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GRIECHENLAND/001: Die PASOK nach dem Parteitag 2013 (FES)


Friedrich-Ebert-Stiftung
Internationale Politikanalyse

Die PASOK nach dem Parteitag 2013

von Christos Katsioulis
März 2013



Die PASOK hat ihren neunten ordentlichen Parteitag vom 1.-3. März 2013 abgehalten. Es war der erste nach den Zwillingswahlen im Mai und Juni 2012, bei denen die Partei von 43 Prozent im Oktober 2009 auf knapp über 12 Prozent abgestürzt war. Dennoch verlief der Parteitag erstaunlich ruhig, auch wenn im Vorfeld Stühle in der Parteizentrale geflogen waren. Aber die Basis hatte ihren Unmut über das Wahldesaster schon beim außerordentlichen Parteitag im Juli 2012 Luft verschafft. Zudem gibt es im Moment keinen Herausforderer für den Parteichef Evangelos Venizelos, so dass keine Person vorhanden war, die das oppositionelle Potential innerhalb der Partei hätte bündeln können.

Daher sollte der Parteitag die PASOK inhaltlich stabilisieren, organisatorisch wieder aufrichten und den Dialog mit anderen Parteien und Bewegungen initiieren, um den schon im Juli 2012 angekündigten Wiederaufbau zur zentralen Kraft im Mitte-Links-Spektrum einzuleiten.


Ein Lichtstrahl von der Basis - die Wahl der Delegierten

Der mit großer Spannung und Ungewissheit verbundene Parteitag bekam schon in der Vorwoche einen positiven Schub, weil sich über 110.000 Mitglieder, sowie Freunde der Partei an der Wahl der Parteitagsdelegierten beteiligt hatten. Diese große Zahl signalisierte einerseits ein großes Interesse der Basis für die PASOK und machte andererseits deutlich, dass sie weiterhin eine der bestorganisiertesten Parteien des Landes ist, mit einem weit verzweigten Netz in die Regionen und die Bevölkerung hinein.


Die Herausforderungen des Parteitags

Inhaltlich musste die Partei eine Haltung zu ihrer Beteiligung an der Drei-Parteien-Koalition mit Nea Dimokratia und der Demokratischen Linken (DIMAR) finden.

Politisch musste die PASOK, die den politischen Raum von Mitte-Links bislang monopolisiert hatte, einen Weg finden, sich dem Dialog mit den anderen Parteien und Bewegungen zu öffnen, die sich inzwischen in diesem Bereich tummeln.

Organisatorisch ging es besonders darum, eine neue zentrale Kommission für Politik zu wählen, die die Partei in den kommenden Jahren führen soll. Dieses Parteiorgan löst den bisherigen Nationalen Rat der Partei ab und besteht aus etwa 170 bis 180 Mitgliedern, von denen 130 beim Parteitag gewählt wurden sowie den im Mai und Juni 2012 gewählten Abgeordneten des griechischen Parlaments. Die Kommission ist - zwischen den Parteitagen - das höchste Parteigremium und soll die inhaltlichen Beschlüsse des Parteitags umsetzen sowie die übrigen Parteigremien wählen und kontrollieren.


Der Vorschlag des Parteivorsitzenden Evangelos Venizelos

Der Parteitag wurde eingerahmt von zwei Reden des Parteivorsitzenden, der gleich zu Beginn seine inhaltlichen und prozeduralen Vorschläge präsentierte. »Verantwortung« ist der Kern der neuen PASOK. Dies machte Venizelos in seinen Reden zum Parteitag wieder deutlich. Damit behielt der Parteivorsitzende seine Linie bei, die er seit seinem Amtsantritt vom März 2012 verfolgt: die PASOK als Kraft der Verantwortung für Griechenland, als stabilisierender Faktor der Regierung, der den eingeschlagenen Pfad auch weiterführen wird. Dennoch präsentierte er einen Fünf-Punkte-Plan, mit dem er diese Rolle wieder neu und akzentuierter auszufüllen gedenkt:

1. Die PASOK wird keinen weiteren Kürzungen und Einschnitten mehr zustimmen, die Verschärfung der Austeritätspolitik muss ein Ende haben.

2. Die PASOK setzt sich für ein nachhaltiges und gerechtes Steuersystem ein, das nicht auf das kurzfristige Stopfen von Haushaltslöchern angelegt ist, sondern Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit fördert und die Lasten fairer verteilt.

3. Die aktuelle Krise muss mit einer Politik der sozialen Kohäsion unmittelbar angegangen werden. Das bedeutet, dass Langzeitarbeitslose, einkommenslose Haushalte und besonders von der Krise betroffene Bevölkerungsgruppen, wie Behinderte, Empfänger kleiner Renten und Alleinerziehende nicht im Stich gelassen werden.

4. Die PASOK schlägt einen nationalen Plan für den Wiederaufbau vor, an dem sich die Wirtschaftspolitik des Landes orientieren sollte.

5. Klare und transparente Regeln für Parlament und Regierung, damit der Gesetzgebungsprozess weniger kompliziert wird und die Zusammenarbeit der Koalitionsregierungen verbessert wird.

Mit diesen fünf Vorschlägen nahm er den parteiinternen Unmut über die Sparpolitik auf und verband die rote Linie keiner weiteren Kürzungen mit drei inhaltlichen Aspekten, Steuersystem, Sozialpolitik und wirtschaftlicher Aufbauplan, sowie einem prozeduralen Vorschlag für eine bessere Regierungskooperation.

Daneben erneuerte er seine Einladung an alle Parteien und Bewegungen im politischen Mitte-Links-Spektrum, sich in eine gemeinsame Debatte mit der PASOK zu begeben, mit dem Ziel, bei künftigen Wahlen möglicherweise mit einer gemeinsamen Liste anzutreten.


Die Parteitagsdiskussionen

Innerhalb der Partei waren die Sorgen, außerhalb der Partei die Hoffnungen recht groß gewesen, dass es zu heftigen Diskussionen auf dem Parteitag kommen werde, die möglicherweise gar zu weiteren Abspaltungen führen könnten. Die Wirklichkeit war deutlich unaufgeregter. Die von Venizelos in seiner Eröffnungsrede eingebrachten und zum Abschluss noch einmal bekräftigten Vorschläge wurden beinahe einstimmig angenommen, auch wenn es in der Debatte auch kräftigen Widerspruch gegen den Vorsitzenden gab. Die Diskussionen drehten sich stattdessen eher um das Selbstverständnis der Partei und ihre neue Rolle im sich verändernden politischen System.


Die PASOK als kleiner Regierungspartner - Augen zu und durch

Die Regierungsbeteiligung der PASOK ist in der Partei umstritten. Viele sind unzufrieden mit der Rolle in der Drei-Parteien-Koalition. Einige wollen sich ganz daraus verabschieden, weil sie fürchten, als Fraktion der großen Regierungspartei Nea Dimokratia zu enden, andere kritisieren die nachgeordnete Rolle in der Regierung, weil die PASOK kein erkennbares Profil im Kabinett zeigt und nur mit einigen Staatssekretären vertreten ist. Diese gespaltene Gemütslage machte es allen einfacher, die vom Parteivorsitzenden ausgegebene Losung zu akzeptieren, die im Kern lautete: die PASOK ist mit Griechenland abgesunken und sie wird sich gemeinsam mit Griechenland wieder erholen. Daher dürfe man der Nea Dimokratia nun nicht das Feld überlassen, sonst werde diese Regierung die Früchte der notwendigen Strukturreformen ernten und die PASOK, die sich von Beginn an als verantwortliche Kraft gezeigt habe, werde leer ausgehen.

Die Zustimmung des Parteitages zu seiner Linie ermöglicht Venizelos einen flexibleren Umgang mit der Rolle der PASOK in der Regierung. Die bisherige personelle Zurückhaltung könnte bei einer schon mehrfach diskutierten Regierungsumbildung aufgegeben werden, um die inhaltlichen Vorschläge auch mit Personal zu unterfüttern. Offen ist jedoch, wer außer dem Parteivorsitzenden und dem Generalsekretär der Fraktion Giannis Maniatis für ein Ministeramt in Frage käme und welche Positionen dies in der Regierung wären.


Rechts die Nea Dimokratia und links SYRIZA, wo bleibt die PASOK?

Ein weiteres zentrales Thema der Debatte war die Frage, wo denn die PASOK nun eigentlich im sich neu entwickelnden Parteiensystem steht. Die Parteiführung sucht regelmäßig die Auseinandersetzung mit der linksradikalen SYRIZA, mit dem alten Gegner Nea Dimokratia befindet man sich in einer Koalition. Dies ist eine ungewohnte Rolle für die Partei und es wird vielfach befürchtet, dass die Sozialisten zwischen den beiden neuen (alten) Polen Nea Dimokratia und SYRIZA zerrieben werden. Daher erklang in vielen Reden die Forderung nach einer klaren Abgrenzung von den Konservativen, einem linken Profil der PASOK in der Regierung, oder auch der Aufkündigung der Koalition. Dem entgegen stand die Argumentationslinie der »Verantwortung« von Venizelos, die eine Kooperation mit den anderen beiden verantwortungsbewussten Parteien sowie eine klare Haltung gegenüber den verantwortungslosen Positionen der Linkspartei erfordere. Damit wendete die Parteiführung die in Griechenland momentan vielzitierte Trennung zwischen Memorandumsgegnern und -befürwortern in eine Dichotomie zwischen verantwortlichen proeuropäischen Kräften und verantwortungslosen Hasardeuren, die die europäische Bindung des Landes sowie die wirtschaftliche Zukunft aufs Spiel setzen. Daher müsse die PASOK ihre verantwortungsvolle Haltung als Part der Regierung beibehalten. Dies wäre dann auch, verbunden mit der Öffnung zu den anderen Mitte-Links-Kräften, der Weg zur alten Größe.


Der Olivenbaum - eigentlich ein griechisches Original?

Kaum etwas steht mehr für Griechenland als der Olivenbaum. Beim Parteitag der PASOK ging es aber weniger um das eigene Erbe, als vielmehr, um das italienische Modell des »Ulivo«, eines Mitte-Links-Bündnisses, das mehrere Ministerpräsidenten stellte und später im heutigen Partito Democratico aufging. Dieses Modell liegt der Einladung von Venizelos an die anderen Kräfte des Mitte-Links-Raums zugrunde. Sein Appell richtete sich vorrangig an die DIMAR, den zweiten Koalitionspartner in der Regierung, daneben aber auch an einige Parteiausgründungen aus der PASOK sowie politische Bewegungen, die sich selbst als sozialdemokratisch verstehen, ohne sich als Partei zu organisieren. Sie sollten baldmöglichst in einen inhaltlichen Dialog miteinander treten, um dann bei den nächsten Wahlen mit einer gemeinsamen Plattform anzutreten.

Während einige der Bewegungen sich im Vorfeld mit Vertretern der PASOK getroffen hatten, um diesen Dialog zu beginnen, waren die meisten anderen, inklusive der Demokratischen Linken, deutlich zurückhaltender. Zwar sprach der Generalsekretär der Partei, Andreas Likoudis, ein Grußwort, dessen erste Worte »Liebe Genossinen und Genossen« schon für Beifallsstürme sorgten, drückte danach aber lediglich seine Hoffnung darüber aus, dass es zu einer Beseitigung der existierenden Hindernisse eines solchen Dialogs kommen werde, ohne konkreter zu werden. Seine Anwesenheit war allein schon ein Signal für die Bedeutung dieser Kooperation, nachdem der Parteichef der DIMAR ein persönliches Grußwort mehrfach abgelehnt hatte. Auch innerhalb der PASOK ist das Modell des »Ulivo« umstritten, denn viele betrachten die Partei weiterhin als Monopolisten der Sozialdemokratie und erwarten eine Annäherung bzw. Integration der anderen Kräfte.

Insgesamt sind die Aussichten für eine gemeinsame Wahlplattform momentan noch sehr ungewiss, weil besonders die Demokratische Linke, aber auch andere Bewegungen die PASOK als Partner noch scheuen. Dafür gibt es bei einigen Bewegungen persönliche Gründe, andere warten erst noch ab, wie deutlich sich die PASOK auch von ihren klientelistischen Altlasten befreit und wie sie mit ihrer Verantwortung für die aktuell so missliche Lage umgehen wird. Nur wenn es hier klare Signale auch auf personeller Ebene gibt, bestehen realistischere Aussichten auf einen Zusammenschluss der Mitte-Links-Kräfte.


Das Echo vergangener Glorie

Der Parteitag im Stadion des Friedens und der Freundschaft atmete den Geist vergangener Größe. Die Arena, die allein auf den Rängen etwa 12.000 Plätze hat, war mit den 4.000 Delegierten nur zu einem Drittel gefüllt. Zudem hatte die Partei aufgrund ihrer problematischen finanziellen Lage an der Kulisse, an Tagungsunterlagen und der Verpflegung gespart. Das führte einerseits dazu, dass sich viele Delegierte darüber beklagten, dass sie noch nicht einmal mehr eine Stofftasche für die Unterlagen bekommen hätten, geschweige denn die zahlreichen Verpflegungscoupons der vergangenen Jahre, andererseits wirkte das wegen der günstigen Miete gewählte Stadion eine Nummer zu groß für den Parteitag und machte damit den Schrumpfungsprozess der PASOK auch architektonisch deutlich.


Das Herz der PASOK schlägt ..., wo eigentlich?

Die Umgebung des unbeheizten Stadions war nicht der einzige Aspekt des Parteitags, der kalt blieb. Die PASOK, die immer auch eine Herzenssache für die Mitglieder gewesen war, und ihnen eine politische Familie im besten Sinne geboten hatte, vermochte es nicht, dieses Gefühl beim Parteitag herzustellen. Die brillanten Reden des Vorsitzenden, die Logik der Verantwortung und die inhaltlichen Vorschläge sprachen zwar den Kopf und den Verstand der Partei an, Enthusiasmus oder gar Begeisterung kamen aber kaum auf. Bezeichnenderweise gab es nur einmal in den drei Tagen des Parteitages lang anhaltenden Applaus und Sprechchöre, nämlich als der ehemalige Parteichef und Ministerpräsident Georgios Papandreou in den Saal kam. Nur in diesem Moment entstand ein Gefühl der Verbundenheit der Partei, nur der Sohn des Parteigründers konnte allein mit seiner Anwesenheit Herz und Seele der PASOK berühren, auch wenn er sich mit keinem öffentlichen Wort äußerte.


Wie geht es weiter?

Die PASOK hat mit diesem Parteitag ein kleines Signal der Stabilisierung ausgesandt. Zwar passt die Eigenwahrnehmung weiterhin nicht zur Rolle als mittelgroße Partei und kleiner Koalitionspartner. Mit der Leitlinie der »nationalen Verantwortung« ist es Venizelos aber gelungen, die gefühlte Bedeutung der Partei zu unterstreichen. Mit der Annahme seiner Vorschläge und der neu besetzten Kommission für Politik hat er eine solide Basis für die kommenden Monate gelegt. In der Kommission sind etwa 75 Prozent der Vertreter aus seinem Lager, zudem ist fast die Hälfte der Mitglieder erstmals in diesem Gremium vertreten, darunter 20, die jünger sind als 35 Jahre.

Es dürfte davon auszugehen sein, dass die Sozialisten nun auch personell in der Regierung sichtbarer werden. Die aktuellen Diskussionen über eine Regierungsumbildung konzentrieren sich weniger auf die Frage des Ob, als vielmehr des Wie. Denn eine Einbindung von Venizelos als Vizeregierungschef, das wäre die eine Variante, würde auch erfordern, dass der andere Koalitionspartner DIMAR, mit Fotis Kouvelis, in eine ähnliche Position rückt. Daher ist mit der Umbildung nicht in den kommenden Tagen zu rechnen, sondern eher Ende März, Anfang April.

Bezüglich der Konzentration der Parteien und Bewegungen im Mitte-Links-Spektrum ist noch ein weiter Weg zu gehen. Hier ist die Skepsis gegenüber der PASOK weiterhin groß, und sie wurde nicht gerade dadurch verringert, dass am Tag nach dem Parteitag der ehemalige Verteidigungsminister der PASOK, Tsochatsopoulos, wegen falscher Angaben zu seinem Einkommen zu acht Jahren Haft verurteilt wurde. Die Erinnerung an die Verstrickungen der PASOK in die Skandale Griechenlands wurde damit wieder aufgefrischt. Zwischen der PASOK und der DIMAR dürfte es daher zu einem inhaltlich geprägten Austausch kommen, ein baldiger Zusammenschluss ist allerdings nicht zu erwarten.


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Christos Katsioulis ist Leiter des Athener Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2013