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ITALIEN/049: Aufsehenerregender Freispruch für Berlusconi im "Ruby"-Prozess (Gerhard Feldbauer)


Aufsehenerregender Freispruch für Berlusconi im "Ruby"-Prozess

Hat der Ex-Premier Richter bestochen?

von Gerhard Feldbauer, 21. Juli 2014



In einem "aufsehenerregenden Urteil" hat das Mailänder Berufungsgericht in zweiter Instanz, wie die römische "Repubblica" berichtete, den Richterspruch gegen Berlusconi im Ruby"-Prozess zu sieben Jahren Haft wegen Sex mit einer minderjährigen Prostituierten gegen Bezahlung und folgendem Amtsmissbrauch zur Verschleierung der Straftat aufgehoben. Es ging um die sogenannten Bunga Bunga-Partys, Sex-Orgien in der Villa Arcore Berlusconis in Mailand, an denen die Marokkanerin Karim El Mahroug, die sich Ruby Rubacuori (Herzensbrecherin) nannte, teilnahm. Als die Prostituierte danach wegen Diebstahls von der Polizei festgenommen wurde, veranlasste Berlusconi im Mai 2010 als Regierungschef ihre Freilassung mit der Begründung, sie sei eine Nichte des ägyptischen Präsidenten Mubarak.

Der Freispruch erfolgte, wie in mehreren Medien, so der linken "Unita" hervorgehoben wird, trotz einer in der ersten Instanz von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten und vom Gericht anerkannten "erdrückenden Beweislage". Obwohl das Urteil für den 77-Jährigen noch nicht rechtskräftig ist, haben seine Anwälte bereits eine Aufhebung des gegen ihn in einem weiteren Prozess verhängten Urteils wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe und Bestechung, dessen reduzierte Strafe zu einem Jahr Gefängnis er derzeit im Sozialdienst verbüßt, per Gnadenerlass gefordert. Wie "La Repubblica" bereits am Sonntag schrieb, sei die Haltung dazu "auf dem Colle" (Hügel des Präsidentenpalast) unverändert ablehnend. Berlusconi legte, wie die Zeitung nun am Montag berichtete, nach und verlangte ein Gesetz, das sein Ämterverbot aufhebe, damit er bei Wahlen kandidieren könne. Während Berlusconi die Richter der ersten Instanz noch als "rote Richter", welche die Regierung stürzen wollten diffamierte, sie als "Taliban", "Schwerverbrecher" und "Eiterbeulen der Gesellschaft" beschimpfte, ließ er nun seine Anwälte erklären, die Richter des freisprechenden Tribunals hätten "Gerechtigkeit" walten lassen und ein "ungerechtes und ihn diffamierendes Urteil" aufgehoben.


In Rom werden Zweifel laut

In Rom werden Zweifel an dem jetzigen Urteilsspruch geäußert. Vieles deute darauf hin, dass Berlusconi mit Bestechung Belastungszeugen "gekauft" habe, was in der Vergangenheit Gang und Gäbe gewesen sei. Es wird gefragt, woher der Reichtum komme, in dem die berühmte Prostituierte Ruby jetzt schwimme. Gegen sie wird noch wegen Falschaussage ermittelt. Auch Richterbestechung wird nicht ausgeschlossen, was Berlusconi bereits in früheren Verfahren nachgewiesen wurde. So läuft in Palermo noch ein Verfahren, in dem Berlusconi beschuldigt wird, 2008 einen Senator mit einer Million Euro zum Wechsel in seine Partei gekauft zu haben, was ihm ermöglichte, die damalige Mitte Links-Regierung Romano Prodis zu stürzen.


"Eine politische Entscheidung"

"La Repubblica" schreibt weiter, es sei "eine politische Entscheidung" getroffen worden, deren Hintergründe erst noch "aufzuklären" sind und fragt, warum dieses Urteil gerade jetzt erfolgt. Der Hintergrund ist, dass Premier Matteo Renzi von der regierenden Demokratischen Partei (PD) mit seinem "Reformpaket", dessen Schwerpunkt Auflösung des Senats als zweiter Kammer des Parlaments ist, nicht vorankommt. Im Senat, dem sogenannten Oberhaus, einem Relikt aus der Zeit der 1946 beseitigten Monarchie, verfügt die PD derzeit über keine Mehrheit, während sie diese in der Abgeordnetenkammer besitzt. Zur Auflösung des Senats benötige Renzi die Stimmen der Forza Italia (FI) Berlusconis oder der Protestbewegung M5S Beppe Grillos.


Hat Premier Renzi einen Kuhhandel abgeschlossen?

Es wird vermutet, dass der ambivalente frühere Christdemokrat Renzi ein Übereinkommen mit der von einer linken Protestbewegung getragenen M5S vermeiden und sich stattdessen die Unterstützung der rechtsextremen FI Berlusconis sichern möchte und dazu einen Kuhhandel mit Berlusconi abgeschlossen hat. Berlusconi wird öffentlich zitiert: "Wir machen das Matteo, Du und ich". Renzi habe dem Ex-Premier versichert, "dass er auf dem angestrebten Reformweg sein Partner Nummer eins" bleibe. Mit einem Statement "No Commento" (Kein Kommentar), "Vorwärts mit der FI bei den Reformen" hat der Regierungschef diesen Stimmen gerade Auftrieb gegeben.

Es ist die alte strategische Linie, die die Rechten in der früheren Christdemokratischen Partei (Democrazia Cristiana) in der ganzen Nachkriegsgeschichte betrieben haben, sich auch der extremen Rechten zu bedienen, um die Linken in Schach zu halten. Das Übel ist nur dadurch größer geworden, dass die heutigen Sozialdemokraten (die PD) jetzt mit Renzi von einem rechten Christdemokraten geführt werden. Der "Ruby"-Prozess sei für Berlusconi jedoch noch nicht abgeschlossen, schlussfolgert "La Repubblica", die erwartet, dass die Staatsanwaltschaft Berufung einlegt und sich dann das höchste italienische Gericht, der Kassationshof in Rom, mit dem Fall befassen wird. Es könne also auch "noch anders kommen".

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2014