Empörung in Rom über faschistische Ausschreitungen gegen Roma- Kinder
Ursachen werden im Paktieren mit der extremen Rechten von Ex-Premier Berlusconi gesehen
von Gerhard Feldbauer, 29. November 2014
Erneute schwere faschistische Ausschreitungen in Rom gegen Roma-Kinder haben eine Welle der Empörung ausgelöst und die Forderungen an die Regierung verstärkt, gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit entschieden vorzugehen. Jüngster Anlass ist, dass 500 Mitglieder der Studentenvereinigung "Blocco Studentesco" (Studentischer Haufen) der faschistischen Casa Pound (braunes Haus) am Freitag mit Gewalt 90 Kinder einer Roma-Siedlung am Betreten ihrer Schule in der Via Lombroso in Rom hinderten. Die Faschisten behaupteten, das sei eine Reaktion darauf, dass diese Kinder ihre Mitschüler in den vergangenen Tagen mit Steinen beworfen hätten.
Der Stellvertretende Bürgermeister von Rom, Luigi Nieri von der Demokratischen Partei (PD), die an der Spitze einer Mitte Links-Stadtverwaltung steht, verurteilte den faschistischen Gewaltaufmarsch "als eine Schande" und einen Akt, mit dem "Furcht und Spannungen" erzeugt werden. Gegen "diesen Rassismus, der gegen alle demokratischen Prinzipien verstoße, müsse mit aller Kraft vorgegangen werden". Das für Schulfragen zuständige Magistratsmitglied des Campidoglio (Sitz der Stadtverwaltung), Alessandra Cattoi, bezeichnete die Blockierung der Schule als "eine schwere Verletzung der Verfassungsrechte". Der Fraktionschef der Linkspartei SEL im Stadt-Parlament, Arturo Scotto, sprach von einer "verwerflichen Aktion der rechtsextremen Organisation". Mitglieder der sozialen Kooperative "Eureka", die die Roma-Schüler bei der Integrierung in das Schulsystem betreut, waren dem rassistischen Aufmarsch, der Panik und Entsetzen unter den Roma-Schülern auslöste, entgegengetreten. Sie wiesen die Behauptungen der Faschisten als üblen Vorwand zurück.
Die Zunahme faschistischer und rassistischer Gewaltakte erfolgt vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit von Ministerpräsident Matteo Renzi mit Ex-Premier Berlusconi und dessen rechtsextremer Forza Italia (FI), von Antifaschisten auch klar paktieren genannt. Mehrmalige Treffen Renzis mit Berlusconi zur Absprache über Regierungsdekrete stießen in den vergangenen Tagen bereits auf scharfe Kritik. Das betrifft auch das Regierungsbündnis mit der aus der FI hervorgegangenen neuen Rechtspartei (NCD) von Angelino Alfano, früher Berlusconis stellvertretender Parteichef, der jetzt als Innenminister Renzis seine Polizei zwar zur Niederknüppelung von Arbeiterdemonstrationen einsetzt, solch faschistischem Treiben aber tatenlos zusieht.
Denn Casa Pound ist eine vor etwa zehn Jahren entstandene faschistische Sammlungsbewegung, zu deren maßgeblichen Förderern der frühere führende Faschist der Alleanza Nazionale (AN) und enger Vertrauter von Berlusconi, Giovanni Allemano gehört, in dessen Regierungen er Ministerposten inne hatte. Insbesondere stand der fanatische Faschist und Mussolini-Verehrer hinter Terrorakten der Naziskins, wie die Skinheads in Italien genannt werden. Von 2008 bis 2013 war er Bürgermeister der Hauptstadt und schenkte Casa Pound für 11,8 Millionen Euro ein Haus als Parteizentrale. Als Stadtoberhaupt von Rom wollte er eine Strasse nach Mussolinis Kriegsminister Rodolfo Graziani, einen abgeurteilten Kriegsverbrecher, benennen, was Antifaschisten verhinderten.
Das "braune Haus" ist heute eine über ganz Italien verbreitete und international vernetze faschistische Bewegung (darunter nach Grossbritannien, Frankreich und der BRD), deren Mitgliederzahl durch Zulauf aus der früheren AN auf wenigstens mehrere Zehntausend geschätzt wird. Der "Bloggo Studentesco" erhielt bei Wahlen zu Schülervertretungen in Rom rund 11.000 Stimmen und besetzt 100 Sitze. Seit Allemano 2013 abgewählt und der Sozialdemokrat (PD), Ignazio Marino, ein international bekannter Chirurg für Herztransplantationen, ins Campidoglio einzog, haben auch gegen ihn gerichtete faschistische Ausschreitungen ständig zugenommen.
Die linksliberale "Repubblica" äußerte sich am Sonnabend über die Vorgänge besorgt und zitierte die Questura (Polizeipräsidium) von Rom, dass diese "Aktivitäten sich ständig wiederholen". Zwei Wochen vorher mussten 72 afrikanische Flüchtlinge, die die Stadtverwaltung in einem Gebäude am Stadtrand von Rom untergebracht hatte, nach ständigen faschistischen Drohungen, denen sich Einwohner anschlossen, evakuiert werden. Ihre Sicherheit konnte nicht mehr garantiert werden. Auf die Verantwortung des Regierungschefs zielt auch die scharfe Erklärung der Fraktion der PD im Campidoglio, aus der "La Repubblica" zitiert: "Wer Gewalt anwendet, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit praktiziert" habe "in der Politik nichts zu suchen". Wie das Blatt weiter mitteilte, würden die jetzigen schweren Ausschreitungen von der Staatspolizei untersucht.
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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2014