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ITALIEN/074: Staatspräsident Napolitano zurückgetreten (Gerhard Feldbauer)


Italiens Staatspräsident Napolitano zurückgetreten

Bei der Wahl des Nachfolgers will Ex-Premier Berlusconi mitmischen

von Gerhard Feldbauer, 14. Januar 2015



Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano von der Demokratischen Partei (PD) hat seinen bereits zum Jahresende angekündigten aber danach verschobenen Rücktritt nun am Mittwoch verwirklicht. Er trat nach seiner ersten siebenjährigen Amtszeit im April 2013 während einer schweren politischen Krise zur Wiederwahl an und wurde, wie in seiner Würdigung betont wird, als einziger Staatschef Italiens für eine zweite Amtszeit bestätigt. Bereits damals kündigte er an, auf Grund seines Alters - er wird im Juni 90 Jahre - nicht bis zum Ende 2020 zur Verfügung zu stehen. Zum Abschluss-Akt machten ihm am Mittwoch die führenden Repräsentanten der Politik und Wirtschaft im Quirinalspalast ihre Aufwartung. Die höchsten Militärs bereiteten ihm als Oberbefehlshaber der Streitkräfte alle Ehren.


Binnen 14 Tagen muss die Wahl des Nachfolgers beginnen

Die Präsidentin der Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini (PD), nahm die kurz gehaltene Rücktrittserklärung entgegen, die danach von der Nachrichtenagentur ANSA veröffentlicht wurde. Der scheidende Staatspräsident wird automatisch Senator auf Lebenszeit. Bis zur Wahl eines Nachfolgers nimmt dessen Vertretung der Präsident des Senats, Pietro Grasso (PD), wahr. Die Parlamentspräsidentin muss binnen 15 Tagen die Versammlung zur geheimen Wahl des Nachfolgers einberufen, die aus den Mitgliedern der Abgeordnetenkammer, den Senatoren und Vertretern der Regionen (Länder) besteht und etwas über 1.000 Mitglieder zählen wird. Die PD wird darin 450 Plätze belegen. In den ersten drei Wahlgängen ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, ab dem vierten Wahlgang reicht eine einfache Mehrheit. Für die Wahlgänge ist keine zeitliche Begrenzung festgelegt.


Er gehörte einst zu den Führungskadern der IKP

Die Medien feiern den scheidenden Napolitano als "einen großen Präsidenten und Europäer" (La Stampa), nennen ihn "Re (König) Giorgio", La Repubblica spricht von "einer Persönlichkeit von hohem Profil". In den Wertschätzungen wird eher am Rande erwähnt, dass Napolitano einst zu den Führungskadern der bis 1991 existierenden IKP gehörte. Wenn ANSA schrieb, er hinterlasse "ein geeintes und ausgeglichenes Land", dann bezieht sich das darauf, dass ausgerechnet der Ex-Kommunist Napolitano eine auf die Kollaboration der Sozialdemokraten (PD) mit der rechtsextremen Forza Italia (FI) des Hitlerbewunderers und Führungsmitglieds der faschistischen Putschloge P2 Berlusconi angewiesene Regierung zusammenzimmerte und damit dem zu Fall gebrachten Ex-Premier ein Comeback verschaffte. Wenn Napolitano in einem Interview vor seinem Rücktritt bemerkte, er sei "vielen Bedingungen, die man kaum ändern könne" unterworfen gewesen, klingt das wie eine Entschuldigung. Er mahnte aber auch an, den von ihm geebneten Kurs des Konsens mit der Rechten, eingeschlossen ihren extremen Flügel in Gestalt der Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi fortzusetzen, was er eine Garantie für das Wohl des Landes nannte.


Wichtige Reformen von Berlusconi blockiert

Nun ist es Napolitano und seinem Zögling, Premier Renzi, nicht gelungen, vor dem Rücktritt zwei wichtige Reformen - die Auflösung des Senats als zweiter Kammer und ein neues Wahlgesetz - durchzusetzen. Berlusconi blockierte das mit seinen Stimmen. Jetzt werde das, so La Repubblica, noch vor der Neuwahl durchgezogen. Dafür soll dem Ex-Premier ein Mitspracherecht bei der Auswahl des Kandidaten zugebilligt werden und der hat offen verlauten lassen, nur einem Bewerber zustimmen, der danach per Gnadenerlass das über ihn verhängte Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter aufhebt. Das würde ihm die Rückkehr ins politische Leben und den Aufbau eines ständigen Protestpotenzials gegen Mitte Links, vornehmlich ihrer noch immer linken PD-Basis, ermöglichen.


Tauziehen um die Wahl eines Nachfolgers

In dem eingesetzten Tauziehen um die Wahl eines Nachfolgers dürfte der von Mitte Links favorisierte Romano Prodi, mehrmaliger Ministerpräsident ihrer Regierungen, kaum Berlusconis Zustimmung finden. Chancen für einen Konsens werden da eher dem EZB-Präsidenten Maio Draghi, mehr aber noch dem derzeitigen Finanzminister Renzis, Pier Carlo Padoan, den auch Napolitano sehr schätzte, eingeräumt. Der parteilose frühere IWF-Manager war einst auch ein Anhänger der von IKP-Generalsekretär Enrico Berlinguer verfolgten Regierungszusammenarbeit mit der Democrazia Cristiana, stand später den Linksdemokraten nahe und gilt der PD verbunden.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2015


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