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ITALIEN/027: In Rom spitzt sich die Krise zu (Gerhard Feldbauer)


In Rom spitzt sich Krise zu

M5S-Chef Grillo droht Staatschef mit Impeachment

von Gerhard Feldbauer, 7. November 2013



Wo beginnen bei einem Update über die schwelende Regierungskrise in Rom, die zu einer regelrechten Staatskrise anwächst. Die Auseinandersetzung um den Ausschluss Berlusconis aus dem Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, hat Staatspräsident Giorgio Napolitano mit seiner Ankündigung einer Amnestie für Strafgefangene (wegen von der EU kritisierter Überfüllung der Haftanstalten) unerwartet angeheizt und das bisherige Einvernehmen mit Premier Enrico Letta von der Demokratischen Partei (PD) in Frage gestellt. Denn die parteilose Justizministerin Anna Maria Cancellieri hat sofort klargestellt, dass für den rechtskräftig verurteilten Ex-Premier, gegen den noch mehrere Strafprozesse anhängig sind, dieser Gnadenerlass nicht in Frage kommt. Die Anhänger Berlusconis in dessen Partei Volk der Freiheit (PdL), die dieser selbst wieder in Forza Italia (wie sie seit Gründung bis 2007 hieß) umbenannt hat, laufen Sturm gegen die Ministerin und fordern ihren Rücktritt. Premier Letta hat sich demonstrativ hinter seine Justiz-Chefin gestellt und eine Demission abgelehnt.


Berlusconi fordert: "Colle" solle sich an die "getroffenen Vereinbarungen" halten

Die Auseinandersetzung wird aufgemischt durch den früheren Starkomiker Beppe Grillo, dessen Protestbewegung 5 Sterne (M5S) bei den Parlamentswahlen im Frühjahr mit gut 20 Prozent Stimmen drittstärkste Partei wurde. Wie die linke Zeitung "Fatto Quoditiano" berichtete, beschuldigt Grillo den Staatschef, der Berlusconis PdL nach den Wahlen in die Regierungskoalition mit der PD verholfen hat, damit seine verfassungsmäßigen Kompetenzen überschritten und Italien "in eine Präsidialrepublik" verwandelt zu haben. Obendrein habe er den Ex-Premier in einem "Geheimabkommen" eine Begnadigung zugesagt, die er jetzt, mit einer allgemeinen Amnestie umsetzen wolle. Napolitanos Pressesprecher nannte das eine "lächerliche Lüge", was in Rom jedoch niemand so recht glauben will. Denn von Berlusconi selbst und seinen Getreuen in der PdL wird in aller Öffentlichkeit gefordert, der "Colle" (der Hügel, wie der Sitz des Staatspräsidenten im Quirinalspalast volkstümlich genannt wird) solle sich an die "getroffenen Vereinbarungen" halten. Die "Repubblica zitierte am Mittwoch wörtlich die kategorische Forderung, Napolitano solle "eine Begnadigung" entsprechend "seiner Initiative" gewähren. Napolitano selbst hatte den Anschuldigungen Nahrung gegeben, als er im August verlauten ließ, über die "Form eines Gnadenerlasses" nachzudenken, wenn Berlusconi einen entsprechenden Antrag stelle, der aber bisher nicht vorliegt. Nun hat Grillo noch einen drauf gesattelt und angekündigt, gegen den Staatspräsidenten ein Impeachment zu beantragen.

In der PdL bemühen sich die beiden "Falken" und "Tauben" genannten Fraktionen, die Streitigkeiten über die Zukunft der Partei (rechtsextreme Forza Italia oder "gemäßigte" Rechtspartei) vorerst beizulegen und Berlusconi als unangefochtenen Leader zu akzeptieren, um ein Versinken ins politische Abseits zu verhindern. Es gelte, zitiert "Repubblica" am Mittwoch den zum Anführer der "Falken" aufgestiegenen Regierungschef von Puglien, Raffaele Fitti (der selbst wegen Korruption in erster Instanz zu knapp vier Jahren Haft verurteilt wurde), zu verhindern, dass Berlusconis Kopf der PD "auf einem Tablett serviert wird". Im Gegenzug zu einer Einbeziehung Berlusconis in einen Gnadenerlass will die PdL weiter in der PD-geführten Regierung Letta verbleiben.


Am 27. November Abstimmung über Senatsausschluss

Die PD selbst marschiert aber nun eher auf einen Bruch zu. Die Weichen soll ein Parteitag am 8. Dezember stellen, auf dem Matteo Renzi als neuer Parteichef und Kandidat für Neuwahlen antritt. Interessanterweise will die PdL am gleichen Tag ihren Kongress eröffnen. Da dürfte es ein Beäugen geben, auf welche Entscheidungen zu reagieren ist. Als nächste steht aber am 27. November zunächst die mehrfach verschobene Sitzung des Senats an, die über den Ausschluss Berlusconis zu befinden hat. Der Antrag der PdL-Senatoren, in geheimer Abstimmung zu entscheiden, wurde vom Immunitätsausschuss verworfen. Die Senatoren müssen offen Farbe bekennen. Die Hoffnung der PdL, einige Überläufer aus der PD zu gewinnen, ist damit zunichte gemacht.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2013