plötzlich zur Abschiebungshaft. Tunesier, die auf ihre Abschiebung warten, wurden hier in eine Turnhalle gesperrt, auch Minderjährige sollen eingesperrt worden sein.

Gegen Nachmittag erreicht uns ein Anruf von Tunesiern, die schon am Tag zuvor aus Salina Grande mit einem zeitweiligen Aufenthalt entlassen worden waren. Man hatte ihnen, wie auch zuvor in anderen Lagern geschehen, keinerlei Infos gegeben, wie sie sich nun fortbewegen können. Die Gruppe von ca. 25 Personen hatte nun schon eine Nacht auf dem Bahnhof Trapani verbracht, da man sie ohne Ticket keinen Zug besteigen ließ. Wir begeben uns dorthin und es wird ein fünfstündiger Kampf mit der Präfektur, der Quästur und der Italienischen Eisenbahn. Seit dem 29.4. gibt die Reiseerlaubnis für die Tunesier schriftlich.

Ein Abkommen zwischen Zivilschutz und Staat vom 13.4.2011 besagt, dass die Kosten an die Bahn erstattet werden. In dem Erlass des 29.4. steht zudem, dass die Tunesier mit diesem Aufenthalt jeden Zug nehmen dürfen, wenn sie sich haben registrieren lassen bei der Bahn. Nichts zu machen. Der Zugführer weigert sich, sie mitzunehmen. Die Tunesier und einige italienische Aktivisten besetzen den Zug. Die Bahn habe den Erlass nicht erhalten (wir haben ihn uns von den Bahnpolizei zeigen lassen), trotz der Intervention der Präfektur ist nichts zu machen. Erst als der zuständige des Migrationsbüros der Quästur kommt, löst sich das Ganze endlich auf, eine Mitarbeiterin für den Ticketschalter wird nach Stunden endlich besorgt, das Heim wird angewiesen, die Tunesier wieder für eine Nacht aufzunehmen. Am nächsten Tag können sie endlich losfahren. Zeitgleich geschieht das gleiche in Palermo - knapp 100 Tunesier sitzen fest, hier geht es noch langsamer voran mit den Verhandlungen. Es wird klar, dass man die Tunesier nicht gen Rom fahren lassen will an diesem Tag, denn am 1.5.2011 wird Johannes Paul II in Rom heilig gesprochen - da will man keine Tunesier in der Stadt.

Diese Nichtachtung von Erlassen, dieses "jeder-macht-seins" wird in Italien immer mehr zur Normalität. Nur einen Tag später, am 2.5.2011, nachdem die Gruppe der knapp 100 Tunesier in Palermo auf dem Bahnhof nächtigen musste, geschieht das Gleiche mit der nächsten Gruppe. Wieder muss gekämpft, diskutiert, debattiert werden für ein verbrieftes Recht. Das macht die Arbeit vor Ort so unerhört schwer.


URL des Originaltextes:
http://www.borderline-europe.de/downloads/2011_05_LAMPEDUSA-TRAPANI_ein_Bericht.pdf


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Quelle:
borderline-europe - Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
mit freundlicher Genehmigung der Autorin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2011