Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → POLITIK

ITALIEN/068: Mafia-Skandal in Rom zieht breite Kreise (Gerhard Feldbauer)


Mafia-Skandal in Rom zieht breite Kreise

Auch Sozialdemokraten beteiligt.

Ministerin Boschi weist unverfrorene Angriffe Berlusconis zurück

von Gerhard Feldbauer, 8. Dezember 2014



Der in Rom aufgedeckte Mafia-Skandal fördert einen vom früheren faschistischen Bürgermeister Giovanni Allemano hinterlassenen Korruptionssumpf bisher ungeahnten Ausmaßes zutage. "Rom ist völlig von der Mafia infiltriert", lautete die Schlagzeile der römischen Repubblica vom Sonntag. Die Nachrichtenagentur ANSA meldete, die Operative Spezialeinheit ROS der Carabinieri habe in Rom eine von Mafiosi gemeinsam mit Faschisten gebildete kriminelle Vereinigung ausgehoben. Erste Ermittlungen der Staatsanwaltschaft belegten, dass ihr Berufsverbrecher, Politiker und Unternehmer angehörten, die ein weitverzweigtes Kartell unterhielten, das Kreditwucher, Geldwäsche und Korruption betrieb. Kassierte Summen wurden auf geheimen Konten im Ausland gelagert.

Früherer faschistischer Bürgermeister zentrale Figur

Bürgermeister Allemano, von 2008 bis 2013 im Amt, ein enger Vertrauter von Ex-Premier Berlusconi, in dessen Regierung er Landwirtschaftsminister war, wird zusammen mit dem Clan-Chef Massimo Caminato, als eine der zentralen Figuren des Mafia-Netzes genannt. Allemano habe viele Abgeordnete und Beamte für den Clan Caminatos angeworben. Der heute 56jährige Caminato war in den 1970/80er Jahren Führer der faschistischen linksextrem getarnten "Nuclei Armati Rivoluzionari" (NAR), der 30 Morde zur Last gelegt wurden. Später gehörte er der berüchtigten "Magliana-Bande" der römischen Mafia an, die mit der CIA und italienischen Geheimdienstkreisen als auch dem Vatikan vernetzt war.


"Monatliche Zusatzeinkommen bis zu 10.000 Euro"

Dem Mafia-Clan gehörten laut ANSA die Leiter zahlreicher städtischer Betriebe an, darunter der Müllabfuhr, des städtischen Immobilienbesitzes und des für die Versorgung von Flüchtlingslagern zuständige Ressorts. In den Stadt-Betrieben wurden Hunderte Faschisten untergebracht. Für die Vergabe von 34 Großaufträgen flossen allein aus der Stadtkasse 34 Millionen Euro in die Taschen des Mafia-Clans. An Mitarbeiter der Stadtverwaltung, darunter aus dem engsten Stab Allemanos, seien "monatlich Zusatzeinkommen von bis zu 10.000 Euro" gezahlt worden. Ein zum Mafia-Netz gehörender, wegen Totschlags vorbestrafter Krimineller namens Salvatore Buzzi betrieb mit Geldern der Stadtverwaltung eine 1.000 Mitarbeiter zählende Kooperative zur Versorgung von Flüchtlingslagern. Die Zeitung Fatto Quoditiano berichtete, dass besagter Buzzi noch im vergangenen November zu den Gästen der Gala-Dinners von Premier Renzi gehörte, für die 1.000 Euro zu berappen waren, die für den jetzt entlarvten Mafiosi aber von der Demokratischen Partei (PD) übernommen wurden. In die Mafia-Affäre sind auch mehrere Stadtverordnete der regierenden Sozialdemokraten (PD) verwickelt, darunter der Präsident des Stadtparlaments, Mirko Coratti. Sie wurden inzwischen aus der PD ausgeschlossen und sind von ihren Ämtern zurückgetreten. Der Mafiosi Buzzi behauptete nach Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft, Coratti mit 150.000 Euro "gekauft" zu haben.


Kaum zu überbietende Demagogie der extremen Rechten Berlusconis

Die extreme Rechte mit dem selbst der Komplizenschaft mit der Mafia beschuldigten Ex-Premier Berlusconi an der Spitze, auf dessen Parteiliste Allemano 2008 die Bürgermeisterwahl gewann, versucht die Situation in kaum zu überbietender Demagogie für sich zu nutzen und fordert den Rücktritt des sozialdemokratischen Bürgermeisters, Ignazio Marini (PD), der gesamten Stadt-Regierung, die Auflösung des Stadtparlaments und Neuwahlen. Der Chef der rassistischen Lega Nord, Matteo Salvini, auf deren Treiben auch die Ausschreitungen der von Allemano geförderten faschistischen Casa Pound vor zwei Wochen gegen Roma-Kinder zurückgehen, kündigte in unverfrorener Weise an, für die Neuwahl eines Bürgermeisters werde ein Kandidat seiner Partei antreten. Die Ministerin für Reformen, Elena Boschi, wies scharf die unverschämten Ansinnen Berlusconis und Salvinis zurück. Den Lega-Chef erinnerte sie an seine faschistische Komplizenschaft, den Ex-Premier an seine dunkle Vergangenheit und seine Kumpanei mit Allemano und dass er derzeit eine Haftstrafe wegen Korruption in Millionenhöhe verbüßt.


PD solidarisiert sich mit Bürgermeister Marini

Marini, gegen den keine Beschuldigungen vorliegen, hat einen Rücktritt abgelehnt und strenge Untersuchungen bekannt gegeben. Mitglieder der PD demonstrierten vor dem Campidoglio (Sitz der Stadtverwaltung) und versicherten dem Bürgermeister ihre Solidarität. Die regierungsnahe Repubblica stützte seine Position und schrieb "eine Auflösung des Stadtparlaments würde wahrscheinlich scheitern". Die PD wird sicher alles versuchen, einen Sturz des Bürgermeisters und der Stadt-Regierung zu verhindern, da das Italien und Premier Renzi, der derzeit den EU-Ratsvorsitz in Brüssel inne hat, einen schweren Imageschaden zufügen würde. "Repubblica" räumte jedoch ein, "vieles hänge von den Ergebnissen der weiteren Ermittlungen ab". Renzi hat zur Überprüfung der Verwicklung der Stadtverwaltung in den Mafia-Sumpf einen Kommissar eingesetzt, der bei einem Rücktritt auch mit der Leitung der Amtsgeschäfte beauftragt werden könnte.

*

Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2014


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang