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GRENZEN/089: Pro Asyl lehnt Zurückweisungen von Schutzsuchenden von Griechenland in die Türkei ab (Pro Asyl)


Pro Asyl - Presseerklärung vom 29. Januar 2016

PRO ASYL lehnt Zurückweisungen von Schutzsuchenden von Griechenland in die Türkei ab

Türkei soll zum Flüchtlingslager Europas werden, die Menschenrechte werden de facto außer Kraft gesetzt


Die Pläne der holländischen und womöglich auch der deutschen Regierung, Asylsuchende aus Griechenland mit Fähren in die Türkei zurückzuweisen, lehnt PRO ASYL strikt ab. "Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat, damit werden die Menschenrechte von Flüchtlingen außer Kraft gesetzt", kritisiert Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Die Türkei werde zum "Flüchtlingslager Europas, die Menschenrechte der Flüchtlinge ausgehebelt. Die EU verbiegt die Realität, bis sie passt. Das wäre der kollektive Ausstieg Europas aus dem Flüchtlingsschutz."

Beabsichtigt sind illegale Pushbacks von Flüchtlingen von Griechenland in die Türkei. Damit würde gegen europäisches und internationales Recht verstoßen werden. Die Situation in der Türkei wird verharmlost, ebenso wie die brutalen Folgen für Menschen, die Schutz suchen. Das Menschenrecht auf Asyl wäre faktisch ausgehebelt.

Schutzsuchenden, die in die Türkei zurückgewiesen werden, drohen dort Menschenrechtsverletzungen bis hin zur Abschiebung in die Krisenregionen, z.B. Syrien und Irak. Seit der Verabschiedung des Aktionsplans von Europäischer Union und türkischer Regierung am 29. November 2015 wurden in der Türkei bereits willkürliche Inhaftierungen von Flüchtlingen, Misshandlungen in Haftanstalten sowie illegale Abschiebungen und Zurückweisungen nach Syrien und in den Irak dokumentiert. PRO ASYL stellt klar: Rückführungen von Asylsuchenden in die Türkei sind illegale Zurückweisungen, die gegen das Non-Refoulment-Gebot der Genfer Flüchtlingskonvention, gegen europäisches und gegen internationales Recht verstoßen.

Die Türkei - ein "sicherer Drittstaat"?

Die Türkei hat die Genfer Flüchtlingskonvention zwar ratifiziert, behält aber bis heute den sogenannten geographischen Vorbehalt bei. Das bedeutet, dass nur Schutzsuchende aus Europa von der Türkei selbst als Flüchtlinge anerkannt werden können. Alle anderen haben in der Türkei de facto keine Schutzperspektive, keine soziale Unterstützung, kaum Zugang zum Arbeitsmarkt oder zum Gesundheitssystem. Damit kann die Türkei kein "sicherer Drittstaat" sein, denn diese Einstufung kann nur bei Staaten vorgenommen werden, in denen die GFK uneingeschränkt gilt. Flüchtlinge, die über die Türkei nach Europa reisen, dürfen nicht dorthin zurückgeschickt werden. Allein aus dieser Tatsache heraus wäre es rechtswidrig, die Türkei zum sicheren Drittstaat zu erklären.

Nach Art. 38 der Asylverfahrensrichtlinie müssen Flüchtlinge in dem "sicheren Drittstaat" die Möglichkeit haben, einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu stellen und Schutz nach der GFK zu erhalten. Zwar führt UNHCR in der Türkei Verfahren nach der GFK durch. Jedoch erhalten Flüchtlinge durch das Verfahren keinen Schutzstatus durch den türkischen Staat. Sie erhalten lediglich die Möglichkeit am Resettlement-Programm des UNHCR teilzunehmen und in einen anderen Staat umverteilt zu werden (Art. 62 des türkischen Asylgesetzes).

Unabhängig von der juristischen Einschätzung haben die vergangenen Wochen zudem gezeigt, dass sich die innenpolitischen Konflikte in der Türkei verschärfen. Die Türkei ist weder ein sicherer Herkunftsstaat noch ein sicherer Drittstaat für Schutzsuchende.

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Quelle:
Pro Asyl - Presseerklärung vom 29. Januar 2016
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Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2016

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