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STANDPUNKT/035: Die Campact-Handelsagenda - Forderungen für eine progressive EU-Handelspolitik (Campact)


Campact - Pressemitteilung vom 10. April 2017

Die Campact-Handelsagenda:
Forderungen für eine progressive EU-Handelspolitik


Verden, 10. April 2017. Seit 2013 organisiert die Bürgerbewegung Campact den Widerstand gegen die Handelsabkommen TTIP, CETA und Co. Aber wie müsste die Agenda für eine EU-Politik zu Handel und Deregulierung aussehen, die nicht nur Konzerninteressen dient? Unter Einbeziehung von 6.000 Vorschlägen und den Ergebnissen einer Umfrage unter 40.000 Aktiven hat Campact eine EU-Handelsagenda entwickelt.

"Es scheint im Moment nur zwei Optionen zu geben. Entweder man ist für Freihandel oder dagegen. Wir zeigen, dass es anders geht", sagt Anna Cavazzini, Autorin der Handelsagenda von Campact. "Die Politik zu Handel und Globalisierung der vergangenen Jahre hat dazu beigetragen, dass Rechtspopulisten Zulauf bekommen. Denn sie sorgt für wachsende Ungleichheit und einen Kontrollverlust der Demokratie. Wir brauchen aber klare Regeln für multinationale Unternehmen. Anreize für höhere Umwelt- und Sozialstandards müssen den ruinösen globalen Standortwettbewerb ersetzen."

Die Agenda enthält neun Forderungen, wie Handelsabkommen der EU in Zukunft gestaltet sein müssten, um nicht Hunderttausende auf die Straße zu treiben. Für die Campact-Aktiven steht dabei an erster Stelle, menschenrechtliche, soziale und ökologische Standards auf der ganzen Welt anzuheben anstatt sie abzubauen. Der Schutz von Menschenrechten muss über dem von Konzernen stehen. Abkommen sollten die nachhaltige Landwirtschaft stützen und nicht nur den Interessen der Agro-Industrie dienen. Und schließlich sehen Campact-Aktive keinerlei Bedarf für Sonderklagerechte für Investoren.

Die Agenda sieht Exportüberschüsse, etwa aus Deutschland, als großes Problem für die Stabilität u.a. im EU-Binnenmarkt an. Sehr hohe Überschüsse sollten abgebaut werde: in Deutschland zum Beispiel durch mehr Investitionen in Infrastruktur, die die Binnennachfrage ankurbeln. Außerdem sollten Maßnahmen gegen Steuerdumping ergriffen werden. Wer mit Dumpingsteuern Investoren anlockt, gefährdet die Einnahmen für die öffentliche Daseinsvorsorge, Gesundheit und Bildung. Deshalb muss die Gewährung von Handelsvorteilen an die Bedingung von fairer Besteuerung geknüpft werden.

Auch den ausgehandelten Abkommen TTIP und CETA hätte diese Agenda gut getan. TTIP liegt zwar auf Eis. Doch während die Kritik von US-Präsident Trump an dem Abkommen zwischen der EU und den USA sich nur dagegen richtet, dass für die USA im Vertrag nicht genug herausspringt, lehnt Campact den Vertrag wegen der Machtfülle für Konzerne und der Gefährdung der Demokratie ab. CETA, der Vertrag zwischen der EU und Kanada, muss noch von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden. Für Deutschland steht das nach der Bundestagswahl an. Zudem gibt es zahlreiche andere Vertragsprojekte etwa mit Japan, die dringend einer neuen Agenda folgen sollten.

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Die Campact-Handelsagenda in der Kurzfassung:

Handel neu denken:
Forderungen für eine progressive EU-Handelspolitik


Hunderttausende sind in den vergangenen Jahren gegen TTIP und CETA auf die Straße gegangen. Über drei Millionen Menschen in der EU unterzeichneten die Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA. Sie forderten eine Handelspolitik für alle Bürger/innen statt einseitig nur für Konzerne und Investoren. Nach diesem Widerstand kann es kein "weiter so" geben. Campact zeigt, wie eine progressive EU-Handelspolitik aussehen kann.

Handelspolitik: Grundsätzlich neu ausrichten

All unsere Vorschläge zielen darauf ab: Regierungen müssen dem Markt Regeln setzen können. Handelsabkommen dürfen deshalb den politischen Handlungsspielraum nicht weiter einschränken. Handels- und Investitionspolitik muss mithelfen, soziale, ökologische und menschenrechtliche Ziele zu erreichen. Die Gewinne der Globalisierung müssen gerechter verteilt werden, z.B. durch eine progressive Steuerpolitik und gerechte Löhne.


Forderung 1:
Handelspolitik darf hohe Standards und Verbraucherschutz nicht einschränken

Handelsabkommen dürfen Umwelt und Sozialstandards nicht abbauen. Im Gegenteil: Campact fordert einen Wettbewerb um die besten Standards. Das Vorsorgeprinzip schützt in der EU Verbraucher/innen und die Umwelt: Handelsabkommen und die Welthandelsorganisation müssen es deshalb zur Regel machen. Nur wenn Arbeitnehmerrechte und internationale Umweltnormen eingehalten werden, darf ein Abkommen abgeschlossen werden. Die Nachhaltigkeitskapitel, die ökologische und soziale Ziele festschreiben, sind bisher sehr schwach. Sie sollen verbindlich und einklagbar sein.


Forderung 2:
Handelspolitik muss zu nachhaltiger Landwirtschaft beitragen

Die jetzige Handelspolitik trägt zu einer ungesunden Entwicklung bei: eine stärkere Konzentration der Agrarproduktion und immer mehr industrialisierte Landwirtschaft. Die Länder des "globalen Nordens" müssen sich von pauschalen Subventionen für die Landwirtschaft abkehren. Davon profitieren bisher vor allem große Betriebe.
Wir wollen stattdessen die Leistungen von den Bäuer/innen belohnen, die der Gesellschaft nutzen. Dazu zählen die Pflege von Landschaft und biologischer Vielfalt. Die Handelsabkommen selbst dürfen die Regeln nicht abschwächen, z.B. bei dem Einsatz von Chemie oder Hormonen.


Forderung 3:
Handels- und Investitionsabkommen dürfen keine Sonderklagerechte für Konzerne enthalten

Abkommen sollen ohne Sonderklagerechte für Konzerne auskommen. Bestehende Verträge müssen gekündigt oder dementsprechend nachverhandelt werden. Denn wenn es möglich ist, gegen den Atomausstieg oder Frackingverbote zu klagen, gefährdet das die Demokratie und die Umsetzung gesellschaftlicher Ziele. Der bisherige Reformvorschlag der EU-Kommission für einen multilateralen Investitionsgerichtshof verbessert das nicht. Im Gegenteil: Er bezweckt, Sonderklagerechte auf lange Zeit festzuschrieben.


Forderung 4:
Handelspolitik darf der Regulierung von Finanzmärkten nicht im Weg stehen und muss Steuerschlupflöcher bekämpfen

Handelsabkommen müssen Vorgaben zur Steuerkooperation enthalten um die Steuertrickserei durch transnationale Konzerne zu bekämpfen. Damit der Steuerwettlauf nach unten aufhört, wäre eine Mindest-Besteuerung für Unternehmen beim Abschluss von Handelsabkommen nötig. Handelspartner sollten außerdem Mindeststandards vereinbaren, die Geldwäsche bekämpfen. Handelsabkommen dürfen es nicht erschweren, Finanzmärkte zu regulieren.


Forderung 5:
Handelspolitik muss dazu beitragen, Menschenrechte entlang der Lieferkette zu schützen

Große Unternehmen müssen sich dazu verpflichten, die Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette zu wahren. Betroffene von Menschenrechtsverletzungen müssen leichter vor einem Gericht klagen können - das ist bisher oft sehr schwer. Hier kann ein rechtsverbindlicher UN-Vertrag helfen, der Regeln aufstellt zur Ahndung von Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Unternehmen. Handelsabkommen benötigen zudem verbindliche Aktionspläne. Das Ziel: Die Lage der Menschenrechte in dem Partnerland verbessern.


Forderung 6:
Handelspolitik muss einen aktiven Beitrag zur Erreichung der UN- Klimaziele leisten

Die drohende Klimakatastrophe erfordert eine andere Handelspolitik. Handelsabkommen dürfen den Ausbau von Erneuerbaren Energien nicht behindern. Sie müssen den Handel mit klimaschädlichen Produkten erschweren. Eine Vorbedingung für den Abschluss von Handelsabkommen sollte deshalb sein: Ambitionierte CO2-Ziele setzen und Subventionen für fossile Energien abschaffen.


Forderung 7:
Handelspolitik darf die öffentliche Daseinsvorsorge nicht beeinträchtigen

Öffentliche Dienstleistungen wie Wasserversorgung und Müllabfuhr sind wichtig für uns alle. Handelsabkommen dürfen die Qualität und die Preise dafür nicht beeinträchtigen, indem sie Privatisierungen vorantreiben. Sie dürfen nicht einfach alle Dienstleistungen pauschal liberalisieren (Negativlisten). Stattdessen müssen sich die Handelspartner genau überlegen, welche Dienstleistungen sie in das Handelsabkommen aufnehmen. Öffentliche Dienstleistungen gehören generell nicht dazu.


Forderung 8:
Handelspolitik muss fair sein

Handelsabkommen dürfen den politischen Handlungsspielraum der Entwicklungsländer nicht einschränken. Medikamente oder Saatgut sind lebenswichtig, vor allem für die Ärmsten. Der Zugang dazu darf nicht durch zu strenge Regeln bei geistigem Eigentum eingeschränkt werden.
Verhandlungen über weitere Schritte in der Handelspolitik sollten in einer reformierten Welthandelsorganisation stattfinden. Damit alle an einem Tisch sitzen.


Forderung 9:
Handelspolitik muss demokratischer und transparenter organisiert werden

Das Europaparlament soll über Verhandlungsmandate entscheiden können: über die Aufnahme neuer Verhandlungen und über die Ziele, die ein Abkommen verfolgt. Die Zivilgesellschaft und nationale Parlamente müssen das Mandat öffentlich diskutieren. Die Auswirkungen der Abkommen benötigen vor Abschluss, aber auch nach Inkrafttreten regelmäßige Überprüfung. So kann bei negativen Entwicklungen nachgesteuert werden. Die Verhandlungen müssen transparent ablaufen. Das umfasst die Veröffentlichung aller Verhandlungsdokumente.

Herausgegeben von Campact e.V., Artilleriestraße 6, 27283 Verden (Aller)
Verantwortlich: Felix Kolb, Autorin und Konzept: Anna Cavazzini


Die Handelsagenda als Kurzfassung im PDF-Format:
https://blog.campact.de/wp-content/uploads/2017/04/Forderungen-fuer-eine-progressive-EU-Handelspolitik-Kurzfassung.pdf

Die Handelsagenda als Langfassung:
https://blog.campact.de/wp-content/uploads/2017/04/Forderungen-fuer-eine-progressive-EU-Handelspolitik-Langfassung.pdf

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Quelle:
Campact e.V. - Kampagnen für eine lebendige Demokratie
Artilleriestr. 6, 27283 Verden/Aller
Telefon: 04231/957 440, Fax: 04231/957 499
Internet: http://www.campact.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2017

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